Avantasia - Ghostlights

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VÖ: 29.01.2016
Bandinfo: AVANTASIA
Genre: Power Metal
Label: Nuclear Blast GmbH
Lineup  |  Trackliste

Der kleine Mann trumpft wieder ganz groß auf! Die Rede ist natürlich von Tobias Sammet, der nicht nur mit EDGUY immer wieder für Aufsehen sorgt, nein, AVANTASIA ist sein eigenes Baby und dementsprechend viel Herzblut steckt in jedem der Releases drin. Nachdem ich persönlich etwas enttäuscht war vom letzten Output "The Mystery Of Time", war ich dennoch sehr hoffnungsvoll, was das neue Monstrum "Ghostlights" betrifft, denn das Tobias Sammet ohne weiteres dazu in der Lage ist einen Geniestreich rauszuhauen, darüber müssen wir nicht diskutieren. Natürlich hat der gute Mann auch diesmal wieder einige hochkarätige Gäste um sich geschart und selten las sich eine Gästeliste so fett wie dieses Mal. Neben altbekannten Gesichtern wie Jorn Lande, Bob Catley, Ronnie Atkins und natürlich Michael Kiske, finden wir diesmal auch noch Größen wie Dee Snider, Geoff Tate oder Marco Hietala vor. Weibliche Unterstützung gibt's von Sharon Den Adel, die seinerzeit auf den beiden Metal-Operas schon am Start war und ansonsten begrüßen uns noch zwei kleine Überraschungen mit Robert Mason und Herbie Langhans, die das Gesamtpaket quasi perfekt abrunden! Die Geschichte von "Ghostlights" schließt am Vorgänger an, doch Mr. Sammet hat enorm viel Wert darauf gelegt, dass trotzdem jeder Song für sich steht. Mehr zum Konzept und den Gedanken dahinter erfahrt ihr in unserem großen Interview mit Tobias Sammet himself!

Nun aber rein ins Geschehen! "Ghostlights" begrüßt uns mit der ersten Single "Mystery Of A Blood Red Rose", mit der AVANTASIA im übrigen auch beim ESC-Vorentscheid antreten werden. Musikalisch befinden wir uns in Gefilden von MEAT LOAF oder QUEEN, alles wirkt im wahrsten Wortsinn sehr majestätisch. Ursprünglich war der Song auch für MEAT LOAF gedacht, doch da gab es wohl Probleme mit dem Management... sei's drum! Herr Sammet vollbringt es auch ohne jegliche Unterstützung, uns den Opener mit aller Kraft entgegenzuschmettern und dieser leicht melancholische Touch verleiht der Nummer noch das gewisse Etwas. Ein wunderschöner Track, der mitreißt und zum Träumen verleitet. Mit der verhältnismäßig leichten Kost ist es dann aber auch schon vorbei, denn "Let The Storm Descend Upon You" ist ein richtig dicker Brocken, der uns mit seinen zwölf Minuten Spielzeit einiges abverlangt. Das düstere Intro wird vom Piano dominiert, mündet aber folglich in eine energische Melodie, die ungemein viel Energie versprüht. Hier begegnet uns auch ein Großteil des Casts, denn mit Robert Mason, Jorn Lande, Ronnie Atkins und natürlich Tobias Sammet sind gleich mal vier Sänger am Start! Das merkt man der Nummer an, denn sie treibt den Hörer durch verschiedene Stimmungen, was durch die verschiedenen Phasen der Sänger perfekt in Szene gesetzt wird. Teils wirkt der Track extrem antreibend und dann doch wieder ein stückweit düster. Man bietet uns hier einen wunderbaren Kontrast, der die zwölf Minuten perfekt ausschmückt und vor allem mit einem wuchtigen Chorus aufwartet, der die Füße im Alleingang wippen lässt.

Dee Snider begrüßt uns mit "The Haunting", das ganz klassisch mit einer gewissen Märchenstimmung daher kommt, ähnlich wie es "Toy Master" und "Death Is Just A Feeling" bereits getan haben. Ein bisschen kommt das Gefühl auf, als würde man gerade dem "Alice im Wunderland"-Soundtrack lauschen, doch gerade diese dichte Atmosphäre vermag es, den Hörer komplett an sich zu reißen. Wer sonst, wenn nicht Dee Snider wäre für so eine Nummer geeignet? "Seduction Of Decay" drosselt mal ein wenig das Tempo und stampft mit orientalisch anmutenden Klängen vor sich hin. Geoff Tates verzerrte Vocals verleihen dem Ganzen einen besonderen Touch und insbesondere in der ausgedehnten Bridge zeigt der Mann, was er drauf hat. Der kraftvolle Chorus ist mit Shouts ausgestattet, driftet aber im zweiten Teil auch in einen weitaus melodischeren Part ab, der von Tobias Sammet umschmückt wird. Eines der großen Highlights steht uns mit dem Titeltrack bevor, denn hier setzt man auf klassischen Melodic-Power-Metal, der in ordentlicher Up-Tempo-Manier nach vorne marschiert. Wundervolle Melodien, ein Kiske in Topform und ein Refrain zum Dahinschmelzen, was will man mehr?

Mit "Draconian Love" finden wir den wohl experimentierfreudigsten Song der Platte vor, denn das AVANTASIA sich in der Vergangenheit schon mal in den Gefilden vom Gothic Metal aufgehalten haben, wäre mir neu. Herbie Langhans überrascht mit einer extrem tiefen Stimmlage, die fast schon an Ville Valo von HIM erinnert, doch spätestens der extrem energische und zugleich emotionale Chorus lässt alle Dämme brechen, denn der Kontrast zwischen Herbies tiefer Stimme und Tobis hoher Stimmlage passt einfach perfekt. Sicherlich der überraschendste und zugleich mutigste Track der Platte, beide Daumen nach oben! Marco Hietala darf passenderweise bei "Master Of The Pendulum" zeigen, was er drauf hat. Der Song beginnt noch verhältnismäßig ruhig, drescht dann aber mit einem Schrei seitens Sammet nach vorn und zeigt die vielleicht härteste Gitarrenarbeit, die bei AVANTASIA je zur Geltung kam. Hietala begleitet uns mit seiner unverwechselbaren Stimme durch die Strophen und ist spätestens im Refrain voll in seinem Element. Ein wunderbar verrückter Song, der einerseits einen düsteren Charakter nach außen trägt und andererseits wiederum total antreibend wirkt. Komplett ruhig wird's folglich mit der elektronisch angehauchten Ballade "Isle Of Evermore", die Sharon und Tobi in einem hochemotionalem Duett zeigen. Durch ein gewisses Disney-Feeling wirkt der Track zwar durchaus extrem kitschig, doch vermögen es die modernen Elemente und die wunderbare Harmonie der beiden Sänger, ein tolles Erlebnis auf den Hörer einwirken zu lassen.

Mit "Babylon Vampyres" geht's erneut in die Vollen und uns erwartet klassischer Power Metal. Hier fühle ich mich fast schon an die alte EDGUY-Zeit erinnert, was nicht zuletzt am Titel des Songs liegt. Hervorheben möchte ich das sehr ausladende Solo, wo alle drei Gitarristen zum Einsatz kommen, einfach nur zum Zungeschnalzen! "Lucifer" ist strukturell einer der interessantesten Songs auf der Platte, denn was als Ballade beginnt, entwickelt sich in Hälfte zwei zu einer drückenden Rocknummer. Allerdings kommt der Song quasi gerade erst in Fahrt und dann ist die Geschichte auch schon vorbei. In meinen Augen der belangloseste Track der Platte, der zwischen den ganzen Hochkarätern ein wenig untergeht. Das größte Highlight begegnet uns meiner Ansicht nach mit "Unchain The Light", denn bei kaum einem Song kam in der Vergangenheit eine derart perfekte Dynamik zustande wie hier. Kiske schmettert uns einen Refrain entgegen, der pure Gänsehaut erzeugt und gleichzeitig neben seiner glasklaren Stimme mit fetten Chören ausgestattet wurde. Ronnie Atkins verleiht der Nummer mit seiner rauchigen Stimme nochmal einen anderen Charakter und Tobias Sammet verdeutlicht im Prinzip einmal mehr, was für ein großartiger Songwriter er doch ist. Der Rausschmeißer "A Restless Heart And Obsidian Skies" wirkt ein wenig wie "The Story Ain't Over Part 2", doch das darf gern positiv gewertet werden, denn der Track passt perfekt zur Winterstimmung und Bob Catley versteht es ohnehin wie kein Zweiter, den geneigten Hörer mit ein wenig Schmalz zu begeistern. Ein schöner Abschluss für eine ereignisreiche Reise!

"Ghostlights" ist nach dem durchwachsenen "The Mystery Of Time" genau das geworden, was ich mir erhofft habe. Ein Werk mit extrem viel Aussagekraft, das den Hörer trotz der gewaltigen Spielzeit von mehr als 70 Minuten nie aus den Augen verliert. Meiner Meinung nach hat Herr Sammet sich hier selbst übertroffen, denn er trifft hier schlichtweg die goldene Mitte und präsentiert uns neben sehr klassischem AVANTASIA-Material sehr viel Experimentierfreudiges, was gleichzeitig verdeutlicht, dass der gute Kerl nie müde an Ideen wird. Ob man dem Herrn Kommerzialisierung vorwerfen möchte, sei mal dahingestellt, denn im Endeffekt traut er sich was und geht nicht nur stumpf auf Nummer sicher. Allein Tracks wie "Draconian Love" zeigen auf brilliante Art und Weise, wie viel Innovation in diesem kleinen Köpfchen steckt. 2016 beginnt also mit einem dicken Ausrufezeichen und die anstehende Tour wird mit bestimmter Sicherheit erneut einige Hallen füllen, denn das Material ist es definitiv wert!



Bewertung: 5.0 / 5.0
Autor: Sonata (26.01.2016)

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