MEAT LOAF - Braver than we are

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VÖ: 09.09.2016
Bandinfo: MEAT LOAF
Genre: Rock
Label: 429 Records
Lineup  |  Trackliste

Die Zeit ist ein Dieb. Und manchmal ein zynisches Monster. Ende 2015 und im gesamten Jahr 2016 wurde uns dies schmerzlich bewusst, als uns viele unserer Idole und Vorbilder verlassen haben. Auch an MEAT LOAF geht der Zahn der Zeit nicht vorrüber. Dies zeigte uns allen bildlich sein schmerzhafter Zusammenbruch in Edmonton, während eines Konzerts im Juni. Dabei war er auf einem guten Kurs, gesundheitlich schien es ihm besser zu gehen, sodass er seinen Ruhestand mal eben für eine ganze Welttournee unterbrechen wollte. Auch die Ankündigung, mit seinem ehemaligen Mentor und Partner In Crime JIM STEINMAN ein weiteres Album zur Feier ihrer gemeinsamen erfolgreichen Karriere aufzunehmen, versetzte die Fans weltweit in euphorische Stimmung. "Braver Than We Are", so der Titel des Werkes, führt uns allerdings ganz klar die Realität vor Augen. Und, so hart es fällt, es zuzugeben, MEAT LOAFs Karriere ist vorbei.
 
MEAT LOAF und JIM STEINMAN, ein Dream Team, welches mit "Bat Out Of Hell" einen der absoluten Rock Klassiker unserer Geschichte geschaffen hat. Mit Teil zwei konnte man den künstlerischen und kommerziellen Erfolg des Erstlings sogar noch einmal übertreffen. Selbst der dritte Teil der Fledermaustrilogie, wenngleich von der breiten Öffentlichkeit weitestgehend übersehen, war noch ein anhörliches Album mit einigen netten nostalgischen Momenten. Selbstverständlich geht die Kollaboration der beiden über die "Bat" Alben hinaus, des Umfanges wegen verzichten wir an dieser Stelle auf Details der höchst interessanten und bewegten Geschichte des Teams. "Braver Than We Are" soll der letzte Tusch in der Karriere MEAT LOAFs und die letzte Zusammenarbeit beider Größen sein, doch wäre der Vorhang schon besser nach "Bat Out Of Hell 3" gefallen.
 
Fangen wir mal bei STEINMAN und dem Songwriting an sich an. Bzw. was davon übrig geblieben ist, da sich auf dem Album überwiegend recycelte Momente aus STEINMANs Fundus wiederfinden. Wer irgendwann mal mit der Rock Show "Tanz der Vampire" aus STEINMANs Feder in Berührung gekommen ist, wird auf "Braver Than We Are" einige Déjà-Vus erleben, bzw. erlebt sie schon beim Lesen des Titels. So ist der Zehnminüter "Going All The Way Is Just The Start" als die Essenz dessen gedacht, was die Kollaboration der beiden ausmacht und soll den ganz großen Emotionen der Stücke "Original Sin" und "Objects In The Rear View Mirror May Appear Closer Than They Are" Konkurrenz machen. Das Endergebnis ist allerdings eine weitaus drucklosere Version der Stücke "Draußen ist Freiheit" und "Stärker als wir sind" aus dem Musical, welche nicht ansatzweise deren Intensität erreichen. "Godz" hat ein ganz ähnliches Problem, während "Skull Of Your Country" ganze Parts, lyrisch wie musikalisch, bei "Total Eclipse Of The Heart" kopiert. Nur war eben jener der weitaus bessere Song. Anders "Who Needs The Young", welches ein Motiv aus den "Vampiren" gekonnt in einen lässigen, leicht verrückten Rock'n'Roller transferiert und somit, als einziges Werk auf dem Album, etwas Neues schafft. "More" als ziemlich metallisches SISTERS OF MERCY Cover geht ebenfalls als gelungen durch. Der Rest dümpelt irgendwo im Mittelfeld.
 
Das Traurigste ist aber die Leistung des Namensgebers an sich. Michael Lee Aday, so MEAT LOAF mit bürgerlichem Namen, ist deutlich hörbar nicht mehr in der Lage, dramatische Songs mit seiner Stimme zu tragen. Selbst auf dem nicht ganz geglückten 2010er-Werk "Hang Cool Teddy Bear" hatte LOAFs Stimme noch genug Charisma und Power, um den Stücken Dynamik zu verpassen. Auf "Braver Than We Are" singt er allerdings durchgehend in tiefen Tonlagen, die ihm weitaus weniger liegen als die kraftvolle Oberstimme. Das passt zu der allgemein recht drucklosen Produktion, ist im Endeffekt allerdings nur Beleg dafür, dass seine Zeit einfach vorbei ist.
 

Fazit: Was als glorreicher Abgesang auf eine großartige Karriere zweier Ausnahmemusiker gedacht war, entpuppt sich als bittere Enttäuschung und führt uns wieder einmal die erbarmungslose Gier der Zeit vor Augen. "Braver Than We Are" wird der Legende MEAT LOAF und STEINMANN nicht ansatzweise gerecht und ist die musikalische Aufnahme dessen, was sich in Edmonton zugetragen hat. So hart es klingt, so realistisch ist es leider. Doch JIM und MEAT haben so viele großartige Momente erschaffen, dass wir als Fans das Album einfach so stehen lassen sollten, wie es ist. Und einsehen, dass es an der Zeit ist, sich zu verabschieden und "Danke!" zu sagen. Danke für die Gänsehaut, die großen Emotionen und die unbeschreiblich großartigen Melodien, die uns durch unser Leben begleitet haben. Und jetzt schnell zum Regal und die "Bat" Scheiben reinschmeißen!



Bewertung: 2.0 / 5.0
Autor: Christian Wilsberg (17.09.2016)

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