Epica - The Holographic Principle

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VÖ: 30.09.2016
Bandinfo: EPICA
Genre: Symphonic Metal
Label: Nuclear Blast GmbH
Lineup  |  Trackliste

Ist unser Erdball nur ein Hologramm? Gibt es mehrere Realitäten? Was ist real und was entspringt der sog. Virtual Reality? Diese Fragen sind es, die EPICA in einer ganz eigenen Komplexität auf ihrem neuen Werk "The Holographic Principle" aufgreifen. VR ist im Jahre 2016 ein ganz heißes Thema und die ersten Gerätschaften haben bereits das Licht der Welt erblickt. Noch ist die Technik relativ unausgereift, doch was erwartet uns in einigen Jahren? Verschwimmen Realität und virtuelle Realität? EPICA umfassen dieses weitreichende Thema mit einem 70-minütigem Brocken, der den grandiosen Vorgänger "The Quantum Enigma" nochmal übertrumpfen soll. Erneut arbeitete man mit Joost van den Broek und Jacob Hansen zusammen, um einen voluminösen zeitlosen Sound zu erschaffen, der dem Vorhaben der Band gerecht wird. Noch nie zuvor legte man so viel Wert darauf, fast ausschließlich echte Instrumente einzusetzen. Bläser, Streicher und ethnische Instrumente (man beachte Dancing In A Hurricane). All das soll diese Platte zum besten Schaffenswerk der Bandgeschichte werden lassen. Ist das den Niederländern gelungen?

Wenig überraschend serviert man uns als Einleitung ein knackiges Intro, das in ein modernes Gewand gehüllt wurde und dennoch überaus episch daher kommt. Wuchtig eingeflochtene Orchestrationen, ausdrucksstarke Chorpassagen und und engelsgleicher Kindergesang machen schon allein dieses kurze Bruchstück zu einem Erlebnis. Der Opener "Edge Of The Blade" fackelt anschließend nicht lange und geht sofort in die Vollen. Prägnante Gitarrenarbeit wird von Chören und Streichern umrandet. Was auffällt ist die Tatsache, dass EPICA mittlerweile eine Metal Band sind, die von symphonischen Elementen umrandet wird, das war in der Vergangenheit mal anders. Nie war der Sound härter, klarer und metallischer. Dennoch lässt der Opener an keiner Ecke den typischen EPICA Sound vermissen. Modern, zeitlos und episch sind wohl am ehesten die Worte, die das Ganze stilistisch am besten umschreiben. Simone liefert sich im Chorus ein nettes Duell mit Mark Jansen, der ein paar Tiefseegrowls auspackt. Im Großen und Ganzen ist dieser Track ein Gesamtkunstwerk, der auch nur als solches funktioniert. Einen etwas progressiveren Touch hat das folgende "A Phantasmic Parade" inne, das sehr vielschichtiges Drumming zu bieten hat. Der gute Ariën van Weesenbeek übertrifft sich hier selbst und zeigt ein paar beeindruckende Rhythmuswechsel, die den Song teilweise schwer greifbar machen, ihn dafür aber gleichzeitig umso interessanter gestalten. Schön ist auch der Kontrast aus den atmosphärisch angehauchten Strophen und dem energischen Chorus, wo Simone sehr kraftvoll wirkt und vom Chor unterstützt wird. Mutig fand ich die Entscheidung, "Universal Death Squad" als Single rauszuhauen. So begegnet uns hier eine der härtesten Nummern der Platte, die sich in ihrem Umfang auch nicht so leicht entschließt. Genau solche Songs sind es aber, die diese Band in den vergangenen Jahren nach ganz oben katapultiert haben und NIGHTWISH mit ihrem letzten Werk extrem alt aussehen lassen. So viel Spielfreude, so viel Mut zu Neuem, so viele kleine, feine Details, die sich erst nach und nach erschließen. Solche Momente sind der Grund, warum EPICA mittlerweile ganz weit oben bei mir auf der Liste stehen. Die Nummer bietet extrem viele Tempowechsel und eine Simone Simons, die sich in ihren Gesangspasagen sehr variabel zeigt . Selbst eine so erfahrene Sängerin schöpft also auch noch das letzte Bisschen aus, was Tracks wie diese von anderen abhebt. Es ist schlichtweg grandios, wie EPICA hier Komplexität mit starken Melodiebögen paaren. "Universal Death Squad" ist schwer zu greifen und doch offenbart es sich dem Hörer sehr klar.

Gibt's denn überhaupt einen Wermutstropfen, was das Gesamtwerk anbetrifft? In meinen Augen gibt es den tatsächlich. Ich liebe orchestrale Elemente und ich stehe auf Chorpassagen, doch "Beyond The Matrix" schafft es, selbst meine Wenigkeit ein bisschen abzuschrecken. Der Chorus wird hier gänzlich vom Chor umrandet und weist in seiner Melodiegebung leider einen leichten Nervfaktor auf, der ihn für mich gleichzeitig unhörbar macht. Möglicherweise Geschmackssache, doch bei mir will sich hier nichts rühren. Soll uns das stören? Weiß Gott nicht, denn spätestens mit "Once Upon A Nightmare" ist dieser kleine Schönheitsfehler längst vergessen. Hier präsentiert man uns die wohl interessanteste Ballade, die ich bis dato im Female Fronted Symphonic Metal Bereich zu hören bekam. Das ausgiebig gestaltete instrumentale Intro zeigt sich sehr eindringlich und schafft es mit Leichtigkeit, Emotionen nach außen zu tragen. Später im Verlauf setzt Simone's sehr ruhig gehaltene Stimme ein, die das Ganze noch eine Ebene weiter nach oben schiebt. Der Song verkörpert eine eher bedrückende Stimmung, bricht am Ende dennoch aus sich heraus und sprengt diese Grenze. Ein wunderschönes Kunstwerk, dem man gar nicht genug Beachtung schenken kann. Für all diejenigen unter euch, die sich nun fragen, ob "The Holographic Principle" sich wieder eher der Progressivität und Komplexität hingibt im Vergleich zum Vorgänger sei gesagt, dass dies diesem Werk bei weitem nicht gerecht werden würde. Es verkörpert eine ähnliche klare Linie wie "The Quantum Enigma", weitet seine Grenzen dabei aber aus und blickt über den Tellerrand. Mittendrin zeigen sich dennoch Songs wie "The Cosmic Algorithm", die sich unnachgiebig ins Gehör bohren. Ein wuchtiges Monstrum, das mit brutaler Gewalt aus den Boxen scheppert und einen himmlischen Chorus präsentiert, der eingängig und verträumt daher kommt. Der wohl in meinen Augen interessanteste Track der Platte ist aber "Dancing In A Hurricane". Ihr erinnert euch an die Einleitung? Hier kommen die sog. ethnischen Instrumente zum Einsatz. Eingeleitet wird der Song von Trommeln, die von leichten symphonischen Klängen umrandet werden. Dazu gesellt sich als weiteres ethnisches Instrument mit der Tar, die ein hauptsächlich in Asien bekanntes Zupfinstrument verkörpert. Für mich ohne Frage einer der interessantesten EPICA Songs, der so unfassbar viele Elemente einbindet. Erneut bietet sich uns ein Kontrast, der sich in den Strophen eher bedächtig zeigt, um im Refrain dann nur so zu strotzen vor Kraft. Wunderbar verspielt und innovativ! Als endgültiges Highlight gebe ich euch den Titeltrack mit auf den Weg, der mit seinen über 11 Minuten eine sehr intensive Reise bestreitet. Zuletzt konnten mich EPICA nur bedingt mit ihren Longtracks überzeugen, doch dieses mächtige Stück verkörpert ohne weiteres den stärksten Track, den die Niederländer bisher geschrieben haben, wenn wir von Überlänge sprechen. Extrem viele Emotionen erhalten Einzug, die durch diverse Stilmittel hervorgerufen werden. Ob ruhig oder brutal, dieser Song offenbart alles, für was EPICA im Jahre 2016 stehen. Mark Jansen's Growls waren nie eindringlicher und Simone nie vielschichtiger in ihrer Sangeskunst. Wahrlich ein Kunstwerk, dem ich mit Worten nicht gerecht werden kann...

Puh...Ich werde mich kurz halten im Fazit. "The Holographic Principle" ist nichts weiter, als die konsequente Weiterentwicklung zum bärenstarken "The Quantum Enigma". Die Stärken des Vorgängers nahm man mit und erweiterte sie durch so viele neue Elemente. EPICA stehen nicht still, sie schreiten weiter voran und beanspruchen den Thron des Symphonic Metal langsam aber sicher für sich allein.



Bewertung: 5.0 / 5.0
Autor: Sonata (28.09.2016)

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