Avenged Sevenfold - The Stage

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VÖ: 28.10.2016
Bandinfo: Avenged Sevenfold
Genre: Metal
Label: Universal Music Austria
Lineup  |  Trackliste

Boom, das war ein Knall! Ohne große Ankündigungen haben AVENGED SEVENFOLD vergangenen Freitag ihr neues Album "The Stage" veröffentlicht und dabei grundsätzlich auf großflächige, sich lange im Vorfeld des Releases ausbreitende Promotion verzichtet und sich auf vereinzelte Andeutungen und Täuschungsaktionen (man beachte Chris Jericho und das, wie sich später herausstellen sollte, im Vorfeld geplante "Voltaic Oceans"-Missgeschick) beschränkt. Grund genug für den sehr geschätzten Kollegen Daniel Csencsics und meine Wenigkeit (die wir beide langjährige A7X-Fans sind), in Kollaboration eine Rezension anzufertigen - auch deshalb, weil wir beide grundsätzlich dieselbe Meinung über "The Stage" teilen, in Einzelversuchen aber unterschiedliche Punkte abgearbeitet haben, die wir hiermit zu einer Einheit fusionieren. Let's go!


Heutzutage gibt es wirklich unbegrenzte Möglichkeiten, ein Album, eine EP oder eine Split an die Anhängerschaft zu bringen. Via CD, LPs in unendlich vielen Größen, Formen und Farben, Kassette, Streaming à la YouTube, Soundcloud, der Fantasie sind dahingehend keinerlei Grenzen mehr gesetzt. Während sich die Promotion für neu erscheinende Alben oft schon gar zu einer Reizüberflutung entwickelt, überraschen uns die (will man denn einigen Stimmen glauben) „Götter des Heavy Metal“ von AVENGED SEVENFOLD am 27. Oktober 2016 mit einem viel schlichteren, aber dennoch sehr wirkungsvollem Konzept: Im Vorfeld einfach nichts sagen, einfach mal in den Raum werfen, dass ein neues Album da ist und sehen, was daraus wird. Was folgt ist ein riesiger Aufschrei in der Fan-Szene, niemand hatte mit diesem Move gerechnet. Clever, das muss man schon sagen. Man verlässt sich nicht einfach darauf, dass Fans auf einen Hype-Train aufspringen, nein man lässt den Zug einfach nach dem Schema „Volldampf voraus“ in den Bahnhof krachen. Das ist ein äußerst geschickter Promostunt, der natürlich auch viel Selbstvertrauen seitens der Band und vermutlich auch einen gewissen Status voraussetzt (daran hat es vor allem bei Synyster Gates nie gemangelt). Interessant wird die Situation auch dadurch, dass viele nach der kürzlich veröffentlichten "The Stage"-Single mitsamt genialem Video ja schon die Stirn gerunzelt haben, warum man nicht direkt ein neues Album angekündigt wurde - seit dem 27. Oktober sind nun alle schlauer. Nur ist dann natürlich die Frage offen, ob "The Stage" dieses ganz große Theater überhaupt wert ist. Und wie es das ist.


Als man dann die ganz rar gestreuten Studiovideos und Aussagen der Band vernehmen konnte, war schon der Grundtenor eines Back-To-The-Roots-Schrittes zu erahnen, wobei das anno 2016 natürlich auch jeder von sich behauptet. Gespannt ist man dann nachvollziehbarerweise trotzdem und in Anbetracht der Vergangenheit ist das Reinhören ohnehin Pflicht. Vor allem nach der bereits erwähnten, überragenden Single, die gleichzeitig auch als Opener auserkoren wurde, denn hier geht's in den achteinhalb Minuten direkt mit einigen verspielten Leads, straighten Uptempo-Passagen und diversen Takt- und Stimmungswechseln bis hin zu einem Akustikoutro ereignisreich los. Man fühlt sich bei "The Stage" als langjähriger Fan sofort zuhause, was wohl auch der Tatsache geschuldet ist, dass das Albumintro, das aus verzerrten Orgelklängen besteht, dem Beginn des selbstbetitelten Albums von 2008 nicht gerade unähnlich ist. Typisch AVENGED SEVENFOLD halt. Allgemein merkt man, dass man sich dem vorher genannten „Back-To-The-Roots“-Motto mit viel Liebe angenommen hat, obgleich man nicht in reiner Nostalgie stecken bleibt. Man findet hier keineswegs eine Selbstkopie vor, viel mehr wird der unverkennbare Stil, den die Band zu einem früheren Zeitraum vertrat, als ein Grundstein genommen, auf dem man versucht etwas Neues, etwas Besseres zu erschaffen. Allgemein ist es nicht leicht, das Album einem einzigen Genre zuzuordnen, viel zu viele Einflüsse aus verschiedensten Stilrichtungen (u.A. Flamenco-Rhythmen in "God Damn") können auf "The Stage" ausgemacht werden. Mal gibt es Passagen, die in die Sparte „Extreme Metal“ fallen können, dann wird es plötzlich etwas progressiver ("Creating God"), dann ruhig ("Roman Sky") oder gar psychedelisch ("Simulation"). Dieses ganze Gemisch verschiedenster Inspirationen sollte bei langjährigen Fans wohl eine gewisse Nostalgie hervorrufen, jedoch ist auch eine Weiterentwicklung der Band eindeutig zu erkennen. Am ehesten ist der Schritt zurück zu den Wurzeln beim Gitarrenspiel eines Synyster Gates zu vernehmen - am eindrucksvollsten gezeigt beim angesprochenen, titelgebenden Song "The Stage": der Song beinhaltet in seiner über 8-minütigen Spielzeit mehrere Solisten-Parts, die in ihrer Darbietung gleich einem Blitzregen gleichkommen: Schnell, aggressiv und doch schön. So muss das sein! Deutlich geradliniger zeigt sich "Paradigm", das sich in seinen Strophen gemächlich verhält und erst im Refrain die Zügel anzieht, während M. Shadows tatsächlich auch mal wieder harsche Vocals hinzufügt. Screams bei AVENGED SEVENFOLD? Das hat man schon seit über 10 Jahren nicht mehr gehört, die Band ist also immer noch für Überraschungen gut. In diesem Song und vor Allem im anknüpfenden, verschachtelten "Sunny Disposition" offenbart sich für mich dann auch, dass der heuer erst beigetretene Drummer Brooks Wackerman (ex-BAD RELIGION) eine exzellente Wahl war, da er diesen ganzen irren Tempowechseln nicht nur Paroli bieten kann, sondern beispielsweise auch die teils jazzigen Saxophon-Passagen mit äußerst gelungener Percussion unterbauen kann (es sollten nicht seine letzten großartigen Patterns sein). Auch M. Shadows, der von manchen Fans ja bereits fast ikonisierte Frontmann der Band, zeigt, dass er noch einiges zu bieten hat, zumal er auf dem Album range-technisch alles zu zeigen versucht, was seine Stimme zu bieten hat. Die Erfahrung des Sängers zahlt sich aus, denn seine vielen und schnellen Wechsel zwischen verschiedenen Oktavenhöhen gelingen, als wäre das die einfachste Sache auf der Welt (alle, die schon einmal versucht haben, "Bohemian Rhapsody" zu singen, wissen, dass es nicht so ist).


Ab diesem Zeitpunkt rückt auch immer mehr in den Vordergrund, dass es sich bei "The Stage" um ein Konzeptalbum handelt, das, erkennbar auch an diversen Textpassagen und Songtiteln, in zitiertem Musikvideo zumindest grob erzählt wurde. Dabei gelingt es AVENGED SEVENFOLD, wie damals schon, unfassbar gut, sehr abwechslungsreich zu komponieren und dem Gesamtwerk trotzdem ein hörbares Grundmotiv zu injizieren. Die Thematik, der sich "The Stage" annimmt, beschäftigte schon die großen Köpfe des Humanismus aus den Zeiten der Renaissance: Der Mensch selbst. Geht man also nach dem, was man im vor wenigen Wochen erschienenen Musikvideo zu "The Stage" sehen kann, so behandelt das Album die Entwicklung der Menschheit seit Anbeginn ihrer Existenz und seiner Stellung auf der Erde. Man sieht Krieg, man sieht Liebe, man sieht den Mensch auf dem Grat zwischen Genie und Wahnsinn. Letztendlich ist jedoch alles davon bedeutungslos, was allerdings im Finale des Albums, dem über 15-minütigen Track "Exist" (das mit schier endlosen, neoklassischen Soloorgien den Urknall auf musikalische Weise interpretieren soll) durch einen Monolog von Neil deGrasse Tyson über das Universum untermauert wird.


Jetzt brauchen wir aber erstmal wieder etwas Stumpfes zum Ausgleich, beispielsweise "Straight From The Barrio" von UPON A BURNING BODY, das ja dieser Tage ebenfalls erschienen ist. Darin steckt aber gleichzeitig auch das größte Lob, das ich AVENGED SEVENFOLD zu "The Stage" gegenwärtig machen kann, denn man hat es definitiv geschafft, qualitativ und musikalisch an ein "City Of Evil" anzuknüpfen und den dort zur Schau gestellten Stil weiterzuentwickeln. Sprich: A7X besinnen sich auf ihre schwer anzuzweifelnden Stärken, zeigen aber gerade in Sachen Songwriting, dass sie in den letzten Jahren gereift sind und mit ihrem ureigenen Charakter sogar ein Konzeptalbum diesen Ausmaßes stemmen können. Sicherlich gibt es dabei hier und da ein paar klitzekleine Wackler, aber als Gesamtwerk betrachtet ist "The Stage" nahezu perfekt und eine Blaupause für die New Wave Of American Heavy Metal, wenn man's denn so nennen möchte.



Bewertung: 4.5 / 5.0
Autor: Pascal Staub (30.10.2016)

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