CODE ORANGE - Forever

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VÖ: 13.01.2017
Bandinfo: CODE ORANGE
Genre: Hardcore
Label: Roadrunner Records
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Lineup  |  Trackliste

Holy Shit! Was auch immer CODE ORANGE in ihrem Proberaum in Pittsburgh da zusammengezimmert haben – die Menschheit ist noch nicht bereit dafür. „Forever“ ist keine Dampfwalze, kein Nuklearschlag, „Forever“ ist Armageddon! In einem Zeitalter, in dem sich etablierte Bands auf die Fahne schreiben, das Genre mit Teehee-Gequäke zu revolutionieren, kommt ein Quartett namens CODE ORANGE daher, haut mal ordentlich auf den Putz und bricht dabei jede einzelne Genreregel. Aber genug des Vorspiels, ich mache es wie „Forever“ – weniger Intro, mehr Inhalt.

Denn genau so startet der Opener und Titelsong „Forever“: Zwei Zeilen einer unangenehm tief verzerrten Stimme und es beginnt. Ein klassisches Hardcoreriff eröffnet die Platte; aber krumm, schief und unterlegt mit einem Gekreische wie Fingernägel auf einer Tafel. Auch wirkt der gesamte Stil der Band leicht übersteuert, sowohl in den Instrumenten als auch in den Vocals. Das ist hier aber keineswegs störend sondern fügt sich wunderbar in das dreckige Gesamtbild der Platte ein. Wenn „Forever“ dann in einem absolut heftigen Breakdown nach Hausmarke NASTY mündet, ist klar, dass hier keine Gnade zu erwarten ist. Das wirkliche Kernelement des Albums zeigt sich aber erst im darauf folgenden „Kill The Creator“, meinem persönlichen Highlight. CODE ORANGE schaffen es, so geschickt mit Stil- und Tempobrüchen zu spielen, dass man nie sicher sein kann, in welche Richtung der Track sich entwickelt. Beispielsweise kann es einfach passieren, dass ein Riff mitten in der Ausführung abrupt abbricht und durch ein anderes ersetzt wird, oder dass düster-melodische Gitarrenparts von absurd lauten und schrillen Elektro-Einlagen unterbrochen werden. In Sachen Tempo und Eskalationspotential legt „Real“ noch eine Schippe drauf: Die stark abgemischte Eröffnung unterlegt mit fettem Double-Bass lädt einfach zu einem gepflegten Moshpit ein. Stilistisch hat die Band hier ein interessantes Mittel gewählt: Im Laufe des Tracks baut dieser immer mehr an Tempo ab, und mündet in einem kompletten Stilbruch – dem Beginn von „Bleeding In The Blur“. Der dreckige Sound und die verstörend schiefen Einlagen bleiben zwar, aber die Härte scheint komplett verschwunden. Alle Screams wurden durch (zumindest) interessanten Clean-Gesang ersetzt und der Song kommt insgesamt viel melodischer daher, besonders das Bass-Riff (d)rückt in den Vordergrund.

Sollte mich jemals jemand fragen, was CODE ORANGE ausmacht, dann zeige ich ihm „The Mud“. Hardcore, elektronische Beats, Screams, Cleans, Stilbrüche, Tempoänderungen, unerwartete Pausen, apokalyptische Stimmung, ein Sound so dreckig wie die Socken nach einer Woche Festival und das alles in vier Minuten! Auch wenn ich den Track schon mindestens 100x gehört haben muss, erwische ich mich immer wieder dabei, dass ich mehr als irritiert aufschaue, wenn das Riff plötzlich abbricht und eine verzerrte Stimme das Wort „Suicide“ wie auf einer zerkratzten CD wiederholt. Die zweite Hälfte von „Forever“ ist nicht weniger interessant, greift aber viele Aspekte auf, die bereits verwendet wurden. Über „The New Reality“, „Spy“ und „No One Is Untouchable“ brauchen wir an dieser Stelle nicht reden, hier liefern CODE ORANGE nur astreinen Hardcore mit kräftigen Beatdown-Elementen. Bemerkenswert sind eher „Ugly“, „Hurt Goes On“ und „dream2“ – die heimlichen Stars von „Forever“. Erstgenannter Song überrascht mit einem stimmigen rockig-doomigen Sound, der eine fast schon süchtig machende Stimmung erzeugt. Besonders der kraftvolle Refrain lädt zum Mitsingen ein. Anders verhält es sich mit „Hurt Goes On“: Der hauptsächlich elektronische Song erzeugt eine Stimmung wie aus einem Horrorfilm. Auch wenn sich mir bei den Trance-ähnlichen Elementen (wohlig) alles zusammenzieht, kann ich nicht aufhören, diesen Track in Dauerschleife zu hören. Auch hier erzeugen CODE ORANGE eine unerwartete Wendung am Ende des Songs, die ihm sogar mitunter das größte Potential für Live-Auftritte verschaffen dürfte. Das Outro „dream2“ schließt hier perfekt an, indem das Doom-Element auf die Spitze getrieben wird. Höhepunkte erwartet man hier vergebens, und das ist auch gut so! Ganz bewusst will die Band hier kein befriedigendes Gefühl eines Albumabschlusses erzeugen, sondern das unangenehme Gefühl morbider Faszination für was auch immer man da gerade erleben durfte. So endet der Song auch nicht klassisch, sondern wurde einfach mitten in einer Songzeile abgeschnitten.

CODE ORANGE machen Nischenmusik, das haben sie schon mit ihrer Debut-LP „I Am King“ gezeigt. „Forever“ führt das Bandkonzept weiter und baut es weiter aus. Die Mischung aus Doom, Hardcore und Beatdown mag zwar nicht jedermanns Sache sein, aber trotzdem kann ich das Album jedem, der sich eine Neuinterpretation des Genres wünscht, nur ausdrücklich empfehlen. Vielleicht hören wir hier gerade die Zukunft des Core.

Hier ausnahmsweise zwei Songs, um die Stilreichweite der Band zu zeigen.



Bewertung: 5.0 / 5.0
Autor: Lucas Prieske (12.03.2017)

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