RICHARD BARBIERI - Planets + Persona

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VÖ: 03.03.2017
Bandinfo: RICHARD BARBIERI
Genre: Ambient
Label: KScope
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Lineup  |  Trackliste

Okeeeee … Wenn man weiß, was der gute Herr Barbieri in seinem bisherigen Musikerleben so getrieben hat, dann wird man auch „Planets + Persona“ verstehen, zumindest halbwegs. Sollte hier jemand erwarten, der Mann schippere da gemütlich und auf Nummer sicher in PORCUPINE TREE-Gewässern herum, der hat den kreativen Künstler unterschätzt und sollte sich gleich mal auf eine herbe Enttäuschung einstellen. Richard Barbieri ist bereits zu weit weg von seinem letzten Arbeitgeber, von dem auch in nächster Zukunft – wenn überhaupt! – keine Reunion zu erwarten sein wird. Und das ist gut so, denn sowohl Steven Wilson, als auch die verbleibenden beiden Sidekicks sind mit anderen Sachen beschäftigt: Basser Colin Edwin machte zuletzt mit TWINSCAPES und TIM BOWNESS auf sich aufmerksam, und Schlagwerker Gavin Harrison (u.a. KING CRIMSON) ist momentan wohl einer der gefragtesten Musiker weltweit.

Will man „Planets + Persona“ - Richards dritte Solo-Arbeit nach neun langen Jahren - ein wenig mehr begreifen, muss man daher tief in der Vergangenheit wühlen. Von den Anfängen Barbieris bei den Synth/Wave-Pionieren JAPAN („Quiet Life“) über seine Kooperationen mit Hans-Joachim Roedelius (CLUSTER, BRIAN ENO) und Steve Hogarth (MARILLION) bis eben hin zu PORCUPINE TREE, die zwar maßgeblich für den Prog der Neuzeit sind, für Richards Solo-Album jedoch weniger. Auch der Begriff „Electro“ ist hier ein wenig beengend, denn die Instrumentation setzt bewusst auch auf analoge Instrumente wie Saxophon, das exotische Saitenungetüm Kora oder einfach Perry Jones‘ perkussives Bassspiel. Dass Herr Barbieri nach gut 40 Jahren Karriere immer noch Lust auf Experimente hat, ist da nicht nur ein netter Beigeschmack: wenn man glaubt, es wäre schon alles gesagt, kommt es doch noch mal faustdick. So hat „Planets + Persona“ auch die Aura eines Soundtracks. Nicht von ungefähr wurde etwa das fast elfminütige „Night Of The Hunter“ von Charles Laughton’s einziger, gleichnamiger Regiearbeit inspiriert, und durchläuft mehrere emotionale Ebenen, immer von einem fernöstlich anmutenden New Age-Thema getragen.

„New Found Land“ biedert sich in versöhnlichen Melodien ein wenig an den frühen PETER GABRIEL an, und man hat hier den seltenen Eindruck, es würde eine ganze Band spielen. Beim chilligen „Interstellar Medium“ kommen mir irgendwie die EINSTÜRZENDEN NEUBAUTEN in den Sinn, in ihren ruhigeren Momenten - zumindest auf experimenteller Ebene können sich Blixa Bargeld und Co. hier grenzüberschreitend mit Herrn B. die Hand reichen. Noch entrückter geht’s bei „Unholy“ zur Sache. In einer unbekannten Sprache zirpt Lisen Rylander Löve (MIDAIRCONDO) entfernt über den Sound-Ozean herüber, dem Song haftet so fast etwas Unheimliches an, was ihn nach hinten raus aber auch sehr schön und intensiv macht. „Shafts Of Light“ zeigt danach, dass Richard den Songtitel hier perfekt in musikalische Emotionen umzusetzen vermag: wieder dominiert ein teils fernöstlicher Vibe, und Lichtstrahlen fallen durch eine dunkle Wolkendecke, dazu zwitschern Vögel und der Wind rüttelt an den Bäumen, bevor der Song in eine ferne, abstrakte Landschaft entgleitet. Wem das zu versöhnlich war, der wird final noch vom jazzig wabernden „Solar Storm“ gen Ausgang begleitet, einem schrägen Song mit einem der wenigen treibenden Schlagzeug-Parts der Scheibe.

Herr Barbieri liebt es halt mehrschichtig, und Soundfetzen, die sich im ersten Moment abzustoßen scheinen, fügen sich mit der Zeit wie von selbst zu einem logischen Gesamtbild zusammen – und das ist die große Kunst dahinter und zeigt, dass der gute Mann kreativ noch lange nicht am Ende ist. „Planets + Persona“ wird auch unter Rockfans mit universalem Verständnis und offenem Gehör Freunde finden, da bin ich mir sicher. Lasst euch drauf ein: Augen zu, und die Bilder zum Sound einfach nur im Kopf entstehen lassen.



Bewertung: 3.5 / 5.0
Autor: Mike Seidinger (24.03.2017)

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