WOLFHEART - Tyhjyys

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VÖ: 03.03.2017
Bandinfo: WOLFHEART
Genre: Metal
Label: Spinefarm Records
Lineup  |  Trackliste

Hier mal etwas für die Abenteurer unter euch: Seid ihr jemals in Lappland gewesen? Dieses alte, nördliche Territorium im heutigen Finnland? Wenn nicht, dieses Stück Erde ist für jeden Abenteuer-Junkie eine Reise wert, ist es doch eine Welt voller Gegensätze und zeigt auch noch heute die ungebannte Schönheit der Wildnis. Doch Vorsicht: So herrlich schön die unwirkliche Landschaft des Nordens im Frühling auch sein kann, sollte man nicht vergessen, dass auch dieses Land irgendwann eisige Schrecken entfaltet. Denn bevor in den weitläufigen Ebenen und breiten Flusstälern der Frühling entspringt, hält der Winter das Land in seinen Klauen. Das Licht verschwindet, das Leben weicht, grüne Prärien werden durch trostlose Eiswüsten ersetzt. Könnt ihr euch das Szenario vorstellen? Gut, denn genau dieses Bild der Trostlosigkeit und Rauheit solltet ihr euch ins Gedächtnis rufen, wenn es um die Musik der Finnen von WOLFHEART geht, lässt sie sich doch sowohl thematisch als auch praktisch mit diesem Naturschauspiel vergleichen. Das geschieht ganz bewusst, wird ihre Spielweise doch gerne Winter Metal genannt, was sich irgendwo in der Nähe des Melodic Death Metal einordnen lässt, zusätzlich aber noch den einen oder anderen Twist bietet. Mit "Tyhjyys" erschien kürzlich nun das bereits dritte Kapitel des musikalischen Kälteeinbruchs den WOLFHEART seit vier Jahren über uns bringt, und wieder deuten hier alle Zeichen auf einen harten, unerbittlichen Winter, der nur denjenigen seine Schönheit offenbart, die bereit dazu sind, sich darauf einzulassen. Doch was erwartet den Hörer hierbei nun wirklich? Tatsächlich eine akustische Reise in die nördlichen Gefilde Finnlands oder doch nur ein ruhiger Wandertag mit Oma und Opa? Das gilt es, hier herauszufinden.

Eines muss man den Finnen schon zu Beginn zugestehen: Sie haben einen Sinn für Atmosphäre. Das beweist bereits der instrumentale Opener mit dem Namen "Shores of Lake Simpele" mit Bravour. Was vorerst unscheinbar und leise mit akustischen Gitarren und dem Klang einer leisen Brise beginnt, verwandelt sich plötzlich in einen tobenden Eissturm, der den Hörer regelrecht umringt und vollständig in seinen Bann zieht. Ja, George R.R. Martin trifft es da mit "Winter is coming" wohl ziemlich genau, und dieser Winter scheint mit weiterem Voranschreiten des Albums zusehens erbarmungsloser zu werden. Wenn sich dann mit "Boneyard" nun auch die donnernden Vocals von Tuomas Saukkonen zum Instrumental gesellen, wird die Energie von "Tyhjyys" deutlich spürbar, was aber letztendlich nicht das ausschlaggebende Merkmal des Albums ist. Das, was das dritte Werk von WOLFHEART wirklich ausmacht, ist die größtenteils fantastische Klanginszenierung, die den Ausdruck "Melodic Death Metal" wirklich mehr als verdient. In fast jedem Song wird der Hörer von mitreißenden Melodien mit einem nicht zu unterschätzenden Ohrwurmfaktor begleitet, während die Finnen gleichzeit versuchen, dem Hörer durch unterschiedliche Stilmittel die Abwechslung zu bieten, die die Leadgitarrenarbeit, so großartig sie im Grund genommen auch sein mag, ab einer gewissen Laufzeit missen lässt. Über die meisten Passagen wird die Band durch eher hintergründig gehaltene Keyboradklänge begleitet, die sich nahtlos in das Gedankengut der Band einfügen und das Konzept des Winter Metals sich erst richtig entfalten lassen. Aufgelockert wird die meist rau gehaltene Stimmung außerdem immer wieder mit eingestreuten akustischen Bridges, die metaphorisch (wenn man denn möchte) "die Schönheit, die in der Kälte des musikalischen Winters verborgen ist", aufzeigt, oder etwas weniger blumig ausgedrückt: Sie nehmen etwas das Tempo aus den Stücken und sorgen für einen Ausgleich zur sonst sehr rohen Gitarrengewalt, die besonders auf "The Rift" deutlich spürbar wird. Zusätzlich tragen sie zu einem Hörerlebnis bei, das sich recht gut mit dem eines konzeptionellen Folk Metal Albums vergleichen lässt. Den Abschluss findet das Album mit dem gleich benannten Song "Tyhjyys", was auf finnisch so viel wie "Leere" bedeutet. "Leer" ist das Maß hier allerdings noch lange nicht, bietet das Stück, neben bereits bekanntem Klangbild, doch das Feature, dass man hier den einzigen finnischen Songtext auf dem Album findet. Überraschend kommt ein solcher Twist zwar nicht unbedingt, letztendlich findet man so mit "Tyhjyys" aber einen annehmbaren Abschluss für das gleichnamige Album.

Gemessen an der lyrischen Qualität und derer Darbietung findet man auf dem dritten Album der Finnen ein mehr oder weniger zweischneidiges Schwert. Einseits muss man die Texte der Band dahingehend loben, dass sie sich ebenfalls dem Konzept von "Tyhjyys" anzupassen wissen, wobei, was das angeht, "Call of the Winter" nur das offensichtlichste Beispiel darstellt. Weiter können Bands wie beispielweise die ebenfalls wölfische Genre-Konkurrenz aus Deutschland von derartig bildlichen und von lyrischen Stilmitteln strotzdenden Texten nur träumen und kommen nicht ansatzweise an deren Tiefgang heran; Darüber wurde in den letzten Tagen aber wohl schon genug geredet. (Falls das einige allerdings nicht mitbekommen haben sollten: Hier die Review zum neuen "Meisterwerk" von VARG. Entscheidet selbst, was besser ist). Was die Darbietung allerdings angeht, nun, sie ist auf keinen Fall schlecht, doch fehlen im Gegensatz zum Instrumentalpart ein gewisser Einfallsreichtum. Über weite Strecken verlässt man sich auf wenig variationsreiche, aggressive Growls, die man genau so bei vielen anderen Bands finden kann. Für das, was es ist, ist es zwar in Ordnung, die Vocals als "über alle Zweifel erhaben" zu bezeichnen, wäre aber vielleicht etwas zu viel des Guten.

Um nun nochmal auf die anfangs gestellte Frage zurückzukommen, ob "Tyhjyys" nun ein akustischer Abenteuertrip oder nur ein ereignisloser Wandertag ist, so kann man sagen, dass WOLFHEART hier abliefern, was zu erhoffen war: Ein durchwegs starkes und hoch melodisches Werk, das für jeden Freund des Melodic Death Metal und dichter Stimmung eine Freunde sein wird. Bekritelungen gibt es hier nur auf recht hohem Niveau, so könnte man der Band beispielweise vorwerfen, dass die persönlich gefühlt stärkste Nummer des Albums, "Shores of Lake Simpele" sich als Schlussnummer vielleicht sogar besser geeignet hätte als als Opener, was aber natürlich Geschmackssache ist. Letztendlich bleibt also nur mehr zu sagen, dass sich die Reise mit WOLFHEART in ihre kalte und doch schöne Welt gelohnt hat und man sicher gerne wieder dorthin zurückkehrt.

Wer nun noch mehr von WOLFHEART hören möchte, der ist mit unseren früheren Reviews zu "Shadow World" und "Winterborn" gut bedient.

 



Bewertung: 4.5 / 5.0
Autor: Daniel Csencsics (19.04.2017)

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