MASTODON - Emperor Of Sand

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VÖ: 31.03.2017
Bandinfo: MASTODON
Genre: Metal
Label: Reprise Records
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Lineup  |  Trackliste

Oh MASTODON, meine ewige Nummer zwei in Sachen Progressive (wen es interessiert: OPETH hält den Thron in eiserner Hand). Das Quartett aus Atlanta produziert seit nunmehr 17 Jahren zuverlässig erstklassige Konzeptalben, mal mehr, mal weniger zugänglich – aber so ist das nun mal mit Progressive. Mit „Emperor Of Sand“ kommen sie vermutlich so nah an ihre eigene Essenz, wie nur irgend möglich. Kurz und schmerzlos, garantiert nicht spoilerfrei: Die neue MASTODON Platte ist ein absolutes Meisterwerk, das mich mehr als einmal staunend und mit offenem Mund zurückließ.

Ungewohnt direkt und ohne Umschweife, kommt „Emperor Of Sand“ mit der Eröffnungsnummer „Sultan‘s Curse“ sofort zur Sache. Wie das gesamte Album braucht dieser Titel einige Durchläufe, um mit ihm warm zu werden. Der unvermittelte Anfang und das (auf den ersten Blick) Vermissen großer, MASTODON-typischer Melodien, erschweren den sofortigen Zugang ein wenig. Nach einigen Malen lernt man aber schnell, besonders die zweite Hälfte des Songs zu lieben, die durchzogen ist von so vielen kleinen Details und Anspielungen auf frühere Releases, Änderungen der Songstruktur ohne den roten Faden zu verlassen und purem Progressive. Trotzdem ist „Sultan’s Curse“ für mich der schwächste Track des Albums. Noch irritierter war ich beim anschließenden „Show Yourself“. Was? Das sollte MASTODON sein? Simpelste Riffs und ein gefühlt trivialer Aufbau, den auch jeder andere hätte schreiben können? Weit gefehlt! Nach einigen Anläufen entwickelt sich „Show Yourself“ in seiner Kürze zu einer wahren Hymne, die an den Sound von „Once More ‘Round The Sun“ angelehnt ist. Der Refrain ist eingängig, und der typische MASTODON-Vibe offenbart sich erst auf den zweiten Blick. Mit „Precious Stones“ findet sich an dritter Stelle der erste Track, der wirklich durch und durch nach dem unverkennbaren Sound der Band klingt. Ob nun die charakteristischen Drum-Fills, die tragenden Gesänge der verschiedenen Stimmen der Band oder mehrere, kaum auffallende Gitarren-Soli. „Precious Stones“ fühlt sich an wie Zuhause sein; Ein Anker der Gewohnheit in einem experimentellen Album. „Steambreather“ war für mich der erste WOAH-Moment: Selten haben MASTODON einen solch durch und durch epischen und fesselnden Song geschrieben. Der Refrain eröffnet eine neue Ära des Songwritings der Band – die Melodie setzt sich stark vom Rest des Titels ab, fügt sich aber gleichzeitig nachdenklich und packend in das Gesamtgefüge ein. Von großen Melodien bis harten Riffs ist hier alles vertreten. Und genau dann, wenn man denkt es könne nicht mehr besser kommen – genau dann kommt „Roots Remain“, frisst dich unangekündigt mit Haut und Haaren und spuckt dich unverdaut zurück in die Tage, in denen Progressive für dich noch Offenbarung bedeutete. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob es verboten sein sollte, einen derart guten Song zu schreiben. Für lange Zeit konnte ich „Emperor Of Sand“ nur bis hierhin hören, weil „Roots Remain“ in Dauerschleife lief. Aber wem kann es nicht eiskalt den Rücken hinunterlaufen, wenn eine tragende Stimme, untermalt von Glockensounds und sanften, aber düsteren Riffs „The end is not the end you see, it’s just a recognition of a memory“ entgegensäuselt, gefolgt von (ich lehne mich hier mal weit aus dem Fenster) [Anm. d. Lekt.: Wir haben zur Sicherheit ein Sprungtuch aufgebaut. Sicherheit am Arbeitsplatz hat höchste Priorität!] einem der besten Gitarrensoli, das der Metal jemals hören durfte. „Roots Remain“ ist ein Manifest des Progressive. Gleichzeitig stellt es einen Wendepunkt innerhalb des Albums dar, denn von hier an hat es sich erledigt mit dem genauen Zuhören, um MASTODON erkennen zu können. Die Band gibt auf den restlichen sechs Songs 110% ihrer Power und lässt mit „Words to the Wise“ den Strom der Begeisterung einfach nicht abbrechen. Allein der Refrain, mitsamt seinen ihn umgebenden Stilmitteln, steckt die letzten beiden Releases der Prog-Rocker mit links in die Tasche.

Da ich ab hier Gefahr laufe, mich zu wiederholen, werde ich von hier an nur noch das Allerbeste des jeweiligen Tracks herausstellen, ein bisschen dürft ihr beim Hören schon noch selbst entdecken. Die Drums, die intelligent geschriebenen Vocals und der ‚erlösende‘ Gitarrensound im Refrain geben „Ancient Kingdom“ mehr als nur Existenzberechtigung auf dem Album. Auf „Clandestiny“ gilt es ganz besonders, die Vocals von Brent Hind herauszuheben, der sich hier gefühlt neu erfindet und eine große Hymne produziert. „Andromeda“ dürfte wohl der härteste Song der Platte sein, der mit dissonanten Riffs aufwartet, die sich an einigen Stellen geschickt der Gesangsmelodie unterzuordnen zu wissen, um das ‚Storytelling‘ nicht zu durchbrechen. „Scorpion Breath“ strotzt nur so vor Wüsten-Atmosphäre, und leitet mit wohl angeordneten Elementen auf das Finale von „Emperor Of Sand“ hin: „Jaguar God“. Mit knapp acht Minuten der längste Song der Platte, erschafft „Jaguar God“ den Schluss eines perfekten Kreises und hinterlässt den Hörer mit einem wohligen Gefühl der Abgeschlossenheit. Die Spannweite reicht hier von ruhigen und Vocal-getragenen Passagen, über düstere, orientalisch anmutende Riffs, harten Headbanging-Parts mit verzerrten und unheimlichen Stimmen, schnellen Progressive-Teilen ohne Rücksicht auf Verluste, bis zum grandiosen Finale seiner selbst – einem 90-sekündigen Solo, das alle Themen des Albums erneut aufgreift, und die großartige Reise von „Emperor Of Sand“ Revue passieren lässt.

Gern hätte ich etwas Negatives über „Emperor Of Sand“ hier verloren, allein um mich nicht kommentarlos in die Masse der internationalen Höchstwertungen, mit denen MASTODON aktuell überschüttet werden, einzureihen. Aber was soll man sagen? Jede einzelne davon ist verdient, denn die Band hat hier einen zeitlosen Metal-Klassiker geschaffen, der durch seine Raffinesse und gleichzeitige Zugänglichkeit ungemein zu begeistern weiß. MASTODON hebt sich hier selbst auf ein neues Level und fordert meine persönlichen Progressive-Kings OPETH zum Messertanz. 

Hier zum reinschnuppern, nicht der stärkste Song des Albums, dafür aber mit Video:



Bewertung: 5.0 / 5.0
Autor: Lucas Prieske (14.04.2017)

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