EISBRECHER - Sturmfahrt

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VÖ: 18.08.2017
Bandinfo: EISBRECHER
Genre: NDH (Neue Deutsche Härte)
Label: Sony Music Entertainment
Lineup  |  Trackliste

Zweieinhalb Jahre später. Und der "Schock" ist verdaut. Lange haben die Die-Hard-Fans der Industrial-Combo EISBRECHER warten müssen, bis die Jungs rund um Frontschwein Alex Wesselsky und dem musikalischen Mastermind Noel Pix taufrisches Material aus dem Äther stampfen. Der 2015er "Schock" steckte uns bis dahin noch tief in den Gliedern - aber zur Gänze im positiven Sinne. Das Vorgängeralbum hat die Stärken der Band einwandfrei gebündelt und mit das stärkste Material in der Geschichte von EISBRECHER auf Konserve gebannt. Eine nach der Veröffentlichung direkt beginnende, mitreißende Tour inklusive, während dieser auch ein gleichnamiger Live-Mitschnitt entstanden ist, der sich ebenso sehen wie hören lassen kann. Alles roger also beim EISBRECHER, könnte man so sagen, doch das stetige Hoch, das die Jungs seit ihrem "Eiszeit"-Output im Jahr 2010 begleitet, muss genährt werden, muss weiter forciert werden. Ansonsten rammt der Kahn den nächsten Eisberg, schneller als man denken kann.

Und genau deshalb begeben sich Alex und Co nun auf die sogenannte "Sturmfahrt". Mit einem düsteren Cover-Artwork kommt das neue Album um die Ecke und dieses verspricht genau das, was man im Endeffekt auch bekommt. Die volle EISBRECHER-Wucht, mitten auf die Zwölf. Was ich schon bei den letzten Alben erlebt habe, passiert auch hier wieder auf ein Neues: Nach den ersten Takten von "Was ist hier los?" kippt man sofort in den EISBRECHER-Modus, ist beim Hören voll dabei und kann binnen weniger Minuten die ersten Zeilen schon blind mitgrölen. Nicht, weil die Texte so stupid wären (na ja, manche Zeile ist dann doch oftmals auch ein wenig banal), sondern weil das Ding einfach rockt. Mussten sich EISBRECHER zu Beginn ihrer Karriere immer wieder Vorwürfe anhören, dass sie nur ein müder Abklatsch von RAMMSTEIN, OOMPH! und Konsorten seien (was aber zu keiner Karrierephase zutreffend war), muss ich zum ersten Mal zugeben, dass die Struktur der Vorab-Single tatsächlich Lindemannsche Züge trägt. Ein blecherner, treibender Riff, ein wütender Checker am Mikro, die Anklage der Gegenwart in drei Minuten komprimiert. Der Song wird live wieder abgehen wie Schmidts Katze - sehr schön.

In diesem Takt geht die "Sturmfahrt" dann auch weiter. Der EISBRECHER switcht gekonnt zwischen seinen mittlerweile mehr als bekannten und erfolgreichen Trademarks hin und her, bietet ultra-eingängige Rocker wie "Besser", atmosphärische Industrial-Popper ("In einem Boot", stilecht mit einem Sample des Erfolgfilms "Das Boot" versehen) und klassische Neue Deutsche Härte-Titel wie "Automat". Alles in allem macht es aber die Mischung aus. Da stört es auch nicht, dass man beim Mittelblock des Albums ("Automat", "Eisbär", "Der Wahnsinn") etwas zu sehr in die Klischeekiste deutscher Rock-Bands greift und der ein oder andere Reim dann doch eine Spur zu weit vereinfacht wird. Das gehört einfach dazu, das ist das Gesamtkonzept EISBRECHER.

Und dieses geht in voller Albumlänge erneut größtenteils hervorragend auf. Man ist voll dabei, wenn "Das Gesetz" von der Band übernommen wird und daraus ein eingängiger, mächtiger Uptempo-Song entsteht. Man will auch wissen, "wo der Teufel hingeht, wenn er weint", trotz schlagermäßigem Refrain und verspielten Elektro-Elementen. Der obligatorische Macho-Song "Wir sind Rock'n'Roll" darf ebenso nicht fehlen wie der melancholische, schön gestaltete Rausschmeißer in Form von "Das Leben wartet nicht". Auf die komplett zurückgefahrene Ballade wartet man wider Erwarten bis zum Schluss, so ganz ruhig wird es auf der "Sturmfahrt" scheinbar wirklich nie. Egal, denn mit "Herz auf" ist der Band noch ein zusätzlicher Emotionssong gelungen, der - trotz treibender Gitarren - unter die Haut geht.

Zum Schluss also nochmal die Frage: Alles roger beim EISBRECHER, oder? Kann man durchaus behaupten, ja. Natürlich erfinden sich die Jungs auf "Sturmfahrt" nicht neu und führen ihren Stil und ihre musikalische Ausrichtung konsequent fort. In Details wagt sich die Band schon an immer wieder neue Experimente heran, setzt eine Spur vermehrt auf Elektro-Spielereien und eingängige Keyboard-Leads, ansonsten bekommt der geneigte EISBRECHER-Fan aber, was er erwartet - und verdient: Mitreißenden Deutschrock mit Industrial-Kante und poppiger Grundausrichtung. Eine Frontstimme, die einen mitnimmt, und Texte, die einerseits zum Nachdenken und andererseits zum Schmunzeln anregen. Harte Schale, weicher Kern sozusagen. Das beschreibt die Outputs dieser Band wohl ohnehin am besten... "Sturmfahrt" ist zusammengefasst also wieder richtig stark geworden. Kein Meilenstein, aber eine lange Seemeile im Backkatalog der sympathischen Jungs. Mehr war nicht zu erwarten, mehr braucht es auch nicht. In diesem Sinne: Auf, auf zur "Sturmfahrt"!



Bewertung: 4.0 / 5.0
Autor: mat (11.08.2017)

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