KUUDES SILMÄ - Pelko

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VÖ: 22.09.2017
Bandinfo: KUUDES SILMÄ
Genre: Goth Rock
Label: Svart Records
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Lineup  |  Trackliste

Bands wie BAUHAUS, JOY DIVISION, THE CURE oder ALIEN SEX FIEND legten einen musikalischen Grundstein im Mosaik einer Szene, die sich heute großer Beliebtheit erfreut und sich darüber hinaus in verschiedene Untergruppen wie die Äste und Zweige eines Baumes ausdifferenziert hat. Umso schöner ist es, Bands zu entdecken, die eine Art Ad-Fontes-Bewegung initiieren. Und hier gehören KUUDES SILMÄ definitiv dazu. Was vokalisch wie eine Mischung aus Peter Murphy (BAUHAUS, PETER MURPHY), Robert Smith (THE CURE) und Ian Curtis (JOY DIVISION) klingt, stellt sich in eine Reihe mit diesen und weiteren großen Namen des Ur-Goth.

Gleich der Auftakt "Muistot palaa" öffnet eine Pforte in die Vergangenheit. Bilder eines verrauchten, nach Patchouli und Snakebite'n'Black riechenden Schuppens in London erwachsen vor dem inneren Auge. Menschen mit turmhohen Frisuren und Silberschmuck bewegen sich auf der Tanzfläche. Dieser erste Track des Albums passt stimmungsvoll in eine solche Situation. Er ist gefällig, klingt aber etwas zu sehr nach XMAL DEUTSCHLAND und ihrem Song „Orient“.

„Pelko“ (zu Deutsch „Angst“) ist da schon wesentlich eigenständiger. Man stelle sich einen Renfield bzw. einen Makler Knock vor, der auf seinen Meister hofft und sich von Insekten ernährt. Im Wahn träumt er vom Auftritt des Blutsaugers. „Pelko“ klingt, wie ein solcher Traum sich anfühlen mag.

Mit der Nummer drei „Sina ja mina“ geht das Düster-Albtraumhafte weiter und verwandelt sich in eine manische Karussellfahrt. Dabei kratzen dünne Fingernägel über eine alte Schultafel. Etwas zu quietschend, aber dennoch schön gruftig.

Bei „Aistiharhorja“ erwächst zuerst die Vermutung, NOSFERATU und ROSSETA STONE hätten zusammen eine große, neue Band gegründet. Diese wird allerdings rasch zerschlagen und offenbart sich als Halluzination (was schon im Titel anklingt). Die schlagzeugfreien Passagen wecken da doch eher den Wunsch, dieser Track möge länger dauern. Zu kurz für das, was er bietet.

„Sivustakatsojat“: eine tanzbare Nummer. Im Grunde eine besonders gruftige Ausgabe von „Paint it Black“ der ROLLING STONES. Macht definitiv Spaß.

Auch mit „Hiljasuus“ wird wieder ein Zeitreise-Ticket in die 1980er. Genauer gesagt in das Jahr 1988. THE SISTERS OF MERCY veröffentlichen „Lucretia my Reflection“. Der Bass von „Hiljasuus“ ist weist zwar gewisse Ähnlichkeiten auf, aber auch nur fast. Das ändert nur sehr wenig an der einprägsamen Atmosphäre dieses Titels.

Jetzt wird es rotzig, es wird schroff, fast schon punkig. Die Rede ist von „16 huhtikuuta“. Geiler Scheiß. Macht Freude und räumt mit dem Klischee des ewig depressiven Gruftis auf. Tempo, Kratzigkeit. Alles, was zu so einer Nummer dazugehört.

„Valmis sotimaan“ wird wieder ruhiger. Bass und Synthie sind hier besser zu hören, was dem Gesamten keinen Abbruch tut. Im Gegenteil, so klingt es mehr wie ein psychedelischer Trip, aus dem man am nächsten Morgen verkatert aufwacht.  

Die Nummer neun „Kuomela“ ist nicht wirklich ein besonders auffälliger Track, aber dennoch nicht weniger in sich stimmig. Und dennoch, er steht etwas hinter den vorherigen Tracks zurück. Insgesamt weniger Tempo, weniger Druck.

In der Abwärtsspirale des Tempos ist „Pois suljettu“ ein weiterer Schritt nach unten. Ganz nett, aber kein Knaller. Mehr Himbeere als Chili-Schote. Eher ein leichtes Hemd denn ein schwerer Brockat-Mantel.

Der letzte Titel „Viimeinen ilta“ klingt sehr nach „Wie meinen, schon das Fin(n)ish erreicht?“ [Anm. d. Red.: I know that feel, bro. Der Gedanke kommt mir beim Wort "Viimeinen" auch öfter, listiges Finnisch!] und lässt das Album langsam ausklingen. Geht ganz gut. Ein Song, der etwas das Tempo rausnimmt, welches sich an vielen Stellen der Vorgänger aufgebaut hat.

Fazit: Oldschool-Goth-Rock Fans kommen auf ihre Kosten, besonders wenn es um das Wachrufen von Erinnerung an Bands der ersten und zweiten Stunde geht. KUUDES SILMÄ haben einen würdigen Nachfolger des Alten geschaffen und dieses in das Heute transportiert. Diese Finnen können gute Musik.

 



Bewertung: 4.5 / 5.0
Autor: Thomas Trüter (03.11.2017)

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