THREAT SIGNAL - Disconnect

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VÖ: 10.11.2017
Bandinfo: THREAT SIGNAL
Genre: Melodic Death Metal
Label: Agonia Records
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Lineup  |  Trackliste  |  Credits

Wer Anfang des Jahres darauf gesetzt hätte, dass THREAT SIGNAL ausgerechnet 2017 ein neues Album veröffentlichen, der wäre erstens für komplett weltfremd erklärt worden und zweitens ein reicher Mann bzw. eine reiche Frau - wenn es denn ein spezielles Wettbüro für solche Angelegenheiten gäbe. Die Kanadier sind sechs Jahre nach ihrem guten Selftitled-Album tatsächlich (und relativ unerwartet) wieder auf der Bildfläche erschienen und haben mit der Singleauskopplung "Exit The Matrix" direkt ihr viertes Album, "Disconnect", angekündigt, das dieses Mal über Agonia Records und nicht mehr über Nuclear Blast erscheinen wird. Und nach einer größeren Zeitspanne zwischen zwei Werken stellt sich selbstverständlich u.A. die Frage, ob und wie stark man sich kompositorisch geändert/entwickelt hat.

Die Antwort darauf: So viel, dass man THREAT SIGNAL eine gesunde Weiterentwicklung attestieren kann und so wohldosiert, dass man das Quartett und sein künstlerisches Gesicht immer noch unschwer identifizieren kann. Die Zeiten, in denen man konzeptionslos einfach zehn oder elf Banger auf den Rohling pressen liess, scheinen mit "Disconnect" jedenfalls vorerst vorbei zu sein, da man nicht nur den ersten Longtrack der Karriere geschrieben hat ("Terminal Madness"), sondern in der knappen Stunde auch von einem erkennbaren, musikalischen roten Faden durch die Abgründe des digitalen Zeitalters geführt wird. Das erscheint anfangs noch etwas ungewöhnlich, zumal sich der Opener "Elimination Process" in seiner auf den Refrain hinarbeitenden Grundstruktur noch am wenigsten von früherem Material unterscheidet, aber schon in "Nostalgia" wird man mit stark gereiften, elaborierten Songwriting konfrontiert. Was zunächst als lupenreine MESHUGGAH-Huldigung beginnt, arbeitet wenig später mit verspielten Gitarren und abwechslungsreichem Gesang auf das fast schon epische Finale hin, das allein durch das sphärische Sampling, das überragende Solo und die gewohnt starken Cleanvocals eine leicht futuristisch angehauchte Filmscore-Note ausstrahlt. 

Und an dieser Stelle wurde das Pulver glücklicherweise noch nicht ansatzweise verschossen, denn bei "Disconnect" kann man THREAT SIGNAL zum ersten Mal in ihrer Karriere bescheinigen, dass sie ihr zweifelsfrei hohes Potenzial ansprechend kanalisiert haben. Man lotet die stilistischen Grenzen selbstbewusster aus, komponiert dadurch abwechslungsreicher ("Walking Alone" beispielsweise brilliert durch emotionale, halbballadeske Harmonien gepaart mit wuchtigen Riffs) und lässt so einen natürlichen Flow entstehen, der Experimente mit Akustikgitarren ("Betrayal"), urtypisches Single-Material ("Exit The Matrix" und "Falling Apart") und vielschichtige, zwischen Melodic Death, Thrash und Prog wandelnde Grower ("Aura" und "To Thine Own Self Be True") gleichschaltet. Dass "Dimensions" da qualitativ nicht ganz nachrücken kann, stört, wohl wissend, dass der bereits angeteaserte Longtrack noch seine Kreise ziehen wird, kaum, denn dieser konzentriert noch mal die besten Elemente von "Disconnect" auf zehn Minuten Spielzeit und ist damit das Musterbeispiel für die Weiterentwicklung von THREAT SIGNAL.

Dass man noch in derlei Ausmaßen überrascht wird, ist angesichts der Beschaffenheit der modernen Metalszene, die gerne mal stagniert und Trends bis zum Erbrechen ausquetscht, ein kleines Wunder für sich, aber man merkt THREAT SIGNAL eben auch an, dass sie, obschon sie als Band selbst noch nicht so alt sind, aus einer anderen Zeit entstammen, in der beispielsweise Melodien noch einen deutlich höheren Stellenwert genossen. Und genau das hört man den Kanadieren heute noch an, nur dass sie sich als Komponisten stark verbessert haben und ihr Talent auf "Disconnect" besser ausschöpfen, was gleichzeitig aber nicht implizieren soll, dass das Viertwerk altbacken daherkommt. Wir haben es hier vielmehr mit einer in die Neuzeit transliterierten Fassung von THREAT SIGNAL zu tun, die den musikalischen Anspruch und die eigene Identität von "früher" mit einer modernen Produktion, enorm viel Spielfreude, frischen Ideen und einem nochmals höheren technischen Niveau kombiniert. 



Bewertung: 4.0 / 5.0
Autor: Pascal Staub (09.11.2017)

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