BELL WITCH - Mirror Reaper

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VÖ: 20.10.2017
Bandinfo: BELL WITCH
Genre: Doom Metal
Label: Profound Lore Records
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Lineup  |  Trackliste  |  Credits

Ich würde mich prinzipiell als Coverartwork-Fetischisten betiteln, aber es gibt tatsächlich wenige Kunstwerke, die mich so magisch anziehen, wie es der epochale Spiegelschnitter von Mariusz Lewandowski, der den aktuellen Funeral-Doom-Abstecher von BELL WITCH ziert, tut. Gemeinsam mit der Tatsache, dass es sich hier nur um einen einzigen Song handelt, der mit einer Spielzeit von einer Stunde, 25 Minuten und 15 Sekunden gesegnet wurde (rezensiert wird allerdings die 2-CD-Version, in der das Werk in zwei Songs aufgeteilt ist), waren das wohl die ausschlaggebenden Gründe dafür, dass das amerikanische Duo mit "Mirror Reaper" sehr schnell in aller Munde war; aber auf dem Drittwerk geht es vor allem für Dylan Desmond um viel mehr als nur um die virale Ausbreitung des Wirkungskreises, schließlich schied erst vor zwei Jahren sein langjähriger Freund und Drummer der Band, Adrian Guerra, viel zu früh aus dem Leben - ein Ereignis, das es zu verarbeiten gilt.

Dafür wiederum eignet sich diese Subkultur des Doom Metal prächtig und es gab gerade in diesem Jahr - also abgesehen von HALLATAR und FROWNING - wenige ähnlich gelagerte Werke, die ihren klanglichen Raum von Beginn weg so tieftraurig angestrichen haben, wie BELL WITCH das auf "Mirror Reaper" umsetzen. Das schleppende Schlagzeug mit seinen wuchtigen Cymbals und das simple, aber äußerst effektive, melodisch-düstere Bassmotiv (auf Gitarren wird gänzlich verzichtet), die den Einstieg maßgeblich prägen, beschwören umgehend die beklemmende, manchmal gar erdrückend finstere Atmosphäre, auf der sich nach und nach verschiedene Gesangsvariationen zwischen ätherisch clean und klaftertief harsch sowie schneidende, dröhnende Riffmauern zu einem Verlies aufbauen, das einen wortwörtlich begräbt und nicht mehr aus seinen Fängen entlässt.

Ein Längenproblem ist dabei, obgleich "Mirror Reaper" kein sprudelndes Erlebnisbad der verschiedensten Attraktionen ist, kein Thema, mit dem man sich mühsam auseinandersetzen muss. Die echten Emotionen, die aus jeder einzelnen Note hallen, tragen diese Last alleine auf ihren brüchigen Schultern und die Sphären, in die man dabei abtaucht, sind vielschichtiger, als man zunächst vermutlich denken mag. Bemerkenswert ist diesbezüglich, dass BELL WITCH sowohl den engen, bestenfalls schummrig erleuchteten Korridor als auch den weitläufigen Raum mit ihren tonnenschweren Leiden befrachten und gerne auch abrupt dazwischen wechseln, was das beängstigende Gefühl eines ausweglosen Labyrinths zur Folge hat, das jede aufkeimende Hoffnung immer wieder zerbröckeln lässt. Bekräftigt wird diese immense Sogwirkung durch einen meterhohen Soundmassiv, dessen furchterregende Höhen jeglichen Überwindungsgedanken gewissenlos zerschmettern und den Hörer damit an dieses Werk binden.

So ist "Mirror Reaper" alles andere als easy listening und erst recht kein Album, welches man ohne jegliche Gefühlsregung in Dauerschleife rotieren lassen wird. BELL WITCH schürfen tief und haben damit definitiv ein beeindruckendes Funeral-Doom-Zeitzeugnis geschaffen, das oberflächlich betrachtet sicherlich kaum neue Akzente setzen kann, gleichwohl aber auch nicht nur wegen seiner Spielzeit und dem Artwork in Erinnerung bleiben wird, weil es im Verborgenen mit ungeahnt schmerzerfüllter Stimmung, pulsierenden wie kolossalen Soundwänden und lähmender Vehemenz seine eigenen Maßstäbe in diesem Subgenre platziert. Wenn man von der perfekten musikalischen Untermalung für eisige November- und Dezembertage im mit Kerzenlicht getränkten Kämmerlein spricht, dann wird zukünftig kein Weg an "Mirror Reaper" vorbeiführen - vorausgesetzt natürlich, man möchte sich auf dieses manchmal beängstigend intensive Erlebnis einlassen. 



Bewertung: 4.5 / 5.0
Autor: Pascal Staub (16.11.2017)

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