THE NATIVE HOWL - Thrash Grass

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VÖ: 11.03.2016
Bandinfo: THE NATIVE HOWL
Genre: (stilübergreifend)
Label: Clean As Dirt Records
Hören & Kaufen: Amazon
Lineup  |  Trackliste

Es kommt immer wieder vor, dass man, nicht selten komplett zufällig, über Dinge stolpert, die es sofort schaffen, einen zu fesseln und sich selbst fragen zu lassen: "Warum bitte ist nicht schon vorher jemand auf diesen geilen Sch*iß gekommen und WARUM hab ich genannten Sch*iß nicht schon viel früher entdeckt?!" [Anm. d. Lekt.: Wir sind ein Metal-Magazin, das bräuchten wir jetzt eigentlich nicht zensieren...] Etwa so ging es mir vor einigen Wochen, als ich, relativ nichtsahnend, während der üblichen Internetroutine durch einen Feed scrollte und auf etwas stolperte, das sich "Thrash Grass" schimpfte. Die anfängliche Verdutzung schlug innerhalb weniger Sekunden in brennende Neugier um, der Link war geklickt, der Name THE NATIVE HOWL erschien im geladenen Artikel. Gleich mal anhören, was das sein soll und vor Allem, wie bitte eine Kombination aus Thrash Metal und Bluegrass funktionieren soll (ich mein...muss ich jetzt echt erklären warum ich so dachte?). Dann, nach einer kurzen Ladezeit, dröhnte plötzlich etwas durch meine Ohren, das alles hielt, was es versprach: Es war schnell, es war fetzig, es war...überraschend ländlich und erinnerte an die guten, alten Lucky Luke Zeiten aus der Kindheit. Klare Sache, da wurde ein kleiner Schatz gefunden!

Aber wer waren diese seltsamen, bärtigen jungen Männer, die mit der Energie einer ganzen Büffelherde und doch der Präzision eines Cherokee-Pfeils in die Seiten ihrer Banjos hauen konnten und wie entstand eine derartige Band? In aller Kürze: Lokale Freundschaften, ganz klassisch, so wie in den guten alten Zeiten. Der mehr als prägnante Stil, der die Jungs aus Michigan nun zu einem kleinen Internetphänomen machte, entwickelte sich allerdings erst nach und nach, vorher orientierte sich die (damals noch als Duo bestehende Band) eher an herkömmlicherer Country Musik. Erst mit der Adaption von Drums und Bass wurden die Gitarren allmählich schneller, ungezügelter und allgemein wilder, das aber, ohne diesen ganz eigenen Touch eines nicht-mehr-ganz-so-dichten Banjo spielenden Minenarbeiters, dem sein sagenunwobener Apachenschatz von den rosa Pinguinen 20 Meilen östlich des Missisippi gestohlen wurde, zu verlieren. Ihr versteht aber wohl nicht so ganz was ich meine, oder? Naja, um es mal anders zu erklären...

Die kleine, aber feine EP mit dem wenig überraschenden Namen "Thrash Grass" fackelt nicht lange: Der erste Song auf der Scheibe "Thunderhead" fasst so ziemlich alles zusammen, was man über einen Großteil der Spielzeit erwarten sollte! Aberwitziges Spieltempo? Check! Eine zweistimmige Gitarren/Banjo Untermalung? Check! Ein wahnsinnig geiles Westerngitarren-Intro das nicht wenig an das Intro von "Master Exploder" erinnert? Doppel-Check! Ernsthaft, wollte ich jemals bei einem Rodeo mitmachen, dann wäre das der Soundtrack dazu! Abgerundet wird die ganze Mischung dann noch mit einem, ebenfalls aberwitzig schnellen, Banjosolo, das einem regelrecht das Hirn mit der Energie eines 45er Colts aus der Rübe ballert! Dann noch ein nettes kleines Donnergrollen dazugemischt und einem Internetphänomen steht nichts mehr im Wege. Mit "Doomed From the Start" und dem vergleichweise ruhigen Outro von "Hurricane" beweisen die Four Horsemen des Great Lake State jedoch schnell, dass sie auch anders können.

So bietet "Doomed From the Start" beispielsweise eine ganz klassische Erfahrung in Sachen gemütlicher Abend im Saloon mit einer oder zwei Runden "Texas Hold'em", bei der man über sein mehr oder weniger aussichtsloses Leben in der Trostlosigkeit sinniert. Nicht nur die deutlich melancholischere Stimmung trägt hier bemerkenswert gut zur Immersion bei, bis auf eine kleine Ausnahme wird hier auch fast das gesamte Tempo aus der Musik genommen. Hier zeigt sich erst, wie gut die agierenden Musiker tatsächlich auf ihren Instrumenten agieren können und fähig sind, den Hörer wieder in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts zu katapultieren. Als Schmankerl zwischendurch kann man auf der EP mit "Follow Me" auch einen Blick zurück auf die Vergangenheit der Band in neuem, thrashigerem Gewand werfen, bevor THE NATIVE HOWL nach einem kleinen Interludium für den Hörer mit "Hurricane" noch einmal ihre sämtlichen aufgezeigten Qualitäten in einen Topf schmeißen und daraus ein kostliches, bitter-süßes TexMex Special zubereiten, das mit der doch sehr emotionalen Line "You find god in the laugh of a friend" endet. Hach, Freundschaft ist doch alles was zählt, nicht?

Wenn wir schon dabei sind, die Lyrics der Band stehen während der gesamten Laufzeit auf dem schmalen Grad zwischen "Ach, das haben wir doch alles schonmal gehört" und "Ach, schön, dass es noch Leute gibt, die sowas schreiben". Die meiste Zeit erzählen die Lieder in bester Cowboy-Manier von abenteuerlichen Geschichten aus dem Wilden Westen, hier noch am ehesten herauszuheben wäre wohl die Geschichte über die Reiter der Apokalypse im Cowboygewand, die man auf "Thunderhead" zu hören bekommt. Hier kann man aber tatsächlich ein Hühnerauge zudrücken, denn, und das kann man hier wirklich ohne schlechtes Gewissen sagen: Der Zweck heiligt die Mittel, und der Zweck ist hier schlichtweg eine packende Atmosphäre. Damit kommt man zwar nicht an das letzte Album von ORDEN OGAN heran, das muss aber in diesem Fall garnicht sein, denn wenn die zwei Vocalisten der Band eins können, dann ist es, die Geschichten der Songs stimmungsvoll an den Hörer zu bringen. Zugegeben, man darf hier keine gesanglichen Raffinessen eines Freddie Mercury erwarten, die Zweistimmigkeit und Harmonie aus tiefem Gröhlen und dem klassische, hohen Gesang, der im Bluegrass verwendet wird, hat aber trotzdem einen nicht zu unterschätzenden Charme.

Um das Fazit hier einmal recht kurz zu halten: "Thrash Grass" hält alles, was es verspricht und gibt noch einen obendrauf! Allein die Idee würde schon fast nach einer Höchstwertung verlangen, jedoch ist auch die Umsetzung famos gelungen und weist mit Ausnahme der etwas stiefmütterlich behandelten Texte fast keine Fehler auf! Selten so eine Freude mit einer EP gehabt, YIIIHAAA!!!

 



Bewertung: 5.0 / 5.0
Autor: Daniel Csencsics (18.03.2018)

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