BULLET FOR MY VALENTINE - Gravity

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VÖ: 29.06.2018
Bandinfo: BULLET FOR MY VALENTINE
Genre: Metal
Label: Spinefarm Records
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Lineup  |  Trackliste

Nachdem vor drei Jahren "Venom" erschien, hat sich meine Meinung zu BULLET FOR MY VALENTINE nach zuvor bestenfalls durchschnittlichen Werken stark gewandelt: Die Waliser, die 2005 mit "The Poison" einen echten Überraschungserfolg hingelegt haben und in den Monaten darauf reich mit überschwänglich lobenden Worten bedacht wurden, waren erwachsen geworden und schienen endlich gelernt zu haben, dass ihnen weder der Fokus auf Massentauglichkeit ("Fever") noch die rockigen Experimente ("Temper Temper") nichts bringen würden, wenn sie dafür ihren besonderen Sinn für eingängigen und eigenständigen modernen Metal unterdrücken würden - eine Lektion, die sie wahrscheinlich auch deswegen lernen mussten, weil schon sehr früh in der Karriere von allen Seiten hohe Anforderungen gestellt wurden und man sich nicht einengen lassen wollte. Der positive Aspekt daran: Man konnte den Hype etwas ausbremsen, ist dadurch eher natürlich gewachsen und gehört heute dennoch zu den bekanntesten Vertretern des Metalcore.

Genauso wie meine Meinung, hat sich nach "Venom" aber auch meine persönliche Ausgangslage bzgl. der Band geändert: aus der äußerst geringen bzw. nichtexistenten Erwartungshaltung erwuchs dieses Mal der Anspruch, dass "Gravity" zumindest mit seinem Vorgänger mithalten können sollte. Und als Matt Tuck bereits angekündigt hat, dass man sich nicht wiederholen und neue Elemente ausprobieren wolle, hatte ich ein ziemlich gutes Gefühl, weil ich der Meinung war, dass BFMV Stand 2017/2018 künstlerisch reif genug sein sollten, um ihren Markenzeichen-Sound mit frischen Ideen kombinieren zu können. Enttäuscht wurde ich diesbezüglich nicht.

Nach den ersten Durchgängen hatte ich aber noch ein seltsames, bruchstückhaftes Bild, weil ich einerseits sechs bewusste Hördurchgänge am Stück absolviert habe, was grundsätzlich ein gutes Zeichen sein sollte, von den elf Songs aber andererseits nur "Under Again" hängenbleiben wollte - und das auch eher aus dem zweifelhaften Grund, dass die Gesangsharmonien hier extrem stark an BRING ME THE HORIZONs "Doomed" erinnern. Dann haben sich die Höhepunkte aber doch zügig herauskristallisiert und zeichnen ein Gesamtbild, welches - trotz einiger Anpassungen - dem des Vorgängers in nichts nachsteht. Faktisch gibt es wohl weit weniger Shouts zu hören (sporadisch in "Don't Need You", "Over It" und "Piece Of Me"), was theoretisch gesehen natürlich schade ist, weil er seit seinem Einstieg ordentlich Schwung reingebracht hat, gefühlt aber gar nicht so dramatisch schlimm ausfällt, wie man es vermuten würde, weil die ausschließlich modern komponierten Songs (Oldschool Thrash Metal-Anleihen wie auf "Venom" oder "Scream Aim Fire" gibt es praktisch nicht mehr) trotz ihres hohen Hitcharakters nicht zu weichgespült bzw. so erzwungen charttauglich wie "Fever" klingen und sehr gut "fliessen". Egal ob der treibend-dynamische Opener "Leap Of Faith", der mit nahezu allen Trademarks von 0 auf 100 startet, oder die elektronisch erweiterten "Letting You Go" und - mein persönlicher Favorit - "Not Dead Yet" - BULLET FOR MY VALENTINE sind weiterhin großartige Songwriter mit gefestigtem künstlerischen Ego und einer eigenen Handschrift. Das beste Exempel dafür: die abschließende Akustik-Ballade "Breathe Underwater", die vor vielen Jahren wahrscheinlich noch deutlich süßlicher ausgefallen wäre, in diesem Zustand und - vor allem - als Abschluss bestens taugt.

Ein paar kleinere kreative Expeditionen (weniger Shouts, Einsatz von Electronica) unternehmen die Waliser also schon, aber im Endeffekt erkennt man sie eigentlich sofort wieder, was definitiv als Lob zu verstehen ist, weil das im Metalcore - (nicht nur) an aktuellen Maßstäben gemessen - schon selten genug geworden ist. Während im restlichen Genre bis auf wenige Ausnahmen aktuell das Nu Metal-Revival und der "progressive" Metalcore gefragt sind, bleiben sich BULLET FOR MY VALENTINE also treu, experimentieren aber im Rahmen ihrer Möglichkeiten und präsentieren mit "Gravity" ein abermals sehr eingängiges Album mit kleineren Schwachpunkten (die anderen Ballade "The Very Last Time" ist beispielsweise nicht mein Fall), das die aufsteigende Formkurve unterstreichen kann und auch live wieder enorm viel Spaß machen wird. Auf diesem Gebiet konnten Matt Tuck und Co. ja sowieso extrem zulegen, weswegen ein Besuch auf der kommenden Tour an dieser Stelle wärmstens empfohlen sei.

Weitere Meinungen zu BULLET FOR MY VALENTINEs "Gravity" findet ihr ab 27. Juni in unserem redaktionsinternen Gangbang-Beitrag!



Bewertung: 3.5 / 5.0
Autor: Pascal Staub (26.06.2018)

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