ENTERING POLARIS - Godseed

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VÖ: 07.06.2018
Bandinfo: ENTERING POLARIS
Genre: Progressive Power Metal
Label: Freya Records
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Lineup  |  Trackliste

Die Supergroup. Ein Phänomen, das sich mittlerweile durch sämtliche Reihen großartiger bis mittelschlechter Musiker zieht und in so gehäuftem Ausmaß auftritt, dass nicht selten ein dezentes Augenrollen die einzige erste Reaktion sein kann. Schlussendlich überwiegt die Neugierde dann trotzdem, immerhin geht die Sammlung partizierender Musiker oftmals in den eigenen Interessensbereich und das kann doch eigentlich nicht schlecht sein. Nicht zuletzt, weil sich die Musiker selbst nicht selten einbringen, ihren eigenen, uniquen Style mitbringen und ins Gesamtkonzept verbasteln, irgendwie so klingen wie bekannt, aber dann doch anders und... Naja, etwas Großes aus dem Boden zu stampfen, wenn man einen geballten Haufen Egos - immerhin wird ja schon versucht, mit Namen und Größen zu locken - in einen Raum im Keller steckt, ist immerhin schon einmal eine Herausforderung. Glücklicherweise ist es auch meistens nicht ganz so schwer, am selben Strang zu ziehen. Aber wenn man sich in den Strang eher einwickelt, denn die klare Linie zu finden, könnte es schwierig werden. Nicht zuletzt, weil mittlerweile schon die ein oder andere großartige Supergroup Fuß gefasst, sich etabliert und die Latte in extreme Höhen gelegt hat - vor allem im melodischen Bereich. 

Nun kommen wir zu ENTERING POLARIS. Man nehme zwei Handvoll namhafte und erfolgreiche Vokalisten, ein Konzept mit Rollenverteilung, eine Götterwelt-Story und eine Vision. Visioniert hat hier Tom Tas und wohl ein klares Bild zwischen Göttern, Stimmgewalt und Progressivität vor Augen. Also rekrutiert er Namen wie Björn Strid (SOILWORK), Thomas Vikström (THERION), Georg Neuhauser (SERENITY) und Fabio Lione (RHAPSODY), um nur einige zu nennen. Er steckt ihnen verschiedene Rollen zu und konzipiert ein melodisch-progressives Gewand rundherum. Das klingt eigentlich durchaus appetitanregend - wäre da nicht die Umsetzung, die nicht so recht gelingen, nicht so recht packen will. 
Nein, eigentlich ist es sogar noch viel schlimmer. Schon der erste Song bringt das Gefühl mit sich, dass hier versucht wird, mit Gewalt eine progressive, schwierige Linie zu fahren, die Sänger zu fordern und ihr Können zu beweisen (was diese Stimmen übrigens alle nicht mehr nötig haben) und instrumental auf eigenwillig zu machen, ohne dabei einer vorhersehbaren Anordnung zu folgen. Ergebnis davon ist allerdings, dass innerhalb der ersten drei Songs einfach nichts kleben bleibt, kein Hook, kein Refrain, an den man sich erinnern könnte. Lediglich das Gefühl bleibt, dass die Melodien irgendwie verschoben, irgendwie immer knapp neben der Spur liegen. Unausweichlich mag durch Besetzung und Thematik vielleicht eine gewisse Stückelung wirken, doch auch hier wurde nicht passend zusammengeführt, was zusammengehört. Einige, gerade die längeren Songs, wirken sehr auseinandergerissen, Teil auf Teil aneinandergestöpselt, ohne fließende Überleitung, teilweise geradezu ohne Zusammenhang. Nicht ungewöhnlich, wenn Power-Speed-Teil auf getragenen Part auf akustisch beruhigten Teil folgt. Doch hier wird teils nach jeder Passage, nach jedem Refrain und nach Sängerwechseln komplett gedreht und gewendet, einem Kreisverkehr ähnlich, den man aber eckig zu umfahren gedenkt. [Anm. d. Lekt.: Vormachen! Sofort!]

Es bleibt hier kein Zweifel daran, dass sowohl Musiker als auch Sänger im einzelnen qualitativ hochwertig agieren können. Leider funktionieren auf "Godseed" leider die Kompositionen als Ganzes nicht. Zu wenig straighte Linien, um akustisch etwas greifbar zu haben, die Melodielinien wirken zugunsten einer vermeintlich progressiv-komplizierten Machart verschoben, unausgegoren und zwanghaft verdreht, vielleicht um sich von gängigen, vorhersehbaren Melodielinien abzugrenzen (oder aber es ist nur mein mangelndes progressives Ohr, das die Schönheit nicht erkennt?) und zu wenig Miteinander, stattdessen ein Zusammenklöppeln von Einzelteilen, die den musikalische Handlungsbogen vermissen lassen. Entweder wurde hier eine gut gemeinte Vision einfach zu hastig, zu überhastet oder mit Gewalt umgesetzt. Oder aber ENTERING POLARIS sind ebenfalls in die Falle vieler Vorgänger gegangen, sich im Sound in eine gewünschte Richtung zu drehen, ohne passende Expertise und Feingefühl. Dass man dies Musikern nicht gerne vorwerfen möchte, sei hierbei aber gleich nachgeworfen. Schade, aber "Godseed" funktioniert leider nur mäßig: Trotz hochkarätiger Musiker und guter Einzelleistung. Die Fußstapfen, in die Tom Ree treten wollte, waren wohl zu groß. 



Bewertung: 2.5 / 5.0
Autor: Lisi Ruetz (28.08.2018)

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