DARKNESS - First Class Violence

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VÖ: 12.10.2018
Bandinfo: DARKNESS
Genre: Thrash Metal
Label: Massacre Records
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Lineup  |  Trackliste

1984 in Essen gegründet, veröffentlichten DARKNESS 1987 ihr erstes Studioalbum „Death Squad“ – bis heute ein Klassiker des deutschen Thrash Metal. Nach zwei weiteren Alben in den beiden folgenden Jahren („Defenders Of Justice“ und „Conclusion And Revival“) löste sich die Band auf. 2004 taten sich Schlagzeuger Lacky und Gitarrist Arnd wieder zusammen und schlugen unter dem Namen EURE ERBEN zunächst noch eine andere Richtung ein. Doch was man im Blut hat, kann man auf Dauer einfach nicht verleugnen, und so wurden DARKNESS im Jahre 2013 wieder ins Leben gerufen. 2015 fand die jetzige Besetzung zusammen, die neben Arnd und Lacky aus Sänger Lee Weinberg (YUPPIE-CLUB), Gitarrist Meik Heitkamp (TRAPPED INSANITY) und Bassist Dirk Hamiliton (POWERBALL) besteht. Das Album „The Gasoline Solution“ wurde 2016 veröffentlicht, ein Jahr, das insgesamt sehr viele gute Thrash Alben zu bieten hatte, was vielleicht mit dazu führte, dass dieses ausgezeichnete Comeback etwas übersehen wurde. Die Messlatte für den Nachfolger hatte man sich damit schon sehr hoch gehängt.

„First Class Violence“ ist der Titel des neuen Albums. Warum der Titel? Hier der Pressetext dazu: „Als DARKNESS vor vielen Jahren angefangen haben, Thrash zu spielen, war das zu einer Zeit, in der man sich, wenn man Gewalt beging, oftmals noch die Hände schmutzig machen musste. Heute ist das viel einfacher. Gewalt ohne direkte Berührung mit dem Opfer. Wenn jemand eine Meinung nicht teilt, schickt man einfach eine Drohne vorbei und geht danach nett Abendessen. Gewalt ganz ohne die lästigen Nebeneffekte. "Erstklassige Gewalt" halt!"

Beim ersten Blick auf das Coverartwork (von Timon Kokott), sticht zunächst die recht plump geratene Figur ins Auge, die nicht so wirklich überzeugt. Die Cover der Alben (mit Ausnahme von „Conclusion And Revival“) erzählen zwar eine zusammenhängende Geschichte, sind aber stilistisch sehr unterschiedlich geraten, vom recht einzigartigen, zombifizierten Bandporträt auf „Death Squad“ mit seinen dynamischen Schraffuren, über das weniger grafische und recht skizzenhafte „Defenders Of Justice“ zu dem recht sauber ausgeführten „The Gasoline Solution“ - dessen Zombie, genau wie der auf „First Class Violence“ (auch wenn dieser wieder ganz anders aussieht) die ursprüngliche Originalität verloren hat und stattdessen mehr nach den generischen „Metal-Zombies“ aussieht. Immerhin stimmt das Auto auf „First Class Violence“ wieder. Die Farbpalette erinnert sehr an „Defenders Of Justice“ und wie Lacky bei der Listening Session verriet, beinhaltet das Cover einige recht nette Details, etwa den Umriss von Altenessen als Sternenbild und es soll sich auch ein bewusster Fehler bzw. etwas, das unlogisch ist, im Bild befinden.

Das Intro, „Prelude In E“, mag zunächst noch unbemerkenswert erscheinen, aber dazu später noch mal. Es geht direkt in den Opener des Albums weiter. „Low Velocity Blood Spatter“ ist ein echter Killersong, der sehr schnell zum Ohrwurm wird, den man so leicht nicht mehr aus dem Kopf bekommt. Die Lyrics des Songs sind geradezu brillant und wer kennt es nicht, das „erzwungene Wechselspiel zwischen Rolle und Identität“. So viel man auch davon spricht, man selbst zu sein, so sehr spielen wir verschiedene Rollen. Bei der Listening Session gab es Erläuterungen zu den Songs. Zu „Low Velocity Blood Spatter“ heißt es unter anderem:
„Jeder Mensch hat eine Identität, ist aber durch gesellschaftliche Normen meistens gezwungen, eine oder mehrere Rollen auszufüllen, die mit der eigentlichen Identität oft gar nichts zu tun haben. Die Gesellschaft ist in aller Regel aber zu dumm für Vielschichtigkeit.“

Den letzten Satz kann man nur unterstreichen, auch wenn man sich den nächsten Song „Neoprimitive“ ansieht, in dem es um Politische Korrektheit geht. „Sincere and rude“ mag zwar deshalb nicht so gut ankommen, aber Dinge nicht beim Namen zu nennen ist auch keine Lösung. „Man schafft ein Problem aber nicht aus der Welt, indem man ihm einen putzigen Namen gibt.“
DARKNESS bleiben sich selbst treu mit ihren hier vor allem gesellschaftskritischen Texten. Haupttexter Arnd zu „Hate Is My Engine“: „Obwohl die Nummer schon etwas älter ist, stellt sie irgendwie die Essenz meiner Texte auf dem neuen Album dar: es geht um negative Dinge wie Enttäuschung, Lüge, Denk- und Redeverbot, Gewalt oder sich zwingend verstellen zu müssen, um zu überleben. Alles in allem Dinge, die mich sauer machen und antreiben. Aber ich haue nun mal keinem auf die Fresse, sondern haue euch die Songs um die Ohren.“

Auch Donald Trump bleibt nicht unbedacht, wobei es im von Lee verfassten Text zu „The Autocrazy (Autocracy) Club“ nicht bloß um Trump geht, sondern allgemeiner um den schleichenden Einzug von Autokratie in westlichen Ländern. Aber „First Class Violence“ ist kein Bob Dylan-Album [...ja, zum Glück! Anm.v.Mike], das nur anspruchsvolle Texte zu bieten hat und dessen Musik bestenfalls ganz in Ordnung ist. Es gibt hier durchaus Songs, deren Lyrics einfach nur geradeaus und brutal sind („See You On The Bodyfarm“, „First Class Violence“). Vor allem musikalisch ist das Album astreiner Thrash ohne antiquiert zu klingen. Man kann es also auch genießen ohne die Lyrics zu beachten oder zu verstehen. Einfach Musik an, ausschalten oder die Sau raus lassen, moshen, mitgrölen, ganz wie man möchte.

Die Rhythmussektion ist fett und nicht so monoton wie man es heute leider öfter hört. Die Gitarrenarbeit ist ausgezeichnet. Großartige, eingängige Riffs und Soli, das ganze Album hindurch. Zu sagen, dass Arnd als Gitarrist unterschätzt wird, ist in diesem Fall keine Übertreibung oder leere Floskel. Mit Meik hat man sich einen Gitarristen an Bord geholt, der da mithalten kann und die beiden ergänzen sich in ihrem Spiel auch großartig. Favoriten herauszupicken ist gar nicht so einfach. So reißt etwa „See You On The Bodyfarm“ von den ersten Takten an mit und fesselt den Höher mit interessantem und abwechslungsreichem Arrangement. Die zweistimmigen Gitarren in „Born Dead“, die Soli in „The Autocrazy (Autocracy) Club“ oder „First Class Violence“, da wird jeder für sich so einige Highlight entdecken.

Das Video zum Titelsong knüpft übrigens an "Tinkerbell Must Die" vom Vorgängeralbum "The Gasoline Solution" an.



Hervorheben muss man den Song „Zeutan“. Dieser ist dem Sänger der ersten beiden Alben - Olli - gewidmet, der vor 20 Jahren verstorben ist. Zeutan war dessen Pseudonym auf den Demos. Gastvocals werden von SODOMs Tom Angelripper und KREATORs Jürgen „Ventor“ Reil (der sich auf den ersten KREATOR-Veröffentlichungen noch die Vocals mit Mille Petrozza geteilt hatte) beigesteuert, die es sich nicht nehmen ließen, ihrem ehemaligen Weggefährten Tribut zu zollen. Der Text stammt von Bassist Dirk, dessen Geschichte mit der Band auch schon etwas länger zurückgeht. Sänger Lee hat ebenfalls eine Verbindung zu Ollis Zeiten, war er damals doch schon DARKNESS-Fan und besitzt ein Foto eines Gigs aus dieser Zeit, auf dem er und Olli zu sehen sind. So schließen sich Kreise. Die Bridge stammt übrigens aus „Faded Pictures“, dem Song, der live immer Olli gewidmet wird.

„I Betray“ schließt das Album ab und ist ein weiterer Kracher mit einer Thematik, mit der sich jeder identifizieren kann. Der Song endet mit etherischem Gesang (Emma Fieber) á la ELOYs „Horizons“. Die zarten Klänge klingen bereits vertraut, gehört hat man sie schon zu Beginn des Albums. So ist „First Class Violence“ eine perfekt abgerundete Sache, die Lust macht es gleich wieder zu hören.

Insgesamt ist das Album sehr eingängig und melodisch, ohne jedoch an Härte einzusparen. Füller sucht man vergebens, musikalisch wie textlich befinden sich auf „First Class Violence“ nur sehr ausgereifte und ansprechende Songs, sodass man nie das Verlangen hat einen davon zu überspringen. Die Produktion (Cornelius Rambadt) klingt etwas glatter als „The Gasoline Solution“, aber zum Glück nicht zu glatt.

Soweit ist „First Class Violence“ auf jeden Fall das beste Thrash Metal-Album des Jahres. Was DARKNESS hier abgeliefert haben ist nicht dritt- oder zweit-, sondern erstklassig!



Bewertung: 4.5 / 5.0
Autor: Brigitte Simon (14.10.2018)

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