HAKEN - Vector

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VÖ: 26.10.2018
Bandinfo: HAKEN
Genre: Progressive Rock
Label: Inside Out Music
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Lineup  |  Trackliste

So schnell kann es gehen: gerade wurden wir noch von einem Live-Album von HAKEN verwöhnt, auf dem die Jungs ihre momentane Ausnahmestellung im Prog zur Schau stellen, und schon gibt es mit „Vector“ das nächste Studioalbum zu feiern (das dritte Album in der gleichen Besetzung, nach der Hinzunahme von Bassist Conner Green 2014). Live sind HAKEN ja immer eine Bank gewesen (siehe auch: das glorreiche Konzert in der Szene Wien 2017), und man durfte gespannt sein, wie sich die starken Touring-Aktivitäten auf die Musik der Band auswirken. Und auch sonst waren die Jungs ja recht umtriebig: für Drum-Tausendsassa Mike Portnoys SHATTERED FORTRESS-Projekt wurden Tracks aufgenommen, und man war zum Teil sogar gemeinsam auf Tour.

„Vector“ startet jedenfalls noch recht gemächlich, „Clear“ ist ein kurzes Intro mit bedeutungsschwangerem Orgel-Sound, es kommt fast eine kirchliche Stimmung auf. „The Good Doctor“ hat dann rein gar nichts mit Religion zu tun, sondern ist ein beschwingter HAKEN-Hit, der leichte Erinnerungen an das letzte Album „Affinity“ hochkommen lässt, vor allem mit seinem 80er Jahre-Synthesizer-Intro, In typischer Manier werden dann funkige Bass-Riffs mit abgefahrenen Gitarrenparts, Keyboard-Flächen und einem wunderbaren Refrain kombiniert. Sänger Ross Jennings brilliert in diesem Song, der im Gegensatz zur beschwingten Musik mit seinen düsteren Lyrics über Psychiatrie-Patienten, krasse Ärzte und extreme Elektroschocktherapien ein bisschen „Einer flog über das Kuckucksnest“ heraufbeschwört (Kids, bitte den Film googeln).

Mit „Puzzle Box“ kommt gleich der nächste Kracher; zwar ist der Anfang noch ziemlich straight, das artet aber bald in aberwitzig instrumentierte, hektische Instrumentalparts mit Electro-Gefiepe aus. Am Ende des Tracks gibt es den emotionalen Höhepunkt der Scheibe zu hören, wenn die genialen mehrstimmigen Harmonien ausgepackt werden und der Text Gänsehaut erzeugt („How can truth set us free / when lies are all we have / and how can time heal us / when our time is running out“). Waren die Nummern bis jetzt noch für Prog-Verhältnisse kurz, kommt dann „Veil“ mit seinen mehr als zwölf Minuten als das Album-Epos daher. Da packen HAKEN alles aus, was sie so können, von epischen Filmmusik-Keyboards über sehr knackige Riffs, von einem kurz angerissenen Jazz-Part zu mehrmaligen Variationen über ein Thema. Der Refrain ist sehr eingängig, gefühlt fast schon zu eingängig, was gerade nach mehrmaligem Hören die Freude etwas trübt.

Und „Nil By Mouth“ kann dann auch nicht begeistern, das Instrumental ist zwar teilweise sehr spannend und abwechslungsreich, mit grummeligen Techno-Synths und schönen Gitarren-Leads. Allein, warum ein Instrumental bei HAKEN nötig ist, die ja auch bei allen anderen Songs nicht wirklich mit instrumentalem Irrwitz geizen, erschließt sich mir nicht so ganz. „Host“ ist der obligatorische schwermütige Track, der immer wieder an „Red Giant“ vom Vorgängeralbum erinnert, aber nie die gleiche Tiefe erreicht. Versöhnlich endet das Album aber dann mit „A Cell Divides“ (spannende Nummern über Zellteilung schaffen nicht viele Bands!), wieder kommen krachende Gitarrenriffs aufs Beste mit einem herrlichen Refrain, perfekt zum Mitsingen, zusammen.

Insgesamt ist „Vector“ sehr riff-basiert, die Basis für die meisten Songs sind fette Grooves, und der Sound ist gefühlt nochmal ein Stückchen fetter und moderner geworden. Stilistisch haben sich HAKEN also ein bisschen von dem stark 80er Jahre-lastigen „Affinity“ weiter (oder zurück?) entwickelt, mehr Richtung Metal (womöglich war der gute Herr Portnoy und seine DREAM THEATER-Vergangenheit hier auch ein Einfluß?). Dazu passt auch der Verzicht auf die eigentlich wunderbaren mehrstimmigen Gesangs-Parts (bis auf ein paar Refrains), wie sie zum Beispiel noch beim „Cockroach King“ praktiziert wurden.

Damit sind HAKEN wohl noch ein Bisschen massenkompatibler geworden, ein bisschen bleibt jedoch der Nachgeschmack, dass der Sechser hier auch ein Stückchen seiner Identität preisgegeben hat. Und so bleibt „Vector“ zwar etwas hinter „Affinity“ oder „The Mountain“ zurück, aber allein wegen der drei Super-Nummern auf dem Album lohnt sich der Kauf.



Bewertung: 3.5 / 5.0
Autor: Luka (25.10.2018)

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