BRING ME THE HORIZON - amo

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VÖ: 25.01.2019
Bandinfo: BRING ME THE HORIZON
Genre: Pop
Label: RCA INt
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Lineup  |  Trackliste

Auch melodische Traditions-Rocker wollen einmal Böses hören. So war der ursprüngliche Plan, als es um die Besprechung der neuen CD von BRING ME THE HORIZON ging. Ein wenig mit der Bandhistory vertraut gemacht und mit zittrigen Händen um die Review beworben und zuvor Auszüge der Alben "Sempiternal" und "There Is A Hell Believe Me E've Seen It. There Is A Heaven Lets Keep It A Secret" reingehört. Da ging es schon durchaus heftig zur Sache. Oft wurde gegrowlt, was der rauhe Hals hergab, und sich über die Probleme der Welt ausgekotzt. Leider habe ich den aktuelleren Output der Band nicht ausreichend in die Recherche aufgenommen, waren doch hierbei schon viele der letzten Veröffentlichungen eher im Popsektor anzusiedeln.

Dennoch erwartete ich eher, dass die Abrißbirne einmal wieder losschlägt und das Cookiemonster beim Gesang freigelassen wird. Mit dieser Erwartung überrascht der erste Song "i apologise if you feel something" doch etwas: Synthetische Klänge dringen an die Gehörknöchelchen und es gibt allerlei verfremdete Vocal-Effekte. Aber das scheint nur das Intro zu sein - dann warten wir eben auf den nächsten Song. Endlich kommen Gitarren zum Vorschein. Der Track an sich ist aber eher im LINKIN PARK-light-Stil gehalten und die Vocals meist brav mit zart angedeuteten Schreien versehen. Aber durchaus eine gute Nummer mit starkem Schlagzeugspiel.

Bei "nihilist blues" muss man sich fragen, ob man nicht  EDM-Mucke à la David Guetta vor sich hat. Instrumente gibt es nur in Form des Schlagzeugs, der Rest ist elektronisches Geblubber und der Gesang mit seinen Falsetto-"uuuu's" ist schwer zu ertragen. Beinahe erwartet man noch ein "Hyper! Hyper!", das zum Glück dann doch nicht mehr nachfolgt. Die Skiptaste schreit laut "Hier". Hiermit erledigt!

"in the dark" beginnt ähnlich mit elektronischen Vocoder-Effekten mit weiblichem Gesang, der in dieser Form auch von KATY PERRY und sonstigem Radiofutter kommen könnte. Im weiteren Verlauf kommen dann zum Glück doch noch Gitarren zum Vorschein und der Song wird so vor dem Untergang gerettet. 

Bei "Wonderful Life" geht es wieder etwas aggressiver zur Sache, ein tiefergestimmtes Gitarrenriff zieht sich durch den Song, der CRADLE OF FILTHs Dani Filth als Gastmusiker aufzubieten hat. Gegen Ende hin gibt es noch Massen-Chöre à la 30 SECONDS TO MARS zu hören. 

"ouch" hat dann wieder den richtigen Titel. Ein gänzlich elektronisches Stück mit Donald-Duck-Computerstimme, welches zum Glück nur unter zwei Minuten lang ist.

"medicine" soll wohl den Hit der Scheibe darstellen. Ein Pop-Song, wie man ihn hundertfach im Radio hört (und meist wegskippt). Könnte auch von MAROON 5 und Konsorten stammen. Nett, aber identitätslos und austauschbar. Da hilft auch der eingängige Refrain nicht unbedingt weiter.

Bei "sugar honey ice and tea" gibt es endlich wieder härtere Gitarren, wenngleich auch hier wieder der hohe Chorus mit seinen erneut EDM-betonten Effekten leicht nervt. Dennoch ein passabler Song.

Gerade an diesen (recht grauenvollen Chören) scheinen die Jungs leider großen Gefallen im Studio gefunden haben. So findet man auf "why you gotta kick me when i'm down?" erneut etwas aus dieser Gattung vor. Radio-Ware in Reinkultur. Die realen Instrumente haben meist Sendepause.

Diese ist auch auf "fresh bruises" noch nicht beendet. Ein weiteres Kapital namens Sphärenmusik für Hip-Dance-Clubs.

Bei "Mother Tongue" wird dann schon wieder auf die Taste "Frauengesang in elektronischer Verfremdung" geklickt. Der Song an sich wäre von der Melodie her nicht einmal so übel, wenn er denn z.B. akustisch vorgetragen würde. So fällt das Ganze ebenfalls in die Abteilung Seelenlos-Pop, wie er austauschbarer nicht sein könnte.

Ich richte meine letzte Hoffnung auf agressivere Töne in den Song "Heavy Metal". Der MUSS nun für alles Vorherige entschädigen. Doch spätestens als dann im Mittelteil gerappt wird, als gäbe es kein Morgen, weiß man, dass da doch einiges in die falsche Richtung läuft; nahezu eine Verunglimpfung von harter Musik, einen belanglosen Popsong wie diesen derart zu betiteln. 

Der Schlusstitel "i don't know what to say" ist exakt das richtige Motto, denn "Amo" lässt einen ziemlich ratlos zurück. Mit dieser Scheibe verabschieden sich BMTH offensichtlich endgültig von der harten Rockmusik und verschwinden im seichten Belanglos-Pop, in der Hoffnung, dass man eine breitere Hörerschaft anspricht und ein paar der alten Fans doch noch mitmachen. Wo LINKIN PARK auf ihrem letzten Album zumindest noch eine Geheimwaffe mit Chester Bennington hatten, der den auch weitgehend poppigen Songs mit seiner Stimme und seinem Charisma wenigstens noch ein bisschen Seele einhauchen konnte (und das Album ja durchaus auch als Ankündigung seines nahen Freitods zu werten ist), ist bei BMTH leider nichts derartiges vorhanden. Sahen die Jungs auf den Bandfotos an sich schon immer so aus, als wären sie gerne die BACKSTREET BOYS, so haben sie sich mit "Amo" leider auch musikalisch dieser Fraktion angeschlossen. Wobei man zur Ehrenrettung der BACKSTREET BOYS sagen muss, dass diese zumindest auch noch Songs mit mehr Tiefgang hatten als dass, was einen über weite Strecke von BMTH vorgesetzt wird. Die härteren Gitarren scheinen leider nur noch Alibi zu sein.

Ob das Ganze so aufgeht, wie es sich die Band vorgestellt hat, wage ich einmal zu bezweifeln. Die Verkaufszahlen der ersten Woche aus den USA waren eher ernüchternd. Bleibt zu hoffen, dass die Band vielleicht doch wieder in die rockigere Spur zurückfindet. Das unter dem Banner Weiterentwicklung Vorgelegte ist offenbar dann doch nicht Jedermanns/-Fraus Geschmack. Und nicht jede Weiterentwicklung ist eine Entwicklung zum Positiven, wie es "Amo" leider nur zu deutlich aufzeigt.



Bewertung: 2.0 / 5.0
Autor: Martin Weckwerth (25.02.2019)

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