ÁRSTÍÐIR LÍFSINS - Saga á tveim tungum I: Vápn ok viðr

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VÖ: 26.04.2019
Bandinfo: ÁRSTÍÐIR LÍFSINS
Genre: Atmospheric Black Metal
Label: Van Records
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Lineup  |  Trackliste

Raue Luftwogen peitschen aus dem kalten Norden gen Europa, frostig-kalter Regen prasselt unerbittlich begleitend, Unterholz und Tann knarzen bedrohlich - ÁRSTÍÐIR LÍFSINS, die isländisch-deutsche Kollaboration um Árni Bergur Zoëga (CARPE NOCTEM), Marcel Dreckmann (HELRUNAR) und Stefán Drechsler, stürmt drei Jahre nach der "Heljarkviða"-EP mit Full-Length-Charakter im Stile der wilden Jagd aus dem dunkelgrau verhangenen Himmelszelt herab und werden dabei musikalisch vom vierten Longplayer "Saga á tveim tungum I: Vápn ok viðr" untermalt, der sich stilistisch (mal wieder) angenehm von der isländischen Black Metal-Szene abzusetzen weiß. Die erneute Kooperation mit Ván Records kommt dabei nicht von ungefähr: ÁRSTÍÐIR LÍFSINS sind nicht nur eine nordisch-schwarzmetallische Naturgewalt, sondern auch gehobene, höchst atmosphärische Klangästhetik eigenwilligen Naturells.

Die bereits angesprochene Åsgårdsrei spielt thematisch zwar keine Rolle, wird vom rasanten Einstieg "Fornjóts synir ljótir at Haddingja lands lynláðum" aber trotzdem zumindest instrumental versinnbildlicht. Schon zum Ende dessen hin gesellt sich auch noch schroffer Wellengang hinzu - fortan geschieht "Saga á tveim tungum I: Vápn ok viðr" quasi autonom, es verselbstständigt sich. Auch im Jahre 2019 lassen sich ÁRSTÍÐIR LÍFSINS unglaublich viel Zeit, die Geschichten aus alt-nordischer Literatur zu erzählen, sie geben ihren Kompositionen mal wieder über eine Stunde Zeit, um die Szenerie vor dem Hörenden auszubreiten. Das kann man kritisieren, weil sich für viele Zuhörer an manchen Stellen immer noch kleinere Längen vorzeigen werden, aber das Viertwerk steht über solch geringem Tadel. Die Mischung aus archaischer Folklore, dunklen Chören, ungezügeltem Black Metal und dem einzigartigen Sprachtalent des abermals überragenden HELRUNAR-Narrators setzt sich einfach zu überzeugend durch.

"Saga á tveim tungum I: Vápn ok viðr" ist wie ein musikalisches Lichtspiel, welches die garstige Flora und Fauna ungeschönt und dennoch in all ihrer Pracht vor dem geistigen Auge abspult und speziell in den Longtracks "Líf á milli hveinandi bloðkerta", "Stǫng óð gylld fyr gǫngum ræfi" und "Haldi oss frá eldi, eilífr skapa deilir" eine begeisternde Magie ausübt. Zugegeben: Vor einigen Jahren noch scheiterte ich immer wieder an den Spielzeiten der vorangegangen Alben, aber für diese Art braucht man einfach Geduld und auch die nötige Wertschätzungsgabe - zwei Aspekte, die mir damals einfach noch zu häufig abgingen. Im Nachhinein ist man ohnehin immer oder zumindest meistens schlauer, aber das lässt sich auch auf ÁRSTÍÐIR LÍFSINS übertragen, die hier ihr bis dato schlüssigstes und fesselndstes Album geschrieben haben. Und wer noch weitere Argumente dafür benötigt, warum Dreckmann einer der begnadetsten Sänger im Pagan Black Metal ist: "Siðar heilags brá sólar ljósi" und "Fregit heft satt" sind perfekt auf ihn zurechtgeschnitten und fokussieren sich nebst frostklirrenden Natursounds komplett auf seine eindrucksvolle, manchmal gar einschüchterne Erzählstimme.

Abschließend kann man sagen, dass "Saga á tveim tungum I: Vápn ok viðr" vielleicht wieder einige Minuten zu lang geraten sein könnte, doch da die Sogwirkung dieses musikalischen Natur- und Mythologieschauspiels so enorm ist und man sich sowohl instrumental als auch gesanglich nochmals weiterentwickeln konnte, ist das bei der Gesamtwertung nur ein Tröpfchen auf heißem Vulkangestein. ÁRSTÍÐIR LÍFSINS hatten ihre Nische schon weit vor dem Aufstieg der isländischen Black Metal-Szene und haben sie auch hiermit weiterhin inne, eine Gemeinsamkeit gibt es aber dennoch: höchste Authentizität. Das spürt und hört man von der ersten Sekunde an und wird für all diejenigen das Zünglein an der Waage sein, die zu Recht hohen Wert darauf legen und ihren Pagan Black Metal gerne möglichst schroff und glaubwürdig genießen.

 



Bewertung: 4.5 / 5.0
Autor: Pascal Staub (29.04.2019)

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