PHIL CAMPBELL - Old Lions Still Roar

Artikel-Bild
VÖ: 25.10.2019
Bandinfo: PHIL CAMPBELL
Genre: Rock
Label: Nuclear Blast GmbH
Hören & Kaufen: Amazon
Lineup  |  Trackliste

Phil Campbell muss man in Rock-Kreisen nicht extra vorstellen – dieser Name ist bekannt. Denn wenn man sich 30 Jahre lang als Gitarrist von MOTÖRHEAD durchs Leben geschlagen hat, dann gibt es wohl fast niemanden hier, der dazu keine Vorstellungen hat.

Phil ist seit seiner Zeit in der Kultband sehr aktiv unterwegs. Haben wir gerade erst vor kurzem ein Album und Live Auftritte von und mit seinen BASTARD SONS geliefert bekommen, dann hat ihn das nicht müde gemacht, sondern eher noch hungriger. So sind wir in der glücklichen Lage, das nächste Solo Werk mit dem vielsagenden Titel „Old Lions Still Roar“ anhören zu können. Weil man alleine als Gitarrist jedoch schlecht brüllen (und andere Instrumente spielen) kann, gibt es auf dem Album eine recht lange Liste an Gastmusikern und Sängern. Hier mal eine Übersicht der berühmten Namen pro Song, die Phil als "alte Löwen" gesammelt hat:

1. ‘Rocking Chair’ feat. Leon Standford (vocals), Todd Campbell (guitar), Will Davies (bass)
2. ‘Straight Up’ feat. Rob Halford (vocals), Tyla Campbell (bass), Dane Campbell (drums)
3. ‘Faith In Fire’ feat. Ben Ward (vocals), Tim Atkinson (bass), Robyn Griffith (drums)
4. ‘Swing It’ feat. Alice Cooper (vocals), Chuck Garric (bass), Dane Campbell (drums)
5. ‘Left For Dead’ feat. Nev MacDonald (vocals), Mark King (bass), Danny Owen (keyboard), Tyla Campbell (acoustic guitar), Dane Campbell (Drums)
6. ‘Walk The Talk’ feat. Nick Oliveri (vocals, bass), Danko Jones (voc.), Ray Luzier (Drums)
7. ‘These Old Boots’ feat. Dee Snider (voc.), Mick Mars (guitar), Chris Fehn (Drums), Todd Campbell (guitar)
8. ‘Dancing Dogs (Love Survives)’ feat. Whitfield Crane (voc.), Tyla Campbell (bass), Dane Campbell (drums)
9. ‘Dead Roses’ feat. Benji Webbe (vocals), Will Davies (bass), Matt Sorum (drums)
10. ‘Tears From A Glass Eye’ (feat. Joe Satriani)

Wie man sieht, sind hier echt einige Kapazunder dabei, wie Rob Halford, Alice Cooper, Dee Snider, Mick Mars oder Joe Satriani. Was macht der gute Phil nun mit diesen Kollegen? Liefert er eine Neuauflage von MOTÖRHEAD? Nein, tut er nicht.

Natürlich kann er seine Vergangenheit nicht verleugnen und man hört die rauen harten Riffs eindeutig, aber es ist auch viel Eigenständigkeit dabei und fast möchte ich sagen eine „zartere“ Seite. Er selbst kommentiert das goldrichtig: „Ein guter Song ist ein guter Song“, so sagt er typisch trocken zu diesem Album, „also gibt es natürlich jede Menge anständigen Classic-Rock-Stoff auf meinem Solodebüt. Dennoch ist da auch Platz für das eine oder andere Experiment, für Songs, die diejenigen, die mich vor allem von MOTÖRHEAD kennen, durchaus als Abkehr davon bezeichnen könnten. Ich meine, ich bin unendlich stolz auf alles, was wir mit MOTÖRHEAD gemacht haben, doch ein Musiker ist mehr als nur ein Stil. Und auf diesem Album gestatte ich es mir, ein wenig meine Schwingen auszubreiten.“
So gesehen, hätte er das Album auch „Old Eagles Still Soar“ nennen können.

Nun zu den einzelnen Songs und Sängern. Viele sind sehr bekannt und man hört sofort, um wen es sich handelt, auch wenn sie bei Phil dann doch ein wenig anders klingen, als gewohnt, weil die übliche Band dahinter fehlt. Grundsätzlich schafft Mr. Campbell es aber grandios, genau die richtigen Leute für die richtigen Songs zu finden – oder ist es umgekehrt?  

Für mich bisher ein Unbekannter ist Leon Standford von THE PEOPLE AND THE POET, der als erster Sänger in den Ring tritt und die angenehmen Vocals für den Country Song „Rocking Chair“ liefert. Eine sehr gute Wahl, muss ich sagen. Dieser erste Song ist ja insgesamt schon eine Überraschung, weil eigentlich hätte ich  mir von einem Phil Campbell einen viel knackigeren Einstieg erwartet. Im Endeffekt erreicht er aber damit genau das, was er wohl mit dem Solo-Album will: gleich mal zeigen, dass er auch anders kann.

Bei Song Nummer zwei „Straight Up“ kommt aber schon das heftigere Songrezept zum Zug und es wird ordentlich gerockt. Ein eingängiges Riff, Rob Halford mit einem rauen Touch in der Stimme und ordentlich Nachdruck beim Singen zeigt, dass der Britische Metal noch immer Zähne zeigen kann. Das fährt einfach ordentlich ab das Ding.

Ben Wards Song ist groovig-gruftig mit einem entsprechenden dunklen Vibe. A bissi „Fürst der Finsternis“ kommt hier raus bei „Faith In Fire“. Die Riffs von Campbell ziehen sich bissig durch den Song, fast ein wenig denke ich an MOTÖRHEAD, auch weil die Vocals ziemlich tief und rau sind.

„Swing It“ klingt nicht nur wegen dem Schockrocker selbst nach ALICE COOPER, sondern auch weil der ganze Song von seiner Band stammen könnte. Wiederum ein Henne-Ei Dilemma – holte Phil Campbell Alice zu diesen Song, weil er eine Melodie im Ohr hatte, wo er dachte, die passt für Alice Cooper? Oder wollte er Alice Cooper am Mikro haben und schrieb einen Song für ihn?
Keine Ahnung, aber wiederum ganz klar zu sehen und natürlich zu hören, dass Phils Wahl sehr zielsicher und stimmig ist. So auch bei der Entscheidung für Nev MacDonald als Sänger für die ruhige Nummer „Left For Dead“, die eine melancholische Stimmung aufkommen lässt, aber nicht peinlich wird, sondern harmonisch-stimmig und gleichzeitig energiegeladen ist. Mit schönen Backing Vocals sowie einer herrlich leidenden Gitarre beim Solo wird auf allen Linien gepunktet. Absolut ein genialer, emotionaler Song.

Nach dieser hingebungsvollen Nummer ist es nicht einfach, die Sache wieder in die Gänge zu bekommen. Phil schafft es bei „Walk The Talk“ mit den Rock-Vocals von Danko Jones und Nick Oliveri. Es wird nicht lange rumgefackelt, sondern mit beißenden Riffs und heavy Bass das nächste, eher harte Stück in Angriff genommen. Bitte nicht in die Metal-Richtung denken, sondern einfach harter, erdiger Rock mit ein paar auffrischenden Tönen wird hier zum Besten gegeben.

Jeder, der auch nur ein bisschen die Musik der alten Haudegen verfolgt, wird wohl schon über die alten Stiefel gestolpert sein. Dabei sind „These Old Boots“ wahrlich keine Stolperfalle sondern geben einem mit den fast schon als aggressiv zu bezeichnenden Vocals von Dee Snider einen ordentlichen Tritt in den Arsch. Einfach ein geiler Song, der zum Feiern, Rocken, Mitsingen und Abtanzen einlädt. Dee Snider ist in seinem Element und man kann nur hoffen, dass sich dieses Gespann vielleicht mal live auf einer Bühne in der Nähe einfindet.

 


Eigentlich nimmt das Album nun in der zweiten Hälfte ordentlich an Fahrt auf. Die Riffs werden satter, härter, eindringlicher, das gleiche gilt auch für Bass und Schlagzeug. So zu hören bei „Dancing Dogs“ – lässig groovender Sound und die Stimme von Whitfield Crane überzeugen aufs Neue.

„Dead Roses“ mit Benji Webbe von SKINDRED ist sentimental, voller Gefühl und lädt zum Grübeln ein. Wurde diese Piano Ballade über Phils Erinnerungen und Gedanken an Lemmy geschrieben? Oder steckt hier jemand anderer dahinter? Egal, es ist ein beeindruckender Song und wird viele Liebhaber finden.

Ganz zum Schluss haben wir noch die reine Instrumentalnummer „Tear From A Glass Eye“, wo Campbell und Satriani zusammen spielen und zeigen, was sie drauf haben.

Insgesamt ein absolut hörbares Album und nicht nur für MOTÖRHEAD Fans interessant. Auf „Old Lions Still Roar“ ist ein vielseitiges Rock-Spektrum zu hören, das die langjährige Erfahrung und Vielfältigkeit eines sehr bekannten Gitarristen zeigt. Eigentlich ein Muss-Album für das heurige Jahr.



Bewertung: 4.5 / 5.0
Autor: Lady Cat (25.10.2019)

ANZEIGE
ANZEIGE