LEPROUS - Pitfalls

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VÖ: 25.10.2019
Bandinfo: LEPROUS
Genre: Progressive Metal
Label: Inside Out Music
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Lineup  |  Trackliste

Eines muss man LEPROUS lassen: die Jungs um Sänger/Keyboarder Einar Solberg können einen immer wieder überraschen. Die Norweger haben bei den letzten Scheiben immer ein Quäntchen dazugelegt, neue Einflüsse spielen lassen oder den einen oder anderen Stilbruch vollzogen. „The Congregation“ (2015) war ein unverwechselbares LEPROUS-Album, aber noch klar dem Prog Metal verhaftet, während „Malina“ (2017) dann eher Richtung alternativere, rockigere Klänge abgebogen ist. Das aktuelle „Pitfalls“ aber klingt wieder komplett neu und anders und führt zu mehreren Überraschungsmomenten. Klar, einige Dinge sind gleichgeblieben – die Stimme Solbergs ist noch immer markanter Wegweiser durch das LEPROUS-Labyrinth, man setzt noch immer auf vertrackte Rhythmen und eingängige Refrains.

Ansonsten bleibt aber kein Stein auf dem anderen – das merkt man schon beim Opener „Below“. Von der Stimmung her düster und verletzlich, beginnt der Track nur mit Synths und Stimme, erst beim Refrain kommen die ersten verzerrten Gitarren dazu. Die Streicher-Untermalung führt dann zu einem beschwingten Doom-Jazz-Moment – mutig! „I Lose Hope“ ist dann wieder komplett anders als alles was LEPROUS zuvor gemacht haben – der Groove am Anfang ist direkt tanzbar und klingt so, als ob MICHAEL JACKSON zu viel Zeit im kalten, düsteren Norwegen verbracht und daraus einen Song gemacht hätte, der titelgebende Refrain ist der Inbegriff an beschwingter Traurigkeit. „Observe The Train“ erinnert dann wieder an den Opener, wenn zunächst nur Stimme und Synths im Vordergrund stehen, bevor es beim Refrain deutlich positiver und poppiger als davor zugeht, vor allem mit dem genialen (leider zu leisen) Bass-Riff im Hintergrund. Das erinnert zum Teil an den großen DAVID BOWIE in der "Blackstar"-Zeit: schräg aber unglaublich fesselnd.

Erstmals Anklänge an die Prog Metal-Vergangenheit gibt es dann bei „By My Throne“, wo am Anfang verzerrte Gitarren abgehackte Riffs wie zu „The Congregation“-Zeiten spielen. Der Song entwickelt sich dann aber schnell in Richtung Düsterpop weiter, der Refrain ist typisch LEPROUS – wie die Vocals mit ab und zu eingestreuten Verzögerungen den Hörer jedes Mal wieder überraschen können, ist genial gemacht. Auch „Alleviate“ schlägt in diese düster-poppige Kerbe und ist vor allem durch den epischen, streicher-durchsetzten Refrain einer der Hits des Albums. Das letzte Drittel des Albums ist dann wieder etwas härter geworden, „At The Bottom“ wechselt zwischen Prog und symphonischen Teilen, und „Distant Bells“ baut sich über mehrere Minuten auf, bevor kurz vor Ende der erlösende, fett instrumentierte Refrain die Spannung auflöst. „Foreigner“ nickt noch einmal Richtung Alternative-Rock und verzerrte Gitarren, bevor das vertrackte „The Sky Is Red“ das Album beschließt. Der Track ist für LEPROUS-Verhältnisse lang und wechselt oft zwischen gefühlt unzusammenhängenden Riffs, mausert sich aber nach mehrmaligem Hören zu einem Geheimtipp.

Passend zur musikalischen Ausrichtung ist auch die Abmischung hörbar Pop-freundlicher geworden, Stimmen und Streicher stehen im Vordergrund, während sich die bösen Gitarren, Bass und Drums dezent im Hintergrund halten. Kann man mögen, muss man nicht – etwas schade ist es schon, dass die eigentlich hervorragenden Musiker so wenig zur Geltung kommen. Dafür liefert Einar Solberg wohl die persönlichste und gewöhnungsbedürftigste Performance seiner Karriere, die Tonlage ist fast durchgehend ganz oben angesiedelt, was wohl einige Leute abschrecken wird, aber perfekt zur Musik passt. Was auch auffällt ist, dass die Songs die noch ehesten nach alten LEPROUS klingen den anderen, mutigeren Songs ein bisschen nachstehen, vielleicht weil sie nicht ganz zur neueren Ausrichtung der restlichen Tracks passen.

Abseits aller Kritikpunkte und leichten Schwächen beweisen LEPROUS mit „Pitfalls“ jedenfalls, dass sie abseits von allen Genre-Grenzen einfach geniale Musik machen können. Ganz an die Malina"-Klasse kommt man zwar nicht heran, aber die Songs sind frisch und mutig - da kann man schon mal gespannt auf den Nachfolger sein.
 



Bewertung: 4.5 / 5.0
Autor: Luka (24.10.2019)

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