NILE - Vile Nilotic Rites

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VÖ: 01.11.2019
Bandinfo: Nile
Genre: Death Metal
Label: Nuclear Blast GmbH
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Lineup  |  Trackliste

Nach dem musikalisch eher durchschnittlichen, produktionstechnisch gar missglückten Ausflug zu den Toren des Set und der nur unwesentlich besser abgelaufenen archäologischen Freilegung von Relikten und anderem mythologischem Beiwerk, die nie ausgegraben hätte werden sollen, haben sich die US-Amerikaner NILE zum ersten Mal in ihrer Karriere vier Jahre Zeit eingeräumt, ehe sie nun, also am 1. November, via "Vile Nilotic Rites" bösartige Riten exerzieren werden und sich damit gleichzeitig auch wieder vermehrt an den Sounds von "Annihilation Of The Wicked" und "For Those Whom The Gods Detest" orientieren, nicht mehr ganz so technisch wie zuvor agieren. Ein Argument diesbezüglich könnte sicherlich auch gewesen sein, dass man sich vom langjährigen Zweitgitarristen und -vokalisten Dallas Toler-Wade getrennt hat und Ersatzmann Brian Kingsland, der hier, so viel möchte ich vorwegnehmen, einen hervorragenden Einstand abliefert, zunächst voll integrieren musste.

Nur um diese einleitenden Gedanken zum neunten NILE-Manifest kurz einzuordnen: "At The Gate Of Sethu" und "What Should Not Be Unearthed" hätten nach meinem Ermessen im Stormbringer'schen Spektrum des Wertens 3 von 5 respektive 3,5 von 5 Punkten erhalten. Das wäre einerseits sicherlich noch kein ernsthafter Grund dafür gewesen, meinen lebendigen Kadaver irgendwo in pharaonischen Gemäuern zu verewigen, doch andererseits veranschaulicht das ganz wunderbar, dass die auralen Treibsände des Quartetts zuletzt nicht mehr ganz so zwingend und atmosphärisch bindend, kurzum, nicht mehr so essenziell und unumgänglich wie das Frühwerk bis hin zu besagtem "For Those Whom The Gods Detest" waren.

Im Vergleich dazu hat man nicht nur an der Produktion gearbeitet, die auf "Vile Nilotic Rites" wuchtiger und transparenter geraten ist, was wiederum George Kollias' großartigem Drumming schmeichelt und den Gitarren eine knackige Härte verleiht, sondern auch das Songwriting entschlackt. Damit finden NILE zurück zu einer nahezu idealen Balance zwischen Brutalität und Technik, die elf Songs sind also eine Nuance einfacher zugänglich und zelebrieren dennoch sämtliche Markenzeichen der Band - auf sehr hohem Niveau übrigens. Manch einer dürfte dabei abermals ein ätherisches Intro vermissen, aber es hat auch einen gewissen unabstreitbaren Charme, wie man vom eröffnenden Trio aus "Long Shadows Of Dread", "The Oxford Handbook Of Savage Genocidal Warfare" und "Vile Nilotic Rites" zunächst weichgeklopft wird. Überhaupt: Dem Geknüppel auf "Vile Nilotic Rites" wohnt eine derart unbändige Zerstörungskraft inne, dass es eine wahre Ohrenweide ist, sich von einem "Snake Pit Mating Frenzy" oder auch "Revel In Their Suffering" zu mikroskopisch klein gekörntem Wüstensand pulverisieren zu lassen.

Damit nun aber auch der allerletzte Fan ruhiger atmen kann: als Kontrastprogramm dazu gibt es natürlich auch Longtrack-Epen inklusive drückend-dräuender Orchestrierung und ägyptischer Ambience ("Seven Horns Of War" und "The Imperishable Stars Are Sickened") sowie orientalische Instrumentals ("Thus Sayeth The Parasites Of The Mind"), zumal NILE derartige Elemente auch gerne zur Abwechslung in diversen Songs einstreuen ("Where Is The Wrathful Sky" und "We Are Cursed"), sodass keiner die Befürchtung entwickeln muss, dem Neuntwerk ginge die typische Atmosphäre ab. Im Gegenteil: Auch auf dieser Ebene kann "Vile Nilotic Rites" seine beiden Vorgänger eindeutig ausstechen.

Ähnlich eindeutig fällt dementsprechend auch mein Fazit aus, denn "Vile Nilotic Rites" ist für mich, wie man es sicherlich bereits rauslesen konnte, nicht nur das beste NILE-Werk seit "Those Whom The Gods Detest", sondern positioniert sich darüber hinaus auch selbstbewusst in einer ohnehin beeindruckenden Diskografie (mit kleineren, in der Summe zu vernachlässigenden Schönheitsfehlern). In dem Bereich, in dem NILE operieren, sind sie in dieser aktuellen Verfassung eine einzigartige Eminenz, die es wie kaum eine andere Band schafft, schonungslosen Death Metal mit mythologischen Motiven so zu kreuzen, dass sich dabei trotz allen Rigorismen etwas Fesselndes vor dem geistigen Auge abspielt, dass man in ein entlegenes Geschichtskapitel teleportiert wird. Dafür gebührt dem Quartett allerhöchster Respekt.



Bewertung: 4.5 / 5.0
Autor: Pascal Staub (01.11.2019)

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