ELUVEITIE - Live At Masters Of Rock

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VÖ: 01.11.2019
Bandinfo: ELUVEITIE
Genre: Pagan Metal
Label: Nuclear Blast GmbH
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Lineup  |  Trackliste

"Slania - 10 Years", "Ategnatos" und "Live At Masters Of Rock" - Cerridween, die keltische Göttin des Todes und der Wiedergeburt, hat dem Nonett ELUVEITIE anno 2019 einen straffen Veröffentlichungsplan auferlegt, mit dem es die teils arg tiefen Falten der Vorbesetzung und den durch den Tod dieser Formation auftretenden Muskelschwund ab- bzw. aufzuarbeiten galt. Allzu verwunderlich ist das nicht, schließlich ist die Reinkarnation in vielen religiösen wie mythologischen Kulturen - so eben auch in der keltischen - ein umfangreiches, detailliertes Teilgebiet, das eigentlich schon ein Endlosthema für sich ist darstellt und neben Geduld auch ein hohes Maß an Hingabe erfordert. Klar ist aber auch: So richtig weg, also im eigentlichen Sinne des Wortes, waren ELUVEITIE prinzipiell nie. Doch die Line-Up-Zäsur hat im fantastischen "Ategnatos" erste Blüten und sogar Früchte getragen und in Anbetracht dessen dürfte man kaum überrascht sein, dass man nur kurze Zeit später versucht, die Live-Dynamik, mit der man heuer auf den Festivalbühnen Europas auftrat, in die heiligen Hallen des Fan-Eigenheims zu transportieren.

Von einer Übersättigung durch Live-Dokumente kann man bei ELUVEITIE ohnehin nicht sprechen, ist "Live At Master Of Rock" nebst "Live @ Metalcamp 2008" doch erst das zweite offizielle Release dieser Art, da die Schweizer ihre Bühnentauglichkeit ansonsten nur anhand von Boni (z.B. ein 18-minütiger des Feuertanz 2010 Auftrittes auf der "Helvetios"-DVD), Semi-Bootlegs ("Live On Tour") oder Heftbeigaben ("Live At Feuertanz 2013") auf Konserve festhalten liessen. Und der Zeitpunkt für eine solche Veröffentlichung erscheint mit runderneuerter Besetzung und neuem Album im Schlepptau denkbar günstig, man will sich schließlich umgehend von der besten Seite präsentieren und den einstigen Trott schnellstmöglich abstreifen.

Genau das gelingt ELUVEITIE auch, wie ich selbst am Summer Breeze Open Air 2019 erfahren durfte. Auch wenn es mit neun Mitgliedern selbst auf den Brettern eines größeren Festivals langsam eng wird, sieht man dem bestehenden Kern der Band die wiedergewonnene Freude an einer Bandgemeinschaft an und die neuen Mitstreiter strahlen immense Spielfreude und Energie aus, was im Gesamtverbund umgehend auf den Zuschauer und -hörer überspringt. Besonders hervorheben möchte ich dabei Fabienne Erni, die die geborene Bühnenakteurin ist und sich mit ihrem Charisma, ihrer künstlerischen Präsenz und dem variablen Gesang jetzt schon als zweites Aushängeschild neben Chrigel Glanzmann an der Mikrofon-Front etabliert hat - und mir bei Songs à la "Artio" und "Breathe" sogar ein oder zwei Freudentränchen entlocken konnte. Ebenfalls ein Lob hat sich der Tontechniker der Band verdient, der nicht nur bei erwähntem SBOA ein prall gefülltes Instrumentarium ausbalanciert und damit einen erstklassigen Job abgelegt, sondern in diesem Sinne auch für das vorliegende "Live At Master Of Rock" wertvolle Sound-Pionierarbeit geleistet hat. Dieses wuchtet nämlich nicht nur druckvoll aus den Boxen, sondern fängt auch das Live-Feeling mitsamt Publikumsinteraktionen authentisch ein, sodass es gar nicht zwingend eine DVD bzw. Bildmaterial benötigt, um die Atmosphäre eines Konzerts zu transportieren. Hier kommen umgehend Erinnerungen hoch, weswegen ich das in dieser Rezension unbedingt verbinden wollte.

Einen kleineren Kritikpunkt, der nicht mit dem besprochenen Produkt im eigentlichen Sinne zusammenhängt, möchte ich dennoch veräußern: die Setlist. Dass man möglichst viel vom "Ategnatos"-Zyklus vortragen möchte, ist dabei gar nicht der Stein des Anstoßes, sondern vielmehr, dass es von "Slania" und "Spirit" gerne etwas mehr hätte sein dürfen. Dass "Tegernakô" rausgeworfen wurde, finde ich schade, auch ein "Your Gaulish War" hätte den Gesamtvortrag perfektionieren können. Desweiteren wäre es, was mehr ein persönlicher Wunsch als alles andere ist, grandios, wenn man ein "Slania's Song" oder "Aidû" mal aus der Kehle von Fabienne Erni zu hören bekommen dürfte. Dass man dafür Alain Ackermann, der ELUVEITIE mit seinem Spiel enorm vorangebracht hat, mit einem Drumsolo die Bühne überlässt, ist eine schöne, vertrauensvolle Geste, aus meiner Sicht aber nicht zwingend erforderlich. 

Dass ich schlussendlich dennoch mit einem tollen Gefühl aus dem Konzert hervorgegangen bin, spricht für die Band und ihren SBOA-Gig, gleichzeitig aber natürlich auch für "Live At Master Of Rock", das in mir, obschon ich an ein amtliches Live-Release oftmals auch Best-Of-Setlist-Erwartungen kopple und dadurch auch ein paar Klassiker mehr erwarte, allerbeste Erinnerungen zu wecken wusste. ELUVEITIE sind aktuell in einer bestechenden Verfassung, sowohl auf ihren Alben als auch live und wer die Schweizer unbedingt einmal sehen möchte, könnte sich keinen besseren Zeitpunkt als den aktuellen dafür rauspicken. Wer trotz all dieser Hymnen immer noch unschlüssig ist, kann sich hier ein umfassendes Bild davon machen, was man von ELUVEITIE auf der Bühne erwarten kann. Natürlich kann man immer darüber streiten, ob man eine derartige Veröffentlichung wirklich im Plattenregal benötigt, aber wenn man mit einem glaubwürdig eingefangenen und abgemischten Konzert z.B. eine großartige Erfahrung neu aufleben lassen kann - so wie ich in diesem Falle -, kann man sich den langwierigen Entscheidungsprozess sparen und zugreifen. 



Ohne Bewertung
Autor: Pascal Staub (22.11.2019)

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