OBSEQUIAE - The Palms Of Sorrowed Kings

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VÖ: 22.11.2019
Bandinfo: OBSEQUIAE
Genre: Melodic Black Metal
Label: 20 Buck Spin
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Lineup  |  Trackliste

Denken wir Gefolgsleute rockiger und metallischer Predigten an Mittelalter und würden gefragt werden, mit welchen Künstlern wir diesen Begriff assoziieren, käme man in den meisten Fällen wahrscheinlich auf zentrale Akteure à la IN EXTREMO, SUBWAY TO SALLY, SALTATIO MORTIS oder auch SCHANDMAUL, die auf nahezu allen Festivalbühnen headlinen und zu ihren ausgedehnten Touren die großen Hallen mit Menschenmassen fluten. Wer damit nichts anfangen kann, aber dennoch mit musikalischer Untermalung in das Mittelalter zurückreisen wollte, ging bislang weitestgehend leer aus - wenn man nur an der Oberfläche zu schürfen vermochte. Nebst interessanten Medieval Dungeon Synth Projekten à la UTRED und ARSULE (die Suche nach weiteren lohnt!), gibt es nämlich auch den Medieval Black Metal, eine Abwandlung des Melodic Black Metal, der mit Bands wie SÜHNOPFER ("Hic Regnant Borbonii Manes") und VÉHÉMENCE ("Par le sang versé") 2019 zu neuem Leben erwachte und gen Ende des Jahres mit einer besonderen Rückkehr gesegnet wird - OBSEQUIAEs drittem Langspieler, "The Palms Of Sorrowed Kings".

Eines vorweg: Klischees sollte man hierbei nicht erwarten, aus Angst vor Klischees sollte man diese Band tunlichst nicht meiden. Die Art und Weise, wie OBSEQUIAE originären Folk, der mittels dezenter Keyboardunterstützung irgendwie auch den atmosphärischen Geist des Dungeon Synth atmet, und melodischen Black Metal zu einem Klangbild arrondieren, ist nicht nur einzigartig, sondern auch reich an Stimmung und gewaltigen, sich vor dem Geiste auftürmenden, einladenden Szenerien aus ferner Zeit. "The Palms Of Sorrowed Kings" ist wie ein monumentales, weitläufiges Gemälde, das sämtliche Platzverhältnisse im heimischen Wohnsitz sprengen würde und sich damit speziell an eine Zuhörerschaft mit besonders ausgeprägter Fantasie und Bereitschaft dazu, die gedankliche Leinwand für zwölf derart feinsinnig arrangierte Illustrationen großzügig zu expandieren, richtet.

Schon mit den ersten Tönen der Medieval Harp ("L'autrier m'en aloie") fühlt und hört sich das Drittwerk wie eine Zeitreise in ein alternatives Universum, in dem es bereits im Mittelalter professionellste Aufnahmemethoden inkl. Tonstudios zum Festhalten solcher Klänge gab, an und im anschließenden "Ceres In Emerald Streams" treten auch noch Strom und harmonischer Black Metal bei, im Titeltrack gar dezente Chöre. Besonders prägnant an der metallischen Komponente sind dabei die einprägsamen weil malerisch-erzählerischen Leadmelodien ("In The Garden Of Hyacinths", "Lone Isle" und "Asleep In The Bracken" z.B.), die die Geschichten, die die hallend-schneidenden Vocals von Hauptsongwriter Tanner Anderson (u.A. in der Live-Formation von PANOPTICON zu finden) erzählen, mit den dazugehörigen Bildern versorgen. Für den atmosphärischen roten Faden wiederum sind nicht nur die subtil eingesetzten Field Recordings, sondern auch die dadurch verstärkten, akustischen Interludes zuständig ("Palästinalied", "Per tropo fede" und "Quant voi la flor novele"), die äußerst intelligent platziert wurden und dadurch fantastische, bereichernde Kontraste anbieten.

Seien wir zum Schluss noch einmal besonders ehrlich: OBSEQUIAE sind ein Unikat, eine Band, die man aktuell definitiv kein zweites Mal findet. Mein Gehör hat in weit über zehn Jahren Metal schon vieles gehört und registriert, manchmal gar mehr, als ihm lieb war, aber etwas im Stile von "The Palms Of Sorrowed Kings", wenn man die beiden ebenfalls großartigen Vorgänger "Aria Of Vernal Tombs" und "Suspended In The Brume Of Eos" abzieht, noch nie. Selbstverständlich braucht es Zeit und Muße, um sich im mittelalterlichen Äther des Trios zurechtfinden zu können, zumal die Produktion manchmal einen eigenwilligen Charakter hat, aber dafür wird man auch in eine authentisch verklanglichte, autarke Parallelwelt entführt, die Lichtjahre von der herkömmlichen Definition des Mittelalter Metal entfernt ist und damit genau denjenigen schmeicheln dürfte, die diese Epoche gerne auch mal aus einer anderen musikalischen Perspektive kennenlernen und erforschen möchten.



Bewertung: 4.5 / 5.0
Autor: Pascal Staub (21.11.2019)

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