VINSTA - Drei Deita

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VÖ: 18.10.2019
Bandinfo: VINSTA
Genre: Progressive Death Metal
Label: Trollmusic
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Lineup  |  Trackliste

Stellt euch vor, ihr steht auf dem verschneiten Gipfel eines Berges, hoch droben im ewigen Eis, alleine mit euren Gedanken und blickt hinab auf die schier unendliche, bis zum Horizont reichende Landschaft aus verschneiten, schroffen Graten, die sich, von Nebelschwaden sanft umspielt, erhaben gen Himmel recken. Ihr blickt hinab in schmale Täler, in denen kleine, unbedeutend wirkende Menschen gebeugten Rückens und doch stolzen Blickes den rauen Berghängen all das abtrotzen was sie zum Leben brauchen - im Einklang mit der Natur und doch stetig im unerbittlichen Kampf mit ihr. Mythen und Legenden ranken sich um jene, die die schroffen Schluchten ihr Zuhause nennen, dunkle, finstere Geschichten, tief aus dem düsteren Herzen der Berge erzählen sie sich, wenn sie in langen, klirrend kalten Winternächten in ihren tief verschneiten, doch wohlig warmen Hütten sitzen, stets hoffend, die über ihnen aufragenden Massive mögen gnädig sein und ihr kleines, nacktes Leben inmitten all dieser Urgewalten zu verschonen.

Das Leid und den Stolz den diese Menschen tragen, man kann es nur verspüren, wenn man selbst einmal im Schweiße seines Angesichts den kargen Bergwiesen im kurzen Sommer seine Früchte abrang und die Gewalt der eisigen Massen des Winters am eigenen Leib erfuhr. Erst wer dort gelebt hat, kann ihnen nachspüren, den finsteren Mythen des Alpenraumes, den Dämonen des ewigen Eises, die die Ruhe und Abgeschiedenheit in die Köpfe der Menschen pflanzt, die Traurigkeit und Melancholie der ewigen Vergänglichkeit und die einen verstummen lassende Erhabenheit der absoluten Stille einer wie toten Schneelandschaft, die sich in einem jähen Moment zu einem tosenden Strudel der Vernichtung verwandeln kann.

All dies versteht VINSTA auf „Drei Deita“ in Töne zu kleiden, die in Perfektion auf der Klaviatur der Emotionen tanzen. Auf einem Bett an progressivem Death Metal, der sich in den richtigen Momenten intensiv und machtvoll hervorkehrt, aber auch songdienlich zurücknehmen zu weiß, verschmelzen Anleihen aus traditionellen Volksweisen mit ebensolchen Instrumenten (Hackbrett) zu einem klanglichen Monolith von beeindruckender Tiefe. Dabei bewegt sich VINSTA weit abseits der klischeehaften Alpen-Schunkel-Romantik mit halblustigen Gstanzln und feucht-fröhlichem Friede-Freude-Eierkuchen-Gejodel, sondern kehrt mit authentischen Texten im Dialekt den wahren, düsteren und melancholischen, folkloristischen Kern des Alpenraumes hervor.

Winterstürme in „Ausklong“ führen in das Album ein, harsche Grows und donnernde Riffs treffen dann in „Weisse Deckn“ auf tieftraurige Jodler und herzzerreißenden Zweigesang, kongenial akzentuiert von sanften Geigenklängen. Angesprochenes Hackbrett verhilft dem langsamen, getragenen „Oafacha Loda“ zu seiner beeindruckenden Klangtiefe, die sich nicht zuletzt auch aus der Verbindung der männlichen und weiblichen Clean Vocals, die von großartiger Harmonie geprägt ist, ergibt. Harsch und fordernd donnert „Raunocht“ aus den Boxen und kleidet die düstere, bedrohliche Atmosphäre der Nächte des Jahreswechsels, in denen die Dämonen die klirrend kalte Nacht beherrschen, in einen klanglichen Monolith. Eine Stimmung, die auch „Fiachtn“, in dem die durchdringenden Jodler erneut nahezu perfekt mit den harschen Riffs zu harmonieren wissen, akkurat zu transportieren weiß.

Der ruhige Titeltrack „Drei Deita“ wird von einer gar todessehnsüchtigen Geigenmelodie und sanften Gesängen getragen, ehe mit „Tiafn“ ein weiteres Mal der volle Umfang des klanglichen Spektrums von VINSTA ausgereizt wird. Viele Tempowechsel geben dem Titel wahnsinnige Dynamik und kleiden den fast zehn Minuten umfassenden Spannungsbogen in einen mitreißenden Rahmen. Derbe Growls versinnbildlichen die finsteren Abgründe der Berge, mit denen der Mensch in seiner Endlichkeit ringt. Der ruhige „Einklong“ mit geradezu sphärischer Verbindung aus singender Gitarre und Hackbrett leitet das Album sodann stimmungsvoll aus.

War das letzte Album "Vinsta Wiads" von Christian Hölls Soloprojekt VINSTA noch zu vergleichen mit der Gewalt einer Lawine, die von einem Berggipfel ins Tal donnerte, so entfaltet die neueste Veröffentlichung „Drei Deita“ nun die Gewalt des unerbittlichen Mahlstroms eines Gletschers, der sich unaufhaltsam voran schiebt. Bereits mit OPETH zu ihren besten Zeiten verglichen, gelingt VINSTA nun ein strahlender Diamant von Album, wie man ihn in den unüberschaubaren Veröffentlichungen der letzten Jahre wahrlich mit der Lupe suchen muss. Den Teil des Albums, der tief in der Seele berührt, zu verstehen, wird wohl nur denen vorbehalten sein, die die unerbittliche Bergwelt in all ihren Facetten kennen - doch selbst die schiere tonale Gewalt alleine gräbt sich tief ins Gedächtnis eines jeden Hörers.

Fraglos wird VINSTA in näherer und ferner Zukunft viele Nachahmer finden, die sich an der kongenialen Verschmelzung extremen Schwermetalls und alpenländischer Folklore versuchen werden, doch ob sie an „Drei Deita“ auch nur annähernd herannahen können, ist mehr als fraglich. Denn was hier geboten wird ist groß, wirklich groß. Und so eigenständig wie selten etwas in den letzten Jahren.

 



Bewertung: 5.0 / 5.0
Autor: Anthalerero (26.11.2019)

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