HELFRÓ - Helfró

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VÖ: 24.04.2020
Bandinfo: HELFRÓ
Genre: Black Metal
Label: Season of Mist Underground Activists
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Lineup  |  Trackliste  |  Credits  |  Trivia

Black Metal im Wald geht immer - wenn aber zum Auftakt des Frühlings ein so ausgesprochen frostbeuliges Duett wie HELFRÓ seinen Einstand gibt und man dieses bei frühsommerlichen 22 Grad im sonnenarmen Geäst genießt, hat dies schon nahezu anachronistische Züge. Die Frage "wie klingt Kälte?" erinnert indes eher an einen seines Verstandes verlustig gegangenen Philosophen als an einen Musiker (da muss man nicht den Verstand verloren haben. Ich hab einmal eine Diskussion über den Klang der Stille mitangesehen - der erstsemestrige Philosoph). Und dennoch gibt es genügend (um nicht zu sagen "massenweise"...man kann ja nicht ausschließlich in Superlativen deskribieren) Kapellen, die sich eben dieser Fragestellung verschreiben. Doch wer hat nun eigentlich den größeren Kuckuck in der Dachstube? Der, der sich im Vertonen niederkalorischer Zustände übt oder jener, der danach trachtet, ein solches Konstrukt zu ergründen und nachzuempfinden?

Eine verquere Fragestellung, zu deren Beantwortung etliche Liter Met die Kehlen der Diskutierenden passieren könnten. Weil man aber das komatöse Gebräu mit der verführerischen Süße erst ausschenken kann, nachdem man die Bienen gemolken und den Honig vergoren hat, muss man zunächst das Werk des Kunstschaffenden dem Konsumenten der Kunst nahebringen. Grund genug, das nach der Band benannte Debutalbum "Helfró" etwas genauer unter die Lupe zu nehmen.

HELFRÓ stammen aus Islands Hauptstadt Reykjavík und nehmen sich - was vor diesem Hintergrund nicht mehr sonderlich überrascht - die Erbarmungslosigkeit und Leere der nordischen Kälte zum Motiv. Dementsprechend unentspannt und unterkühlt gehen die beiden Jungs auf ihrem ersten Langspieler zu Werke. Triste, von Leadmelodien getragene und von hochtourigen Blasts getriebene DARK FUNERAL-Harmonien paaren sich mit norwegischen Hummelschwärmen und erzeugen ein standesgemäßes Eis-Manifest ("Afeitrun"). Der für BM-Verhältnisse sehr saubere Sound, der in nicht wenigen Fällen zur Abwertung führen würde, erscheint in diesem Fall als durchaus sachdienlich und dem bitterkalten Klangbild zuträglich.

Neben dem mustergültigen und sehr überzeugend dargebotenen Black Metal erfreut besonders das ausgeklügelte Songwriting mit Einflüssen aus dem Death Metal ("Afeitrun", "Ávöxtur Af Rotnu Tré") und vielen unvorhergesehenen Wendungen. Passend dazu wechselt der Gesang von ätzendem, Halsschmerz verursachendem Gekrächze zu tiefen Growls und zurück. In einigen Songs gesellen sich die cleanen Vocals von Gastsänger Gísli S hinzu (Anspieltipp: "Ávöxtur Af Rotnu Tré"). In "Musteri Agans" treten die verhältnismäßig cleanen Rhythmusgitarren in den Vordergrund und erinnern stellenweise an die jüngeren Werke SATYRICONs - das Ganze klingt dann ein wenig, als würde Frost zum Spaß die falschen Beats auflegen und die avantgardistische Kompositionen der Neuzeit im derben 1349-Takt durch die Botanik scheuchen.

"Helfró" braucht etwas Zeit, ist aber in Summe eine sehr saubere Sache und bietet mit jedem Durchlauf eine kleine Überraschung mehr. Den leidigen Spagat, im Black Metal Genreerwartungen zu erfüllen und trotzdem eigenständig und interessant zu sein, schaffen HELFRÓ mit ihrem ersten Silberling zumindest zufriedenstellend. Zudem muss man betonen, dass das gebotene Niveau gerade für ein Erstwerk äußerst respektabel ist. Dem fröstelnden Spaß steht damit nichts mehr im Wege - nur die Jahreszeit will nicht so recht ins Gefüge passen...aber das kann man dem Duett nur sehr bedingt anlasten.



Bewertung: 4.0 / 5.0
Autor: Lord Seriousface (20.04.2020)

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