ÆTHER REALM - Redneck Vikings From Hell

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VÖ: 01.05.2020
Bandinfo: ÆTHER REALM
Genre: Melodic Death Metal
Label: Napalm Records
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Lineup  |  Trackliste

Manchmal kann eine einzige Tour sämtliche, bis dahin sichergeglaubte Verhältnisse komplett umkrempeln und Träume verwirklichen. Galten ÆTHER REALM schon seit Debüt-EP ("Odin Will Provide") und -Album ("One Chosen By The Gods") als vielversprechend, stiegen sie spätestens mit "Tarot" zu einem dieser Geheimtipps auf, bei denen es nur noch eine Frage der Zeit sein würde, bis sich der endgültige Durchbruch einstellen würde. Während es manch ein Kollektiv (siehe AETERNAM z.B.) aus teils mysteriösen Gründen trotzdem nicht schaffte, dass die höheren Aufgaben, für die sie sich anboten, auch genussvoll anbissen, ist ÆTHER REALM genau das nach der gemeinsamen Tour mit ALESTORM geglückt: Sie sind bei Napalm Records, auf der europäischen Bühne, angekommen und veröffentlichen dieser Tage ihr Labeldebüt "Redneck Vikings From Hell".

Für diejenigen, die ÆTHER REALM bislang noch nicht kannten, reicht ein neugieriger Blick auf die Similar Artists, um zu wissen, dass man sich hier einem Ideenpotpourri zwischen Melodeath, Keyboardpomp und Folk annähert - ein Albumtitel à la "Redneck Vikings From Hell" gibt dies also gut wieder. In den besten Momenten gehen sie bunten Credo erfolgreich nach ("Lean Into The Wind", "Hunger" und "One Hollow Word" sind astreine Genre-Songs mit coolen Gitarrenläufen, Tempowechseln, Soli und Chören), doch während besagter Albumtitel einerseits stellvertretend für den wilden Stilritt steht, ist er andererseits an vielen Stellen leider auch symptomatisch dafür, dass ÆTHER REALM auf ihrem Drittwerk zu viel wollen und die unterschiedlichsten Elemente manchmal gar willkürlich zusammengewürfelt klingen. Interessanterweise ist davon nicht das abschließende Longtrack-Instrumental "Craft And The Creator", der dem Potenzial der Amerikaner gerecht wird, betroffen, sondern viele der kürzeren Songs, deren drei bis vier Minuten oftmals zu überladen sind und dabei kopf- wie ziellos zum nächsten Stück irren. Der Titeltrack versucht beispielsweise ALESTORM und WINTERSUN mit Banjo und merkwürdigen Synths zu kreuzen, wohingegen das folgende "Goodbye", poppig und hymnisch zugleich, umgehend als Headliner auf die Live-Bühne springen und das Publikum animieren will. Hier von einem Overkill zu sprechen, wäre die Untertreibung des Jahres 2020.

Auch produktionstechnisch muss man im Vergleich zu "Tarot" von einem Downgrade sprechen, denn "Redneck Vikings From Hell" wird nicht nur hölzern und komprimiert in das Gehör transportiert, sondern "brilliert" in den besonders vielschichtigen Sektionen sogar mit einem sehr quietschigen Gesamtklang, der selbst DRAGONFORCE zu viel des Guten wäre. Dass ÆTHER REALM hypermelodische Songs schreiben und dabei gerne auch frech grinsend über sämtliche Genregrenzen hüpfen, kann und möchte ich ihnen gar nicht anlasten, schließlich war das auf dem Vorgänger sympathisch und letztlich auch erfolgreich, aber wenn ein "TMHC" und "She's Back" mit ihrem typisch amerikanisch abgemischten Layerwahnsinn einfach nur die Rezeptoren überstrapazieren, sinkt mein Interesse leider merklich.

Schlussendlich ist "Redneck Vikings From Hell" eine Umschreibung für "Überdurchschnittlich, aber Potenzial vergeben". Das Quartett ist charismatisch, hat Charakter und besitzt exzellente technische Fähigkeiten, doch das Songwriting wirkt an etlichen Stellen zu nervös und überlastet, als dass ÆTHER REALM hiermit zu höherem berufen sein könnten. Das ist einerseits schade, andererseits aber auch kein Weltuntergang, denn trotz ihrer Gründung vor zehn Jahren stehen die vier Amerikaner nach der immer noch recht frischen Vertragsunterzeichnung am Anfang ihrer Karriere und haben daher genügend Zeit, um dazuzulernen und den brodelnden Wahnsinn zukünftig besser kontrollieren zu können.



Bewertung: 3.0 / 5.0
Autor: Pascal Staub (30.04.2020)

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