SOJOURNER - Premonitions

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VÖ: 08.05.2020
Bandinfo: SOJOURNER
Genre: Atmospheric Black Metal
Label: Napalm Records
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Lineup  |  Trackliste

Es wird Zeit für ein aufrichtiges Geständnis: Als die Honeymoon-Phase des Sub-Sub-Genres Atmospheric Black Metal vor zwei, drei oder meinetwegen auch vier Jahren relativ jäh endete, weil es innerhalb kürzester Zeit von unzählbar vielen Abziehbildern überflutet wurde, war ich mir einigermaßen gewiss, dass es einer ähnlichen Talfahrt wie die der Pagan-/Viking-Subkulturen hilflos ausgeliefert wäre, doch auch heute noch kann man in täglichen Intervallen "neue" Projekte "entdecken", deren Alben nach gefühlt eineinhalb gehörten Songs vom üblichen Jubelperser-Klientel auf YouTube und Bandcamp zum AOTY-Anwärter emporgehoben werden, kurz darauf aber genauso schnell wieder in Vergessenheit verblassen. Im Grunde genommen hätte man auch SOJOURNER einen gewissen Opportunismus vorwerfen können, als sie sich 2015 gründeten und nur ein Jahr später ihr solides Debütalbum "Empires Of Ash" via Avantgarde Music vorstellten; zumal die Band schon damals aus verschiedensten Ecken des Planeten zusammenfand. Doch ihre Geschichte verlief anders und ähnlich erfolgreich wie bei Andy Marshall und SAOR: Bereits das zweite Werk, "The Shadowed Road", wusste mit einer autarken Mischung zu begeistern und konnte dem internationalen Quintett (mittlerweile Sextett) eine beachtliche Fanbase sichern - und, ja, nicht zu vergessen, natürlich einen Vertrag bei Napalm Records, die in Kürze das Drittwerk "Premonitions" veröffentlichen.

Was also macht SOJOURNER überhaupt so besonders, was macht sie einzigartig? Enormes Talent, sowohl in Sachen Songwriting als auch technisch, Potenzial für noch höhere Aufgaben und Charisma. Hätte ich lediglich behauptet, dass sie ein Hybrid aus CALADAN BROOD, SUMMONING und SAOR sein könnten, könnte ich das resignierende Abwinken der Leser nun förmlich spüren, aber anstatt diese drei Bands nachzuäffen und semi-professionell zu kombinieren, haben SOJOURNER dank besagter Begabung längst ihre eigene Nische, ihre Trademarks gefunden. Besonders hervorstechend mag in diesem Kontext sicherlich Gitarristin und Sängerin Chloe Bray sein, die das sanfte Gegenstück zu Emilio Crespos angeschwärzter Stimme bildet und den Kompositionen (z.B. "The Monolith") Anmut verleiht. Dass diese Herangehensweise auch gründlich misslingen kann, wird am Beispiel von ELDAMAR (nicht zu verwechseln mit Edamer, wenngleich das Projekt ähnlich cheesy ist...) und dem mindestens fragwürdigen Einsatz digitaler weiblicher Vocals deutlich. Doch ungeachtet dessen liessen und lassen sich speziell auf "The Shadowed Road" und "Premonitions" Feinheiten und frische Melodiebögen, ja, eine gewisse Musikalität heraushören, die das Hörerlebnis besonders immersiv gestalten und letztlich den verdienten Erfolg bescher(t)en.

Bei anderen Projekten dudelt die Gitarre irgendeine beliebige Harmonie, weil das Genre danach verlangt, in "Eulogy For The Lost" und "The Deluge" erzählt sie aus freien Stücken verträumte Geschichten. Herkömmliche Veröffentlichungen bauen auf erhöhten Synthesizer-Anteilen auf, weil es a) besonders episch und atmosphärisch klingen soll (aber selten tut) und/oder b) die Gitarre wirklich überhaupt nichts zu erzählen hat, in "The Apocalyptic Theater" und "Fatal Frame" breiten die stimmig-magischen Dungeon-Synth-Texturen idyllisch-fantasievolle Panoramen vor dem geistigen Auge aus, die dann wiederum nochmals von wohligen Leadmelodien aufgehübscht werden. Und damit habe ich mir lediglich zwei Aspekte zur Unterstützung meiner These auserkoren, denn auch auf "Premonitions" fliesst alles so vermeintlich einfach ineinander, dass man den eigentlichen Aufwand oftmals gar nicht richtig bemessen kann, weswegen man ihn aber umso mehr zu schätzen wissen sollte. So darf man zwischen alledem selbstverständlich nicht die geschmackvollen Folk-Tupfer (man höre das sphärische, von Tin-Whistle-Noten umrandete Zwischenstück "Talas") und die lyrischen Texte, die tatsächlich kein schmuck- oder gar lieblos verfasstes Beiwerk sind, sondern zur Stimmung beitragen, übergehen. Man könnte es auch anders formulieren: Obwohl sich durchweg starke Einzelstücke, die sich aus noch stärkeren Einzelteilen zusammensetzen, darauf tummeln ("The Event Horizon" z.B. ist ein unglaublich großartiger, emotionaler Abschluss), besticht "Premonitions" - vor allem - im Verbund; durch seine einheitlich-dichte, undurchdringbare Atmosphäre und die Bilder, die dadurch Gestalt annehmen. Das ist Eskapismus auf verdammt hohem, poetischem Niveau.



Bewertung: 4.5 / 5.0
Autor: Pascal Staub (05.05.2020)

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