ÁRSTÍÐIR LÍFSINS - Saga á tveim tungum II: Eigi fjǫll né firðir

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VÖ: 22.05.2020
Bandinfo: ÁRSTÍÐIR LÍFSINS
Genre: Ambient Black Metal
Label: Van Records
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Lineup  |  Trackliste

Manchmal schleicht sich beim Musikgenuss, insbesondere aber auch beim anschließenden Rezensieren ein nahezu verächtend schlechtes Gewissen in die für Kunst zuständige Zentrale meiner zerebralen Windungen; und zwar die Art schlechtes Gewissen, die meist genau dann aufkeimt, wenn man Musik lediglich auf der Gefühlsebene analysiert hat, weil man einer dedizierten Fremdsprache nicht mächtig ist und daher auch keine Stellung zum thematischen Fundament beziehen konnte. Bei ÁRSTÍÐIR LÍFSINS erfolgte dieser mentale Zyklus zuletzt bei "Saga á tveim tungum I: Vápn ok viðr", da einem selbstverständlich bewusst ist, wie viel Akribie in die lyrische Recherche geflossen sein muss, man zu einem Promo-Release wiederum aber selten bis nie mit Quellen, Querverweisen oder den Texten selbst versorgt wird, da beispielsweise etwaigen Leaks vorgebeugt werden soll. Dementsprechend kann ich auch den in Kürze erscheinenden Abschluss der Saga, "Saga á tveim tungum II: Eigi fjǫll né firðir", nur wie üblich untersuchen, möchte aber auf ein in Bälde bei uns erscheinendes Interview mit Stéfan hinweisen, das sämtliche konzeptionelle Fragen beantworten dürfte. Alternativ ist bei ÁRSTÍÐIR LÍFSINS allerdings auch Standard, dass der physikalische Release von Ván Records nicht nur optisch wunderhübsch dargeboten, sondern auch mit wahnsinnig vielen Erläuterungen, Quellenangaben, etc. pp. seitens der Band ausgeschmückt wird.

Für diejenigen, die sich, wie ich, zu der Hörerschicht zählen, die Musik priorisiert über Gefühle und Atmosphäre aufnimmt, besonders bei historischen Themen aber gelegentlich doch gerne zur Nachlese ansetzt, ist das eigentlich die ideale Lösung, zumal "Saga á tveim tungum II: Eigi fjǫll né firðir" das qualitative Niveau des ersten Teils bestärkt und aufgrund dessen kein Fehlkauf sein wird. Stilistisch betrachtet hat sich seit dem letzten Jahr selbstredend nichts verändert, schließlich sind beide Werke miteinander verbunden, so dass sich lediglich der etwas ruhigere, atmosphärischere Prolog mit "Ek býð þik velkominn" und "Bróðir, var þat þín hǫnd" vom ruppig-metallisch begrüßenden Nordwind des ersten Ablegers abgrenzt. Ansonsten könnte ich meinen Sermon zu "Saga á tveim tungum I: Vápn ok viðr" einfach duplizieren, denn auch "Saga á tveim tungum II: Eigi fjǫll né firðir" entfaltet seinen Zauber nicht durch einzelne Highlights oder klassische Songstrukturen, sondern fordert Zeit, Geduld und eine Affinität für ausgiebiges, fast schon enzyklopädisch-abendfüllendes Songwriting und intensive Erzählpassagen ein. Das macht ÁRSTÍÐIR LÍFSINS speziell und ihre Kunst für viele gar unnahbar, ein Grund für Kurskorrekturen ist damit aber natürlich trotzdem nicht gegeben. Wozu also plädiere ich? Zwei Stunden plus einplanen und alle anderen "Verpflichtungen" einfach mal hinten anstellen, Soundanlage und/oder Kopfhörer vorbereiten, gemütliche Sitz- oder Liegeposition einnehmen, beide Teile und die sich daraus ergebende, stimmungsvolle Entschleunigung im historisch-authentischen Island genießen. 



Bewertung: 4.5 / 5.0
Autor: Pascal Staub (31.05.2020)

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