ELEPHANTUS - Elephantus EP

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VÖ: 19.06.2020
Bandinfo: ELEPHANTUS
Genre: Doom Metal
Label: Eigenproduktion
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Lineup  |  Trackliste  |  Trivia

Wieder eine Nacht auf kalten weißen Fliesen überstanden. Die gepolsterte Jacke hat meinen abgemagerten Körper vor Druckstellen geschützt, aber es ist ohnehin alles besser als der Ort, von dem ich zurückgekehrt bin. Die Polizisten, die mich zur Untersuchung in diese Einrichtung gebracht haben, waren in ihrer Verwirrung durch meine Erzählung irgendwie auch ganz nett.

Alles ist weiß, sogar der Brei, den mir die in weißen Kasacks gekleideten Pfleger servieren. Ich bin ein Reisender zwischen drei Welten...

Vor einigen Tagen war diese Welt noch in Ordnung. Sie hatte Farben, Wärme - Gutes und Böses existierte im Einklang, aber ich wusste das nicht zu schätzen. Meine Schwester Elfriede kam auf ein Stück Kuchen zu Besuch... Der Kaffee dazu wurde langsam mokkabraun, während ich mit dem Löffel einen Strudel hineinrührte, Kaffee und Milch wurden zum Yin und Yang, der Waagschale unserer Existenz, zu den Gegensätzen, die unsere Welt erlebbar und wahrnehmbar machen...

"Trinkst du deinen Kaffee mit Milch," fragte mich Elfriede amüsiert, "oder deine Milch mit einen Schuss Kaffee?"

"Oh...", antwortete ich nur. Ich war schon wieder mit meinen Gedanken in einer anderen, besseren Welt und hatte nicht gemerkt, wie ich die Tasse zu großzügig mit Milch füllte.

"Hast du Fernweh?", erkundigte sie sich introvertierter als zuvor.

Ich schaute auf, wollte irgendeine Erklärung improvisieren, aber mein Blick blieb an ihrer Goldkette hängen, von dem ein strahlend weißer Anhänger baumelte. Elfriede hatte Notiz davon genommen. "Er ist von Oma...", erläuterte sie, "ich habe ihn nach dem Umzug in einer alten Schatulle gefunden."

"Elfenbein?" erkundigte ich mich mit weiten Augen.

"Ja, es ist Elfenbein. Eine verbotene Leidenschaft..."

"Gib ihn mir!" forderte ich. Elfriedes Gesichtsausdruck wurde ganz hart.

Der Abend hatte seinen azurblauen, mit Glitter behafteten Mantel ausgeworfen und kündete die sich rasch nähernde Nacht an. Ich lag rücklings im Bett und ließ den Elfenbeinanhänger zwischen meinen Fingern kreisen. Meine Schwester hatte mit feuchten Augen das Weite gesucht, als die Gier in meinen Augen zu groß geworden war. Augen... In jedem ein eigener Kosmos mit fremden Sternen. Augen, offen wenn wir wachen und geschlossen, wenn wir schlafen.

Es war Schwarz. Nacht ist nicht schwarz, Schlaf ist nicht Schwarz, Tod ist nicht schwarz, aber ich war in Schwärze gefangen. Ich war im festen Griff der Schwärze, doch war ich nicht allein. Das war etwas wie ein schwarzer Elefant über mir. Im Weltraum gibt es kein oben und unten. Diese neue Welt war ein schwarzer Elefant - wandelte ich auf seinem Bauch?

Das Stampfen der Elefantenbeine war hier der Herzschlag der Existenz. Meine kalkweißen Knochen wurden von ihnen zerstampft und erleuchteten wie Neujahrsraketen am Firmament. Der Knochenstaub rieselte nieder und setze sich wieder zu meinem Wesen zusammen. Äonen vergingen, in denen ich den Kreislauf des ewigen Leides nicht zu durchbrechen vermochte. Leben und Tod sind Bestandteile des wohlklingend chaotischen Wechselspiels.

Ich erinnere mich, dass Omas letzter Satz war, sie würde durch den weißen Tunnel gehen. Es war ihr Ausweg aus dem Leben... Hier hielt ich es aber keine Sekunde länger aus, wie auch? Jede Sekunde währte ein ganzes Leben. In dieser Unendlichkeit ist Zeit ein Zustand, der temporär sein kann. "Kann", nicht muss... Glücklicherweise kam mir in unendlicher Gefangenschaft die Idee, den schwarzen Tunnel ins Leben zu suchen. Es war der Rüssel des Elefanten, den es zu durchqueren galt.

"Wehren Sie sich bitte nicht," sagte der Arzt fast wohlwollend, was ich ihm aber so ganz nicht abnehmen konnte, als die Pfleger mir die Arme hinter den Rücken verbogen.

"Später bekommen Sie eine kleine, weiße Pille und etwas zu essen..."

"Brei!", lachte einer der Pfleger gehässig.



Bewertung: 4.5 / 5.0
Autor: Daniel Hadrovic (13.07.2020)

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