DRITTE WAHL - 3D

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VÖ: 18.09.2020
Bandinfo: DRITTE WAHL
Genre: Punk Rock
Label: Eigenproduktion
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Lineup  |  Trackliste  |  Credits

In Zeiten wie diesen, in denen Meinung via kenFM, unzensuriert.at und ähnlichen Grauslicheiten gebildet wird nimmt es mich Wunder, dass "besorgte Bürger" noch immer meinen, dass man "nichts mehr sagen darf". Alles an Widerlichkeiten darf mittlerweile gesagt werden, öffentlich und unter Polizeischutz. Regelmäßig sieht und hört man die demokratiefeindlichen Massen demonstrieren und muss feststellen, dass sich halt leider alles wiederholt. Dass vermeintlich intelligentes Volk sich plötzlich unter diesen Scharen wiederfindet, ist noch erschreckender.

Umso wichtiger sind dann Musiker wie die von DRITTE WAHL, die von Rostock aus seit nunmehr 32 Jahren die Fahne der Anständigkeit hochhalten. Album Nummer Elf nach dem Chartstürmer "10" bringt nichts massiv Neues. Dafür aber lieben wir diese Band, auch weil sie immer Kleinigkeiten in ihren Sound einbauen, die für ein kurzes "öha" sorgen. Punkrock mit Eiern und Hirn. 

Von der reinen Punkrocklehre hat man sich schon lange entfernt und wildert erfolgreich in vielem, was rockig oder gar metallisch ist. 50 Minuten lang mit Einsprengseln wie dem Jahrmarktssound bei "Ikarus", heftigere Sounds wie beim metallisch VOLBEATigen "Fabelhafte Voraussetzung", dem an OFFSPRING gemahnenden "Zur See" oder der Elektronik in "Elektro Merten. Musikalisch macht man hier schon mal gar nichts falsch. Immer schnoddrig-punkig in der Attitüde, etwas, was die HOSEN schon vor Jahrzehnten verloren haben, zeigt man, wer der Dauergewinner auf dem Deutschrock/Punkrock-Thron ist. Selbst die eher genretypischen Songs wie "Zusammen" sind dem BÖSE FREI:HOSEN-Triumvirat ewig weit voraus. Man merkt den Jungs an, dass sie zu 100 Prozent hinter dem stehen, was sie hier veröffentlichen.

Textlich ist man vorgenannten Bands ohnedies um Ewigkeiten voraus, introspektive Lyrik wechselt sich mit fröhlichen Mitmachtexten und betroffen machenden Songs wie "Brennt alles nieder" ab. Letzteres handelt von den Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen, bei denen ein Asylantenheim von Einheimischen tagelang attackiert wurde, während die Anwohner begeistert applaudiert haben. Jetzt im Jahre 2020 haben wir uns nicht weit von dem entfernt, was damals in Dunkeldeutschland passiert ist. Die offen auftretenden radikalen Rechten, die man wöchentlich in den Nachrichten völlig ohne Eingreifen der Staatsmacht toben sieht, erinnern sehr an die ganz frühen Neunziger. Und es hört nicht auf... Auch bei uns in Österreich taucht plötzlich ein Küssel wieder auf. 

 

Dazu möchte ich noch Gerhard Bronner zitieren: "Es gibt drei Dinge, die sich nicht vereinen lassen: Intelligenz, Anständigkeit und Nationalsozialismus. Man kann intelligent und Nazi sein. Dann ist man nicht anständig. Man kann anständig und Nazi sein. Dann ist man nicht intelligent. Und man kann anständig und intelligent sein. Dann ist man kein Nazi."

Ja, man darf Nazis als solche bezeichnen - zu lange haben die Anständigen vorsichtig agiert. Es wird Zeit, Flagge zu zeigen gegen dieses Pack. Und wenn man bei denen mitdemonstriert, dann toleriert man sie zumindest, was nicht weniger grauslich ist.

DRITTE WAHL rühren aber nicht nur in den Wunden der ewigen Faschisten, man sinniert übers Erwachsenwerden und den durch die gute Stube tobenden Nachwuchs. Musikalisch ist das Album erhaben, fett produziert, ohne den Rotz außen vor zu lassen.

DRITTE WAHL sind wohl im Deutschrock eine der wichtigsten Bands. Sie scheuen sich nicht, authentisch zu sein, setzen keine Masken auf und sind einfach da, wenn man sie braucht.

Und das ist wichtig...

 



Bewertung: 4.5 / 5.0
Autor: Christian Wiederwald (24.09.2020)

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