WYTCH HAZEL - III: Pentecost

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VÖ: 30.10.2020
Bandinfo: WYTCH HAZEL
Genre: Hard Rock
Label: Bad Omen Records
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Lineup  |  Trackliste

Das Gelaber um den christlichen Glauben von Hauptsongwriter, Gitarrist und Sänger Colin Hendra kann man getrost beiseite schieben: Klar kann man die Texte und Stimmungen auf dem neuen Album „III – Pentecoast“ auf christliche Referenzen und Aussagen hin analysieren – muss man aber nicht. Denn die Musik funktioniert auch so. Und zwar sowas von! Die ersten Kritiken überschlagen sich bereits vor Lob und wenn Corona nicht wäre, die Band aus dem englischen Lancaster also auf Tour und Festivals spielen könnte, wäre dies für WYTCH HAZEL wohl das Album, mit dem sie groß rauskommen und viele, sehr viele Fans hinzugewinnen.

„III – Pentecoast“ sticht schon allein deshalb funkelnd aus der Masse hervor, da das Album wie aus einem Guss ist. Jeder Song wirkt an der richtigen Stelle positioniert, um aus der Verbindung mit dem vorherigen und nachfolgenden Track mehr herauszuholen, mehr zu wirken, als es die Songs für sich allein gestellt tun würden. Man muss dem Album allerdings ein paar Durchläufe gönnen, erst dann offenbaren sich die Zusammenhänge zwischen den Songs, erst dann greifen die tendenziell progressiven Songstrukturen und machen immer mehr Spaß. Wobei die Musik von WYTCH HAZEL kein komplizierter Prog Rock ist. Eher eine Mischung aus Bands wie LED ZEPPLIN, WISHBONE ASH, BLUE ÖYSTER CULT, ASHBURY, frühen JETHRO TULL, GHOST, URIAH HEEP und THIN LIZZY. Also ein Mix aus Classic Rock, Rock der 70er und frühen 80er, Prog Rock, Folk Rock und Hard Rock.

Auffällig sind die Twin-Lead-Gitarren, die gleich beim Opener „He is the Fight“ von Beginn an in die Vollen gehen sowie das Organ von Colin Hendra. Mit seinem variantenreichen Gesang (mal energisch, mal erzählerisch, mal sehr melodisch, mal melodramatisch) schafft er es, ähnlich wie MAGNUM eine Stimmung wie beim Hörspiel zu erzeugen. So klingen selbst die Strophen nicht als bloße Hinführer zu den Refrains, sondern als ebenso wichtige Parts, wo es sich lohnt zu lauschen. Generell macht die Atmosphäre auf „III – Pentecoast“ viel aus. So strahlt nicht nur „I am Redeemed“ etwas Mystisches aus, wie man es zum Beispiel von GHOST kennt – wobei es dort ja eher um den Deibel geht und nicht um die Bibel oder Jesus. Aber egal. Nicht in Nebenthemen abschweifen jetzt. Auf die Musik kommt's ja letztlich an.

Ausfälle gibt’s keine. Es lohnt sich einfach, das Album am Stück zu hören und sich an den vielen starken Momenten zu erfreuen. So sind die ersten beiden Nummern starke Hinführungen zu den ersten beiden Höhepunkten „I am Redeemed“ und „Archangel“. Beide mit catchy-düsteren Vocals versehen. Beide mit toller, detailverliebter Gitarrenarbeit. Beide mit einem schönen Stimmungsbogen, der bei jedem Durchlauf an Größe gewinnt. Und bei beiden Nummern ist der Gesang wie ein Topping auf einem Eisbecher.

„Dry Bones“ erinnert mit seinen schweren Riffs und der düsteren Stimmung an BLACK SABBATH und gibt einen schönen Kontrast zum folgenden Instrumental „Sonata“, das mit ruhigen, melancholischen Streich-Instrumenten für Gänsehaut sorgt und stimmungsvoll die super starke zweite Hälfte des Albums einleitet. „I Will Not“ rockt vergleichsweise fröhlich-flockig bis zur Mitte des Songs, wo dann die Gitarren das Zepter übernehmen und für heiße Twin-Lead-Gitarren-Ekstase sorgen. Futter für die Luftgitarristen dieser Welt! Nach diesem rockigen Track kommt „Reap the Harvest“ mit einer Trauermelodie und Regen-Geplätscher wie eine Mahnung, dass man sich mal besinnen sollte und das Leben eine ernste Angelegenheit ist. Ja, hier geht’s um nix anderes als den Tod. Aber wie singt Hendra doch so ergreifend: „Death is comming, death is coming, I will not be afraid, I will not be afraid!“ Untermauert wird diese positive, mit schlussendlicher Vehemenz herausgerufene Message durch eine lebensbejahend-warme Gitarrenlead. Abgerundet durch ein ausklingendes Klavierspiel. Ganz groß.

Aber die Großartigkeit geht weiter: Bei „The Crown“ klingen die omnipräsenten Vocals etwas nach Cat Stevens und zoomen einen ratzfatz in eine andere Zeit, an einen anderen Ort. Sehr stimmungsvoll, mit viel Gefühl und Bedachtheit bei der Instrumentierung. Epischer geht’s kaum. Wunderbar aufgegriffen wird diese mystische Stimmung, die eine Kinovorstellung im Kopf ermöglicht, von dem finalen „Ancient of Days“, das von einer geheimnisvollen weiblichen Erzählstimme eingeleitet wird und sich dann gekonnt zum harmonischen Refrain steigert. Der gegen Ende von einer überraschend modern tönenden Gitarre veredelt wird. Ein runder Abschluss.

WYTCH HAZEL ist mit „III – Pentecoast“ ein sehr gutes und top produziertes Album gelungen, das den Namen Album wirklich verdient, weil es sich lohnt, es am Stück zu hören. Die Tracks mit ihren leicht progressiven Strukturen ergeben dann noch mehr Sinn. Die Gitarrenarbeit ist detailverliebt, mit viel Sinn für Timing, Gefühl und Atmosphäre. Und sie hat herausragende Twin-Lead-Harmonien, wie man sie bei THIN LIZZY liebte. Dazu kommt ein Sänger, der technisch einwandfrei die Töne trifft, aber vor allem das Talent hat, mit seinem Organ bestimmte Stimmungen zu erzeugen. Zusammen mit eingestreuten Raffinessen wie Streichern, Klavier, Hammondorgel oder auch mal einer weiblichen Erzählstimme ergibt das ein Album, an dem es eigentlich nix zu meckern gibt.

Selbst jene, die mit diesem ganzen Vintage Rock oder Retro Rock nichts anfangen können, sollten dieses Album anchecken. Denn obwohl WYTCH HAZEL auf ihrem dritten Album viele Einflüsse aus den 70ern und 80ern verarbeitet haben, klingt „III – Pentecoast“ zu keiner Sekunde angestaubt oder altbacken. Vielmehr ist das Album wohl das, was man den „heutigen State of the art in Sachen Classic Rock“ nennen muss. Aber hört's euch selbst an, es sind einfach geile Melodien und Songs. 



Bewertung: 5.0 / 5.0
Autor: Tobias (24.10.2020)

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