EISBRECHER - Schicksalsmelodien

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VÖ: 23.10.2020
Bandinfo: EISBRECHER
Genre: NDH (Neue Deutsche Härte)
Label: Sony Music Entertainment
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Lineup  |  Trackliste

Dass bekannte Bands Cover-Songs aufnehmen ist ein übliches Vorgehen. Oft wollen sie uns damit etwas über ihre Jugend und die Musik, die sie beeinflusste, mitteilen. Dann gibt es auch die Variante, dass Songs aufgenommen werden, die man cool findet und die man in den eigenen Sound kleiden will. Wenn man vor allem sehr bekannte Originale nachspielt, kann das mit dem eigenen Sound eine interessante Variante werden oder aber in etwas abgleiten, das peinlich ist und seltsam aufgesetzt klingt. Sehr oft entwickelt es sich zu einer Gratwanderung für die Band, Hits zu bearbeiten und nachzuspielen. Meist machen sich die Musiker daher oft nur über ein bis zwei Songs her, um sie in neuer Variante auf ein Album zu packen.

Nicht so EISBRECHER. Nachdem sie schon mit dem einen oder anderen Einzelsong positive Erfahrung gemacht haben, wie z.B. "Eisbär" von GRAUZONE, liefern sie uns nun ein volles Cover Album mit gleich 14 Coversongs, die teils sehr berühmte und bekannte Stücke sind. Als ich mich durch die Titel las, kam mir das Grinsen. Die Deutschen haben sich nämlich nicht irgendwelche Songs geschnappt und auch keine Songs aus dem englischen Sprachraum, sondern sie covern sehr bekannte deutsche Nummern aus der Neuen Deutschen Welle, die die 80er beherrschte, oder auch von deutschsprachigen Sängerinnen und Sängern, die englischsprachig sein können. Sogar Metal Nummern sind dann zu finden, wie von DORO und POWERWOLF. Mit der EISBRECHER Adaption Richtung NDH & Industrial & Programming wird jeder bekannten Nummer ein neuer Touch aus dem EISBRECHER Klangkosmos verliehen, der zu ihr passt.

Bei so manchem Klassiker der damaligen Zeit würde man nicht vermuten, dass er für eine Industrial Bearbeitung geeignet ist, aber EISBRECHER verstehen es, uns eines Besseren zu belehren. Alleine schon die Starternumer „Skandal im Sperrbezirk“ der SPIDER MURPHY GANG bringt ein Grinsen in mein Gesicht. Diese urbekannten Keyboardklänge am Start der Nummer kennt jeder, der Text vom Hofbräuhaus ist in fast jedem Gehirn verankert. Bei EISBRECHER wurde natürlich der Deutschpop Sound und vor allem der fröhliche Gesang mit einer düsteren Version überarbeitet, aber die Keyboards haben sie belassen und so klingt das Stück nun irgendwo zwischen lustig und intensiv. Ebenfalls genial die Adaption von „Anna“ vom minimalistischen TRIO. EISBRECHER verstehen es hier genial, die auf den Punkt gebrachte Musik und die Verse mit entsprechenden metallischen und NDH Klängen zu versehen, sodass der frische Anstrich den TRIO Hit umgehend in die neue Zeit katapultiert.

Ein für den Österreicher speziell ans Herz gewachsener Sänger ist auch vertreten. Von unserm heiß geliebten FALCO fand „Out Of The Dark“ den Weg aufs neue Album. Hier wird nicht so viel mit Elektro rumgebastelt, sondern die Originalversion mit härteren Gitarren intensiviert. Alexx dunklere Stimme erzeugt Gänsehaut-Stimmung und zieht einen fast hypnotisch in ihren Bann.

Neben diesen ersten Highlights haben auch noch andere, mir nicht so bekannte Songs, einen Platz auf dem Album. Die Bands sind natürlich keine Unbekannten. So hätten wir "Bitte, Bitte“ von DIE ÄRZTE, „Das steht ihr gut“ von RHEINGOLD, wo man den Deutschen Pop-Beat belassen hat, oder „Disco in Moskau“ von DIE TOTEN HOSEN. Der Erinnerungseffekt wird - zumindest bei meiner Person - intensiver bei „Eins, Zwei, Polizei“ von MO-DO und absoluter Aha-So-Geht-Es-Auch-Effekt kommt auf bei RIO REISERS „Menschenfresser“. Diesem Song wird ein ins Ohr gehender Beat verpasst, von dem man nicht mehr los kommt. Ebenso ergeht es dem „Goldenen Reiter“ von JOACHIM WITT, der mir mit seinem im Original belassenen Sound und Refrain auch sehr gut gefällt und somit erneut Erinnerungen an die damalige Zeit weckt. 

Unglaublich, aber wahr - sogar das Uralt-Stück „Flieger, grüß mir die Sonne“ von HANS ALBERS (Original aus 1932 !!) hat die Aufmerksamkeit von EISBRECHER gefunden und es klingt nicht schlecht, was sie daraus gemacht haben. Der harte Sound, die knackigen Beats sowie die wilden Riffs und Soli, die es natürlich nie im Original gegeben hat, haben durch diesen Wechsel zwischen harten und schönen-sanfteren Passagen einen neuen Song entstehen lassen, der nichts an Modernität oder Aktualität einbüßt. Natürlich ist die typische Textzeile „Piloten ist nichts verboten“ dabei, die vielen bekannt ist.

Der englischsprachige Song „All We Are“ von WARLOCK (da steckt DORO dahinter) oder der POWERWOLF Klassiker „Stossgebet“ sind Stücke, die aus der Metal-Ecke kommen und die bei der Industrial-Bearbeitung auch eine interessante Nuance zeigen. Das "Stossgebet" klingt in der EISBRECHER Variante fast härter als im Original. Es ist einen Hauch düsterer und der hinterlegte Basisbeat mit den Riffs ist knackiger als bei den Wölfen. WARLOCKs "All We Are" wirkt in der schnelleren Version von EISBRECHER modern und härter. Durch Keyboard und mit der Programming Bearbeitung sowie den männlichen Vocals erhalten wir eine zweite Version dieses Klassikers, der fast wie ein eigener neuer Song wirkt. Echt nicht schlecht.

Bei manchen Liedern glaubt man nicht, dass sie von anderen Bands begründet wurden. „Schwarzes Blut“ zum Beispiel, das von ASP stammt, könnte gut auch ein alter EISBRECHER Song in aufgefrischtem Gewand sein. Wobei hier natürlich die Ausgangslage aufgrund von ASP schon in die richtige Richtung geht.

Die letzte Nummer "Schicksal" ist ein Instrumentalstück, das nur dem Ausklang dient und einen die letzten Songs reminiszieren lässt. Fazit: ein lässig gewordenes Coveralbum, das man nicht erwartet hat, aber das man ab nun vermissen könnte. Vielleicht schon mal als Weihnachtsgeschenk für Freunde des harten Deutschrock einplanen.



Bewertung: 4.0 / 5.0
Autor: Lady Cat (28.10.2020)

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