AC/DC - Power Up

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VÖ: 13.11.2020
Bandinfo: AC/DC
Genre: Hard Rock
Label: Columbia Records
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Lineup  |  Trackliste

Wer hätte das gedacht? Quasi gestern noch zeigten AC/DC - für viele die Rockband schlechthin - massive Zersetzungserscheinungen. Bandgründer Malcolm Young verstirbt nach schwerer Krankheit, Cliff Williams will nach knapp vierzig Jahren in Rente, Brian Johnsons Gehör zerlegt sich und Phil Rudd hat mal wieder Ärger mit der Justiz...das Ende schien besiegelt und klopfte für so manchen Stänkerer schon lauthals an AC/DCs Proberaumtür. Und heute, nur ein Steinwurf vom fünfzigsten Bandgeburtstag entfernt, finden sich die Aussies wieder (fast) in ihrer über Jahre stabilen Besetzung zusammen und veröffentlichen ein neues Album.

Dass wir heute ein Album namens "Power Up" bestaunen dürfen, ist wohl die eigentliche Überraschung einer Band, die traditionell keine Überraschungen liefert. Und nachdem der (in den Ohren des Verfassers unterbewertete) Vorgänger "Rock Or Bust" zumindest für gespaltene Reaktionen sorgte und die etlichen Jahre im Geschäft auch an dieser Band nicht spurlos vorbei gingen, drängt sich die Frage nach dem "wohin" unweigerlich auf. Können es die alten Recken noch, oder ist es langsam Zeit den Ruhestand anzutreten? Um es mit James Bond zu beantworten, formulieren wir es mal so: AC/DC sterben lieber an einem anderen Tag! Veränderungen sind beschissen und was für andere Bands...im Hause AC/DC bleibt einfach alles gleich. Und das soll an dieser Stelle gleichermaßen als Lob, wie als Anerkennung des erhobenen Stinkefingers in Richtung des berüchtigten Zahns der Zeit gedeutet werden.

"Power Up" ist AC/DC in Reinkultur, es ist ein Album, das 1983, 1995, 2008 oder eben 2020 hätte erscheinen können. Es zeigt nicht mehr und nicht weniger als eine Kultband von Weltrang in Bestform. Die Riffs und Soli sind so unverkennbar wie eh und je - dass davon das ein oder andere schon mehrfach verwurstet worden zu sein scheint, dürfte nicht wirklich jemanden interessieren. Totale Überflieger und Experimente gibt es keine, d. h. kein zweites "Thunderstruck", kein "Stormy May Day" und auch keine Neuauflage von "Rock'n'Roll Dream". Dafür gibt es straighte Kost von durchgehend hoher Qualität. Zu den Hits zählen die Vorabsingle "Shot in the Dark", "Kick You When You're Down", "Witch's Spell" und natürlich "Demon Fire". Die Nummer ist fies, lässig und oldschool zugleich und hat alles, was man sich von AC/DC wünschen kann. Und auch der obligatorische Heiter-Rocker "Through the Mists of Time" holt zumindest mich mehr ab, als ihrerzeit "Anything Goes" oder "Rock The Blues Away".

Auch am Sound gibt's wieder so gut wie nichts auszusetzen. Die Drums und der Bass sind wunderbar druckvoll in der ersten Reihe arrangiert und stehen gleichberechtigt Seite an Seite mit der Young-Dynastie. Über die streitbare Personalie Phil Rudd darf man denken, was man will - aber ohne ihn und seinen stilprägenden AC/DC-Beat wäre es wohl einfach nicht dasselbe. Einzig Brian Johnson hätte man in der Produktion ein Quäntchen mehr Raum gönnen können. Verstecken muss man hier definitiv nichts, denn der Mützenmann hat auch mit 73 Jahren nichts an Sangeskraft eingebüßt.

Ich kann mich nur wiederholen: es ist erstaunlich, dass sich die alten Herren nach so turbulenten und aufzehrenden Jahren noch einmal so zusammenraufen und in erlauchter Runde versammeln konnten. Dass sie überdies den Anstand hatten, Axl Rose außen vor zu lassen, rundet die Sache zusätzlich ab. Von allen denkbaren Optionen, die Geschichte der Band fortzuschreiben, entschieden sich die gereiften Rocker für die einzig sinnvolle: noch einmal richtig Gas geben und der Welt zeigen, was Rock'n'Roll ist. "Black Ice" hätte AC/DCs letzte Platte sein können, "Rock Or Bust" wäre es fast geworden, "Power Up" könnte es womöglich werden. Aber nach dieser erneuten Zusammenkunft, an die man nicht mehr glauben wollte, und einem Album wie "Power Up"...da erwächst die Zuversicht, dass wir uns in wenigen Jahren noch einmal mit derselben Frage befassen könnten. Möge den Altmeistern auch weiterhin nicht der Saft ausgehen - "Power Up"!



Bewertung: 4.0 / 5.0
Autor: Lord Seriousface (15.11.2020)

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