IRON SAVIOR - Skycrest

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VÖ: 04.12.2020
Bandinfo: Iron Savior
Genre: Heavy Metal
Label: AFM Records
Lineup  |  Trackliste

Der neuen Scheibe von IRON SAVIOR kann man eigentlich nur mit viel Wohlwollen begegnen. Die Hambuger haben schließlich nie Schrott fabriziert, sondern ganz im Gegenteil immer guten bis sehr guten typisch deutschen Power Metal abgeliefert und waren, beziehungsweise sind, soetwas wie der kleine Bruder der erfolgreicheren GAMMA RAY – und das nicht nur wegen Mitgründer Kai Hansen, sondern vor allem stilistisch. „Skycrest“ erscheint zwei Jahre nach dem guten „Kill Or Get Killed“ und ist das elfte Album der Band.

Erschwert wurde die Produktion von „Skycrest“ durch die Corona-Krise und die Krebs-Erkrankung von Bassist Jan (der gottseidank mittlerweile wieder vollständig genesen ist). Bandkopf Piet Sielck dazu: „Auch Corona hatte natürlich Einfluss, naja, oder eben auch nicht. Während des Lockdowns hatte ich zwar sehr viel Zeit, aber kreativ rein gar nichts auf die Reihe bekommen. Es ist mir einfach nicht gelungen, in dieser bedrückenden Zeit tolle Texte und positive Songs zu schreiben. Ich wollte auch ganz bewusst nicht, dass diese drückende Corona-Stimmung auf das Album kommt. Wir wohnen nicht in Seattle und stimmen unsere Gitarren, daher passt Depression nicht zu uns. Ich musste mich dennoch stark motivieren und disziplinieren, aber dann „flutschte“ die Sache wieder, die Ideen und die Begeisterung kehrten zurück. Die positiven Energien habe ich deutlich mehr zugelassen als die negativen. So sind und bleiben IRON SAVIOR unterm Strich positiv und uplifting.“

Und ja, das Album ist tatsächlich positiv klingend geraten und braucht sich vor den anderen Alben der Bandhistorie nicht zu verstecken. So viel vorweg. Jetzt aber zu den einzelnen Songs. Nach einem kurzen, gelungenen Intro geht’s gleich los mit all den Trademarks der Hamburger: Klassischer Heavy Metal wechselt sich mit Power Metal ab, sich in den Vordergrund spielende Gitarren werden von melodiösen Refrains mit einigem Bombast abgelöst und unterstützt wird das Ganze von einem druckvoll-klaren Sound, sehr solider Rhythmus-Arbeit und einer Gesangsleistung auf Erstliga-Niveau. Allein die Texte hätten oder sollten sogar weniger klischeetriefend sein dürfen („(....) crest of the sky, spread your wings and fly, higher and higher, breathing fire (...)“. Denn der Refrain ist so für manch Metaler auch mit Wohlwollen nur schwer zu ertragen.

Das schnelle „Our Time Has Come“ hätte so auch von BLIND GUARDIAN stammen können, was die Qualität des Tracks nicht schmälert. „Hellbreaker“ hat ebenfalls Chöre, die an die Krefelder erinnern, jedoch ist der Song auf der anderen Seite recht groovy und rockig, was einen ganz guten Kontrast darstellt. Das Solo ist lang und überdurchschnittlich gut, insgesamt ganz okay, auch wenn der Name des Songs ausgelutscht ist. Das vorab veröffentlichte „Souleater“ kam bereits bei der Fangemeinde der Band sehr gut an und ja, das Teil ist auf jeden Fall einer der stärksten Songs auf dem Album. Guter Refrain, der aufgrund des „wohohoho“ im Kopf verfängt und gute Gitarren – was will man mehr?   

Ein weiteres Highlight ist „Welcome To The New World“, das sich wunderbar aufbaut, melodiös ist, dennoch krachende Gitarren hat und den nachdenklichen Texten (die in dieser dramatischen Zeile gipfeln: „Is this the nature of man, to make the same mistakes again and again?“) genügend Raum lässt. „There Can Be Only One“ baut sich zu einem typischen Doublebass-Stampfer auf mit ordentlichem Refrain. Auch hier sind die Gitarren auffällig: Wie überall auf dem Album blitzen sie mit ihrer Qualität hervor und heischen um Aufmerksamkeit, bekommen aber auch das nötige Rhythmus-Fundament. Genau dieses Fundament ballert wie eine wahre „wall of sound“ bei „Silver Bullet“ von Sekunde eins an über einen herein. Wenn das kein fetter Sound ist. Die Strophen, erneut ganz stark gesungen, bauen den Song schön zum hochmelodiösen Refrain mit reichlich Bombast auf, der schließlich in einen starken Soloteil übergeht, um kurz inne zu halten und dann nochmal gekonnt zum Refrain hinzugipfeln. Wie die Songs zuvor gibt’s also auch hier starke, wenn auch traditionelle Songwriting-Kunst.

Aus dem Rahmen fällt dann leider „Raise The Flag“, das zwar ein grundsympathisches Video bekommen hat, aber wie ein müder, klischeetriefender Abklatsch von JUDAS PRIEST klingt. Passt nicht so wirklich in die Abfolge der Songs auf diesem Album und so wäre es deutlich besser, wenn dieser Track nicht drauf wäre. Das Album ist ohnehin mit rund 56 Minuten etwas zu lang. Schnell weiter also zu „End Of The Rainbow“, das einen Happy-Metal-Refrain à la bonheur hat, aber irgendwie etwas allein gelassen dasteht. Und ganz ehrlich die Zeile „still on a journey, to the end of a rainbow“ geht wohl kaum kitschiger. [Es geht IMMER noch kitschiger - lg, der Kitschbeauftragte]

Die Ballade „Ease Your Pain“ wurde von Basser Jan eingesungen und hat aufgrund der sehr persönlichen Note zwar einen durchaus berührenden Touch, dennoch will die Nummer leider nicht vollends überzeugen. Beim finalen „Ode To The Brave“ packen IRON SAVIOR nochmal all ihre Stärken auf den Tisch: Knackige, meisterhaft gespielte Gitarren, mächtiger Sound, melodiös-bombastischer Refrain, konstant guter Gesang.

IRON SAVIOR haben auf „Skycrest“ wieder einmal viel richtig gemacht. Das Album klingt wie aus einem Guss, hat einen tollen Sound mit Gitarren, die immer wieder gekonnt die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, dazu gibt’s Melodien und Vocals, die mit jedem Durchlauf besser werden. Es gibt aber auch ein paar Dinge zu bemängeln: Zwei Songs weniger (nämlich die durchschnitliche Ballade „Ease Your Pain“ und die käsige Nummer „Raise Your Flag“) und das Album wäre deutlich leichter zu konsumieren. So ist es ein Batzen Musik von rund 56 Minuten Länge, der erstmal durchgehört und verarbeitet werden will, bevor man irgendwann (zumindest, wenn man als Hörer dran bleibt) bei weiteren Duchläufen irgendwann merkt, dass die Songs wachsen und wachsen und wachsen. Hier und da wirken die Texte leider wie beim Metal-Bingo, was aber vielleicht nicht jeden Hörer stören wird, zumal andererseits auch sehr starke Zeilen dargeboten werden.



Bewertung: 4.0 / 5.0
Autor: Tobias (04.12.2020)

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