ARCAEON - Cascadence

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VÖ: 12.02.2021
Bandinfo: ARCAEON
Genre: Metalcore
Label: Eigenproduktion
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Lineup  |  Trackliste

Es ist schon etwas Ungewöhnliches, wenn man bei der Recherche zu einer Review auf das Urban-Dictionary zurückgreifen muss. Denkt man zumindest. Dann setzt man sich weiter mit der Band auseinander und es fällt auf, das ist kein Versehen, kein Zufall, sondern absolut beabsichtigt. Ebenso bunt wie das Albumcover, ist auch die musikalische Palette von ARCAEON. Das Debütalbum welches ganze 12 Songs umfasst trägt den ungewöhnlichen Namen "Cascadence". Ich weiß zwar nicht wie verbreitet der Begriff in der Szene ist, aber es sei an dieser Stelle nochmal kurz erklärt, dass das Urban-Dictionary, also eine beispiellose unseriöse Quelle, diesen Begriff als eine Fusion der Worte "cascade", also Wasserfall, sowie "cadence", also eine Form von Akkord, beschreibt. Ein Wasserfall aus musikalischen Eindrücken also!? Das ist doch mal eine Ansage, die dessen würdig ist überprüft zu werden.  

Die Platte startet mit einem fast schon obligatorischen Intro, welches eigentlich nur aus Synthesizer-Klängen besteht und zum Ende hin das Riff andeutet, welches auch den folgenden Song "Origin of Dreams" einleitet. Die musikalische Umsetzung ist dabei sehr passend, da die synthetischen Geräusche wirklich ein wenig an die Vertonung einer Traumwelt erinnern könnten. Gerade die pianoähnlichen Töne erinnern fast an fallende Sternschnuppen unter denen man im Sommer einschläft, wie romantisch. "Origin of Dreams" startet ohne große Umschweife, denn der Einführung bedarf man ja kaum noch mehr, mit corigem Geschrei und öffnet sich auch durch den klaren Gesang zu einem absolut modernen Metal-Song. Vielleicht lässt sich der Stil ein wenig mit Architects vergleichen, obschon diese Parallele gern überschnell hergestellt wird. Das Stück bietet einen wirklich vielversprechenden Einstieg, da es etliche verschiedene Richtungen andeutet, in die sich die folgenden Songs entwickeln könnten.

So schließt auch "Ghost in the Machine" nahtlos daran an. Synthesizer bleiben weiterhin das absolute Grundgerüst der musikalischen Kaskade und bilden wieder gut das Thema des Tracks ab, was auch durch die verzerrte Stimme im Refrain, die den Geist in der Maschine symbolisiert, unterstützt wird. Der angesprochene Core-Einschlag erhält ebenso wieder Einzug, denn wie die Synthesizer, darf auch ein Breakdown seine Bühne bekommen, der aber zugegebenermaßen recht stereotyp bleibt. In "Replicant" scheint der Geist seine metallene Flasche dann jedoch verlassen zu haben, denn der Song startet direkt mit voller Aggressivität und vermittelt vor allem durch den Synthesizer eine fast unbehagliche Stimmung, fast als schrie man gegen die Computergeräusche an, die jeden Song auf dem Album begleiten. Ähnlich gruselig wie ein waschechter Deus ex machina, ist auch die biblisch akkurate Darstellung eines Engels, wie sie in "Ezekiel's Wheel" thematisiert wird, wobei der Song deutlich gemäßigter daherkommt, eben wie es sich für Engel gebührt.  Fast durchgängig klarer Gesang und wummernde Bassläufe zeichnen dieses Stück aus und schaffen einen Soundteppich, der sich doch von den Bisherigen abhebt. Ab der zweiten Hälfte des Songs kommt dann auch wieder gutturaler Gesang zum Einsatz, der allerdings schnell durch ein Gitarrensolo in Verbindung mit warmen Bassläufen abgelöst wird. Dieser Track ist wohl bisher der Individuellste und wer mit dem Gesang klarkommt, der recht speziell ist, wird hier auf jeden Fall seinen musikalischen Horizont erweitern können. 

Nachdem man sich also mit den Wesen des Himmels auseinandergesetzt hat, kommt nun der Himmel selbst dran. Ein wohliger Regenschauer, der (natürlich) vom Synthesizer begleitet wird, leitet den Song "Zenith I. The Reflection" ein. Der Spannungsbogen flacht durch die zweieinhalb Minuten etwas ab, gibt aber auch Zeit sich von dem klaren Gesang auf den folgenden zweiten Teil "Zenith II. Arcadia" vorzubereiten zu lassen. Es kommt fast schon wenig überraschend, ja, scheint fast wie eine logische Konsequenz, dass bei all den Synthesizerpassagen nun ein Song folgt, der sich mit Games auseinandersetzt. Im Übrigen plant ARCAEON auch ein Gameboy-Spiel zu diesen Song herauszubringen. Die Gesangsleistung ist wieder einmal hervorzuheben und auch sonst versprüht das Stück eine wirklich idyllische Atmosphäre. Es klingt fast wie eine Ode an alle fiktiven Spielwelten, in die man als Gamer so abtauchen kann und man merkt, dass es von Herzen kommt. 

Allerdings ist nach diesen doch recht fröhlichen Liedern nun wieder die Zeit für Lärm im guten Sinne. "Beyond the Spires Beneath the Canopy" schafft Platz für angedeutete Blast-Beats und ordentlich Geschrei, bevor auch dieses Stück ab der Mitte wieder etwas Tempo rausnimmt, diesmal aber zum Ende hin wieder anzieht, sodass sich ein schöner Spannungsbogen ergibt. "Heretic" beginnt erneut mit Videospielsounds, die diesmal aber schnell der Gitarre weichen, ab der Songmitte etwa aber fast an das Spiel Osu! erinnern. Im Zentrum steht dennoch vor allem ein super eingängiges Riff und natürlich der zwischen klarem und gutturalen wechselnde Gesang, der gerade zum Ende wieder überhandnimmt. 

Der Titelsong, also zumindest zur Hälfte Titelsong, "Cascade" startet mit einer akustischen Gitarre und schafft sogleich eine schöne Atmosphäre, die durch verzerrte Chöre noch unterstützt wird. Das Stück öffnet sich zwar im Verlaufe etwas und der klare Gesang wird kratziger und auch druckvoller, da man sich entschied ihn zu doppeln. Der Tenor des Stückes bleibt jedoch recht ähnlich, auch wenn mehr Synthesizer und auch die E-Gitarre, sowie das Schlagzeug dazukommen.

"Ode to Unknown" beginnt mit einer flächigen Gitarre und geschickten Bassläufen, bis der Track sich dann auch wieder bis zum gutturalen Gesang steigert. Hier haben wir wieder einen corigen Song, der härter ist als seine Vorgänger, ohne dabei jedoch das Thema der bisherigen Lieder ad acta zu führen. Man bekommt aber zum Ende der Platte hin nun eine Vorstellung davon, was mit "Cascadence" gemeint ist, denn die Songs sind immer etwas unterschiedlich, zwar stilistisch ähnlich, aber bedienen sich gerade was Synthesizer anbetrifft unendlicher verschiedenster Sounds. Es mag nicht immer wie ein Wasserfall über den Hörer/die Hörerin hereinpreschen, manchmal rieselt es auch nur ein wenig, doch grundsätzlich bleibt festzuhalten, dass die Stücke interessant bleiben, selbst wenn sie nicht immer den eigenen Geschmack treffen sollten. Allerdings ist es auch ein schmaler Grat von Originalität zur Unstimmigkeit. An der ein oder anderen Stelle sind die Synthesizer vielleicht auch etwas zu drüber, aber das wird mit Sicherheit intendiert sein. 

Mit "An Endless Sky" wird dieses alles in allem doch interessante Album abgeschlossen. Es ist fast ein wenig schwierig dem Ganzen ein Genre-Stempel aufdrücken zu wollen. Manchmal ist nicht ganz offensichtlich, welche Emotion der Song jetzt vermitteln möchte, es bleibt allerdings klar, dass den Ohren nahezu keine Ruhepause vergönnt ist, auch der angesprochene Track schließt sich mit seiner Originalität an diesen Aspekten an. Man wird auf jeden Fall beeindruckt hinterlassen und ein wenig für sich klarstellen müssen, ob man nun mit dem Sound d'accord geht oder es doch zu viel Beiwerk gibt, welches die eigentliche musikalische Erfahrung nivelliert. 



Bewertung: 4.0 / 5.0
Autor: Joel Feldkamp (08.02.2021)

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