TO KILL ACHILLES - Something To Remember Me By

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VÖ: 05.02.2021
Bandinfo: TO KILL ACHILLES
Genre: Alternative Rock
Label: Arising Empire
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Lineup  |  Trackliste

Wenn es um ein Thema wie Depression und Suizid geht, ist es immer schwierig die richtigen Worte zu finden, um den emotionalen Abgründen des menschlichen Daseins gerecht zu werden. Vielleicht ist es daher gar keine schlechte Idee die Dinge einfach direkt anzusprechen, ohne Fachbegriffe und psychologische Theoreme zu bemühen. Vielleicht braucht es die Kunst, die Musik als Sprachrohr, weil sie ehrlich ist und bewegt. Vielleicht muss man wie TO KILL ACHILLES selber erst durch die Flammen schreiten, um nachvollziehen zu können wie sich ein Mensch fühlt, der Depressionen hat.

Wie ist denn nun also, ein Album zu rezensieren, das mehr ist als Musik, denn hier schließt sich auch ein moralischer Appell ein, der die Melodie wirklich zur Kunst werden lässt. Wer bin ich also dieses Album zu bewerten? Trotzdem will ich euch natürlich vorstellen, wie sich die Platte "Something To Remember Me By", die seit dem 5.2. raus ist, anfühlt. Ehrlicherweise muss ich sagen, dass diese Scheibe absoluter Garant für Gänsehaut ist. Jeder der sich dieses Album während eines einsamen Spaziergangs anhört wird unweigerlich der Melancholie verfallen und eine emotionale Reise unternehmen, durch ein Jahr eines Menschen, welches so tief traurig ist, dass er sich am Ende das Leben nehmen wird. Dieser Protagonist setzt sich aus verschiedensten Erlebnissen und Charakteristika der Bandmitglieder selbst zusammen. Jeder Song steht dabei für einen Monat in diesem beispielhaften Jahr. 

Beginnen wir aber zunächst mit der musikalischen Einordnung des ersten Stücks "fourpercent". Denn der Begriff "Rock" trifft hier doch nur im allerweitesten Sinne zu, vielmehr erschallt hier zu Beginn ein absolut moderner Hardcore-Sound aus der Anlage, der noch aggressiver ist, als der Sound von Bands wie BEARTOOTH auf deren erstem Album. Das hintergründige Riff ist ebenso genial, wie die Dynamik des Songs selbst, der erst mal recht wenig mit Melancholie zu tun hat. Ein absolut gelungener Einstieg, der auch die HörerInnen abholt, die nur auf Konzertatmosphäre aus sind. Mit der Aggression bieten TO KILL ACHILLES zugleich auch eine Emotion an, die natürlich destruktiv sein kann, wenn man diese Aggression nach innen richtet verliert sie allerdings auch nicht an zerstörerischer Kraft. Textlich wird sich hier auch mit der Drogensucht auseinandergesetzt, die wohl viele Menschen schon in einen emotionalen Teufelskreis gestoßen hat. 

Der Stil des ersten Songs wird bei "in Vain" zwar weitergeführt, allerdings bleibt dieser Song zu Beginn etwas ruhiger, ohne dabei an Riffs und Atmosphäre zu sparen. Außerdem tritt hier zuerst auch ein kurzer Acapella-Part auf, dieses Stilmittel zieht sich wie ein Thema durch das Album und räumt gerade dem gesprochenen, hier eher geschrienen, Wort immer wieder genügend Raum ein sich in das Hirn der HörerInnen zu brennen. 

"Luna et altum" ist ein klassischer, ruhigerer Core-Track, der als Singleauskopplung auch soundtechnisch clever gewählt ist. Vor allem ist das Video zu diesem Lied ist zu empfehlen, da es die textliche Dimension des Albums wunderbar ausschmückt und erklärt. An sich ist es zwar ein recht typisches Musikvideo, allerdings ist der Untertitel für das Album nicht unerheblich. Der Gesang ist wie bei den vorherigen Songs durchweg guttural und gibt den stark aufgeladenen Worten einen passenden Nachdruck.

Zugegeben nimmt auch "Oh God, I've Never Felt This Low" den bisherigen Stil auf, ohne diesen großartig zu variieren. Doch wenn man sich Zeit mit diesem Album nimmt und auf das Wesentliche, den textlichen Inhalt, achtet so wird man sich doch nicht gelangweilt fühlen. Denn gerade die Passagen in denen die Musik völlig in den Hintergrund tritt holen so sehr ab, dass man sich dem nicht entziehen kann. Während es bisher um die eigene Gefühlswelt ging, ist dieser Song als eine Art der Selbstreflexion zu verstehen. Die Frage, warum man seinen Freunden nicht von den eigenen Gefühlen erzählt treibt den Protagonisten um und die Band macht sehr deutlich, dass es wichtig ist bei psychischen Problemen auf die Hilfe von Freunden und Familie zurückgreifen zu können.

Noch emotionaler wird es dann mit "Black Marble" der vor allem durch die letzten zwanzig Sekunden berührt. Der letzte Ausruf "something remains, this song!" zeigt, dass auch in unserer schnelllebigen Zeit, eines von uns zurück bleibt und zwar unsere Werke. Egal ob es dabei um Sport, zwischenmenschliche Beziehungen oder Kunst und Kultur geht, die Taten, die wir vollbringen werden immer präsent sein. In diesem Fall ist es eben das Album welches TO KILL ACHILLES geschaffen hat, das die Zeit überdauern wird und irgendwann findet vielleicht ein Menschlein diese Platte in den riesigen Datenbergen der Musik, wischt über die verstaubte Oberfläche und erkennt, dass diese Scheibe mit Herzblut gepresst wurde. 

Die folgenden zwei Stücke laufen geschmeidig ineinander über und sind sich musikalisch auch sehr nahe, im Grunde wirkt es wie ein Song, denn man vermutlich aus lyrischen Gründen in diese zwei Einheiten aufgeteilt hat. Mit "On My Mind" nimmt TO KILL ACHILLES wieder etwas mehr Tempo auf und die Musik tritt mehr in den Vordergrund, obschon der Stil sich alles in allem noch sehr treu bleibt. Die motionale Tiefe bleibt selbstredend bestehen und wird auch hier immer wieder durch Acapella-Parts unterstützt. 

"There's No Right Way To Say This..." zeichnet sich neben der raueren Gangart zum Ende, die man schon fast ein kleinen Breakdown nennen kann, auch durch die Pointe des Textes aus, der sich damit auseinandersetzt, dass man als Mensch im Zeitalter der sozialen Medien auf den Zuspruch von Leuten hofft, die einen eigentlich gar nicht kennen, während man den Rat der Freunde geringschätzt. Tatsächlich beackern TO KILL ACHILLES also nicht nur die generelle Gefühlswelt eines Menschen, der in Trauer versinkt, sondern auch verschiedene gesellschaftliche Phänomene die dazu beitragen. Dies führt dann auch über den Song "Venom", der deutlich aggressiver ist als die anderen Tracks, bis hin zu "We Only Exist When We Exist Together" der eben die Maxime herausstellt, dass Solidarität und Nächstenliebe die beste Medizin ist, die wir Menschen haben. Das Stück kommt dabei mit minimaler musikalischer Begleitung aus, um den Inhalt des Textes klar herauszustellen. Bei "21:36" sind dann auch wieder mehr Instrumente zu hören und man bekommt einen wirklich eingängigen Refrain geboten. Fast ein kleiner Hoffnungsschimmer auf diesem sonst eher ungewöhnlich schweren Album. 

"Beautiful Mourning" setzt wieder eine Zäsur und kommt erneut mit minimaler musikalischer Unterstützung aus, die aber natürlich ideal die Atmosphäre des Songs unterstreicht. Die Ähnlichkeit der Stücke ist, wie schon angesprochen, nahezu immer gegeben und sorgt zwar für eine berührende Grundstimmung, kann aber auch sehr eintönig werden. Dieses Album ist nichts für Leute, die eine musikalische Offenbarung erwarten, sondern für diejenigen, die sich Zeit nehmen wollen auf eine sehr düstere und melancholische Reise zu gehen. Die Kunst in Form von textlicher Expression der innersten Gefühle steht hier vielmehr im Vordergrund als die Musik, was es auch schwierig macht sich ein Live-Konzert von TO KILL ACHILLES vorzustellen. 

Der Titelsong "Something To Remember Me By" schließt dieses nachhallende Album ab. Man wird leise nach dem Hören des Albums zurückbleiben und einen Moment zum Nachdenken brauchen. TO KILL ACHILLES wissen tief zu berühren und die HörerInnen bei ihrem Menschsein und bei ihrer Melancholie abzuholen. Die Gruppe ist auf jeden Fall vielversprechend, allerdings auch keine leichte Kost. Musikalisch lässt sich großes Potential erkennen, dass aufgrund der kathartischen Wirkung noch etwas in den Hintergrund gerückt wird, aber in Zukunft wird man sicher mehr Songs wie "fourpercent" hören. 

 



Ohne Bewertung
Autor: Joel Feldkamp (09.02.2021)

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