KEYS OF ORTHANC - Of The Lineage Of Kings

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VÖ: 05.02.2021
Bandinfo: KEYS OF ORTHANC
Genre: Atmospheric Black Metal
Label: Naturmacht Productions
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Lineup  |  Trackliste  |  Credits

Schade. Da habe ich leider vergeblich gehofft, dass die Kanadier vielleicht auf ihrem vierten Studioalbum endlich ihren Weg gefunden haben. Denn ambitionierte Hingabe zu ihrem Schaffen konnte man dem Duo aus Quebec bereits auf ihrem Debüt durchaus bescheinigen. KEYS OF ORTHANC schippern seit ihrer Gründung im Jahr 2018 in den Gewässern des Atmosphärischen Tolkien Black Metal, der von SUMMONING und (noch wesentlich mehr) CALADAN BROOD beeinflusst ist. Dabei muss man die musikalische Entwicklung der Band durchaus als unkonventionell und alles andere als gradlinig bezeichnen.

Der Erstling "Dush agh Golnauk" war äußerst roh und ungestüm, dafür aber extrem eigenständig und hatte mit "The White Wizard" einen richtig guten Song an Bord. Beim Zweitwerk legten KEYS OF ORTHANC entgegen aller gängigen, typischen musikalischen (Weiter)Entwicklungen den Rückwärtsgang ein und gaben für "A Battle In The Dark Lands Of The Eye…" ein ordentliches Stück Eigenständigkeit auf, zugunsten einer unüberhörbaren Annährung an frühe SUMMONING ("Minas Morgul") gemischt mit CALADAN BROOD Versatzstücken. 2020 schließlich überraschte man die Hörerschaft mit einem kompletten Ambient-Album ("Unfinished Conquests"), mit dem die Kanadier trotz des fehlenden Gitarrensounds ihren großen Vorbildern noch näherkamen und ihre bislang beste Veröffentlichung präsentierten.

Und nun also "Of The Lineage Of Kings". Das wunderbare Cover ließ mich vorab schon mal in freudige Begeisterung ausbrechen, leider zum ersten und letzten Mal bei der Beschäftigung mit der aktuellen Langrille. Diese enthält acht Stücke, davon drei Ambient-Tracks. Beim Hören der Scheibe hat man das Gefühl, als hätten KEYS OF ORTHANC alle Zutaten der ersten drei Alben in einen großen Kessel gekippt, und dazu noch von allem möglichen anderen mehr viel zu viel beigemischt, um die Suppe schlussendlich auf viel zu großer Flamme verkochen zu lassen.

Das fünfminütige Intro mündet direkt in den ersten richtigen Song, "Shards Of Narsil". Ein ziemlich schräger Song, einer soundmäßig wilden Mischung aus den ersten beiden Alben, frappierend an CALADAN BROOD erinnernden Shouts und einer großen Portion BAL SAGOTH Battle-Magic-Zirkus, ohne deren kompositorische Klasse oder die großartigen Melodien zu erreichen. Es gibt keine wirklich erkennbare Hookline, das Ganze klingt eher wie ein großes Chaos aus "zu viel gewollt und dann doch nicht gekonnt". "Her Mighty Heart" knüpft hier nahtlos an (im negativen Sinne), und da kann dann leider auch Gastsängerin Sarah Kitteringham der kanadischen Landsleute SMOULDER nichts mehr retten, auch wenn ihre Parts das Beste am gesamten Stück darstellen.

Auch die folgenden Tracks wirken wirr und uninspiriert, so als wüssten KEYS OF ORTHANC zwar in etwa, wo sie hinwollen, allerdings sind sie nicht in der Lage, diese Vorstellungen auch musikalisch umzusetzen. Und hatte ich vorhin noch den letztjährigen Ausflug in reine Ambient-Gefilde gelobt, so ist der Song "I've Seen The Dragons Fly" ein gigantischer Rückschritt in Sachen Qualität. Der Gesang ist ok, doch der darunter wabernde Sound klingt, als wäre er auf dem Soundchip eines AMIGA programmiert worden. Das war nix!

Der größte Fehler und leider auch der Genickbruch für die neue Scheibe kommt in Gestalt des Albumclosers daher. War es Größenwahn oder vielleicht doch nur die Liebe der Band zum Original? Egal, denn was auch immer die Gründe gewesen sein mögen, mit "Book Of The Fallen" eines der besten Stücke des (bislang leider!) One-Album-Wonders CALADAN BROOD zu covern - wenn man sich solch eine Jacke anzieht, sollte man schon in der Lage sein, sie auch tragen zu können! Leider trifft das auf die Version von KEYS OF ORTHANC in keiner Weise zu. Zum einen verhindert der dünne, kraftlose Sound, an dem im Übrigen das komplette Album krankt, dass die epische Urgewalt des Originals auch nur entfernt eingefangen werden kann. Zum anderen lebt eine Coverversion davon, dass die covernde Band den betreffenden Song zu dem ihren macht, um ihrer Version neue Aspekte und Facetten zu verleihen. KEYS OF ORTHANC jedoch bleiben viel zu dicht am Original, und (auch wenn die Chöre recht gelungen sind, was aber letztlich der grandiosen Vorlage zu verdanken ist) so verursacht das Cover leider nur, daß man unglaubliche Lust auf den echten Track von CALADAN BROOD bekommt. Dadurch endete dann auch zumindest bei mir bislang jeder Durchlauf von "Of The Lineage Of Kings" vorzeitig mit einem Skip, denn warum soll ich 15 Minuten lang eine schlechte Variante eines Songs anhören, wenn ich mit nur ein paar Klicks Zugriff auf das kongeniale Original habe?

 

Fazit:

 

Ja, ich beurteile Mitbewerber aus dem SUMMONING/CALADAN BROOD Umfeld immer besonders kritisch, schließlich handelt es sich bei den beiden Genre-Platzhirschen um absolute Lieblingsbands von mir. Aber das bedeutet nicht automatisch, dass Bands, die sich im selben musikalisch-lyrischen Kosmos bewegen, schlecht sind. Im Gegenteil, Acts wie SOJOURNER, EMYN MUIL oder ELDAMAR beweisen, daß man den großen Vorbildern ebenbürtig sein und trotzdem eine eigene musikalische Identität besitzen kann. Leider sind KEYS OF ORTHANC mit ihrer neuen Scheibe von diesen Sphären meilenweit entfernt. Die Band hat sich mit der aktuellen Veröffentlichung im Allgemeinen und mit der verkackten Coverversion im Speziellen doch sichtlich übernommen und vielleicht auch etwas die eigenen, vor allem kompositorischen und arrangementtechnischen, Fähigkeiten überschätzt. "Of The Lineage Of Kings" ist kein Müll (sonst hätte ich hier einen entsprechenden Verriss hingelegt), aber eben auch alles andere als gut. Vielleicht klappts ja beim nächsten Versuch, wenn man erst mal etwas kleinere Brötchen backt?

 



Bewertung: 2.0 / 5.0
Autor: Ernst Lustig (10.02.2021)

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