NOKTI - Cockschmerzen

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VÖ: 14.01.2021
Bandinfo: NOKTI
Genre: Art Rock
Label: HauRuck!
Hören & Kaufen: Amazon
Lineup  |  Trackliste

"Sehr geehrte Frau Rektorin, mein Sohn Emil Meier konnte am 8.03.2021 nicht den Unterricht besuchen, weil er Cockschmerzen hatte. Mit freundlichen Grüßen Mareike Meier."

Wer wird denn gleich wegen einem einzigen Fehltag ein ärztliches Attest einholen, wenn die Mutter unkompliziert das Fernbleiben ihres Sohnes entschuldigen kann? Womit haben aber Eheleute heute zu kämpfen?

"Schatz, willst du nicht etwas näher rücken...?"

"Ah, Britta... Lass mal. Ich habe seit heute Mittag Cockschmerzen..."

TING-TING-TING-TING!

Oh, die Mittagsapause ist vorbei - Ich muss an meinem Standup Programm heute Abend weiterfeilen. Zurück ins stickige Stormbringer-Büro und gucken, was der Briefkasten hergibt... Na klar! NOKTI mit ihrem neuen Album "Cockschmerzen"! Merkwürdig... Letztens hatte ich auch schon so etwas Seltsames vom Chef zugeteilt bekommen. Nur die beliebtesten und angesehendsten Redakteure erhalten ständig Aufträge mit dubiosen CD-Namen... Oder so ähnlich...

NOKTI also aus Zagreb. Wer setzt 50€, dass der Bandname "Nächte" bedeutet? KATSCHING! Wieder ein paar Kröten in meine Tasche gewandert. Da liegt Ihr nämlich falsch, denn es bedeutet "Finger-/Zehnägel" (Einzahl: "Nokat") Dass das Scheibchen "Biss" hat, wollen wir uns in Anbetracht des Albumtitels nicht wünschen, aber mal schauen, ob die Kroaten das rechte Fingerspitzengef-... äh... Kommen wir lieber gleich zu den Songs.

Mit einer Laufzeit von 87 Sekunden hat es der erste Song "Pijan od krvi" (Betrunken von Blut) schwer, im Gedächtnis zu bleiben, gerade weil er sich (ein)gängiger musikalischer Strukturen größtenteils entzieht. Mit seinen Noise-Elementen und seinem mechanisch anmutenden Cluster wirkt er wie ein Relikt aus den musikalischen Industrial-Jahren. Positive Überraschung zu Beginn.

Die einleitenden Töne von "Delta kvadrant" (Delta Quadrant) erschaffen einen angenehmen Landeflug aus den Höhen des sperrigeren Vorgängers zum Saxophon-getragenen, psychedelischen Sound. Mithilfe der nervösen Hauptinstrumente, entfaltet sich eine Jazz-Note. Song Nummer zwei erreicht sogar fast eine Laufzeit von zwei Minuten und ist wohl als eigenwillige STAR TREK Hommage zu verstehen.

"Zlatna beba"(Goldenes Baby) nimmt rasant Fahrt auf und lässt Erinnerungen an die rohen Punk-Sounds aufmüpfiger Musiker des ehemaligen Jugoslawien zu. Mit einem in einer Blechbüchse zentrierten Wortschwall, der von schallendem Refrain umkreist wird, knackt dieser Song die Zwei-Minuten-Grenze!

"Igrice" bedeutet "Spielchen", wird aber auch für "Videospiele" verwendet, und ist eigentlich nur ein 58sekündiger Lückenfüller. Minimalste Trap-Einflüsse sind ausfindig zu machen, wenn man ganz genau hinhört.

Mit "Gestatten Sie" demonstrieren die Kroaten nicht nur ihre Deutschkenntnisse, sondern auch ihre Fähigkeiten, dichte Atmosphäre mit griffigem Flow für einen richtigen Ohrwurm zu kombinieren. "Gestatten Sie" ist ein ergreifend wehleidiges Lied mit erneuter Saxophonunterstützung durch Session-Musiker Ivan Krajačić. Sänger Dario Orač treibt seine Stimme in Gänsehaut erzeugende Sphären, die in der Lage sind, auch weniger kunstaffinen Musikfreunden Gänsehaut zu erzeugen. Ihr wollt das Highlight von "Cockschmerzen"? Hier ist es!

"Picina voda" ist der Name einer Quelle, der man heilende Wirkung nachsagt, und erinnert stark an LIMP BIZKITs "Everything", welcher ironischerweise mit einer Länge von 16:26 Minuten länger ausfällt als NOKTIs gesamtes (Mini)-Album.

NOKTI schmettern mit "Cockschmerzen" ein seltsames Album dem Zuhörer entgegen und erfüllen somit vermutlich schon einen Teil ihrer eigenen Ansprüche an sich als Art Rock Band. Mit Einflüssen aus verschiedenen Subgenres schicken sie ihre Umwelt auf eine im wahrsten Sinne des Wortes kurzweilige Zeitreise. Den Exoten-Bonus nehmen sie auch noch mit; wenn Ihr also nach etwas Abwechslung mit Anspruch sucht, solltet Ihr den Männern aus Zagreb unbedingt ein Ohr leihen.

(Abseits der Party-Szene ereignet sich...)



Bewertung: 3.5 / 5.0
Autor: Daniel Hadrovic (13.03.2021)

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