LUNAR SHADOW - Wish To Leave

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VÖ: 19.03.2021
Bandinfo: LUNAR SHADOW
Genre: Heavy Metal
Label: Cruz del Sur Music
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Lineup  |  Trackliste

Es klingt sicherlich anders und ich nehme an, dass das vielen Leuten nicht gefallen wird. Ich freue mich auf die Veröffentlichung; eine kleine Kontroverse in schwierigen Zeiten könnte genau das sein, was wir gerade brauchen.

Sprächen wir hier nicht über LUNAR SHADOW, die bislang stets selbstbewusst mit ihren Fähigkeiten und ihrem Schaffen umgingen, könnte man diesen Teil eines Statements fast schon als vorausgeschickte Entschuldigung für einen nahenden Stilwandel verstehen, doch da wir hier nunmal über LUNAR SHADOW und deren neues Werk "Wish To Leave", dessen Affinität für den Post-Punk u.A. mit genau diesen Worten angekündigt wurde, sprechen, ist davon auszugehen, dass Lead-Gitarrist und Songwriter Max "Savage" Birbaum gleichermaßen Anhänger der Band und Medien ein wenig kitzeln wollte - und damit nicht gerade geringen Erfolg hatte. Gesprächsthema war und ist man also schon, doch da Berichte von geteilten Lager ohnehin keine Neuigkeit mehr wert sein dürften, besteht natürlich die berechtigte Fragestellung, ob "Wish To Leave" schließlich ein lohnenswertes Album ist. 

Fangen wir erstmal woanders an: Das prominenteste Beispiel für ein ähnliches Experiment hin zum Post-Punk dürften zuletzt SECRETS OF THE MOON mit "Black House" veröffentlicht haben und ich bin geneigt zu behaupten, dass dieses sich sukzessive meine Gunst erspielen konnte, weil es sich trotz des endgültigen Bruches mit dem Black Metal richtig anfühlte, richtig anfühlt und wohl auch weiterhin richtig anfühlen wird, darüber hinaus aber auch einfach sehr vieles richtig macht. Manchen mag die aktuelle Tendenz gen Post-Punk missfallen, doch speziell bei LUNAR SHADOW und auf "Wish To Leave" erlebt man eigentlich keine Zäsur mit dem Vergangenen, sondern eine durch und durch logische Entwicklung auf einer Basis, die die Vorgänger "Far From Light" und "The Smokeless Fires" bilden.

Vieles, darunter natürlich die herausragende Gitarrenarbeit ("And Silence Screamed", Ausrufezeichen) erscheint einem sehr vertraut, aber eben noch kultivierter. Wenn ich also einerseits gestehe, dass ich mich für die beiden Wegbereiter nie vollständig erwärmen konnte, obschon das Potenzial zweifelsohne gegeben war, muss ich andererseits feststellen, dass "Wish To Leave" mich begeistert, dass es sämtliche Rezeptoren ansteuert. Für mein subjektives Empfinden liegt hier keine simple Verbesserung vor, sondern die Erfüllung eines Versprechens, das auf dem Debütalbum seinen Anfang sah. Die emotionale Komponente ist dabei so greifbar, natürlich und fesselnd, dass mir vermeintlich irrationale Gedanken à la: „Das wird mindestens zu meiner Top 5 des Jahres zählen“ in den Kopf schnellen, obwohl es erst März ist und ich mir längst angewöhnt habe, zumindest einen Tick rationaler zu bleiben und derartige Urteile nicht zu vorschnell zu fällen. Ich könnte hier zig Höhepunkt nennen und allein der Gedanke daran würde mir Gänsehaut bescheren, aber dieser eine, besondere Funke sprang unzweifelhaft während dem bluesig-gefühlvollen Solo von "To Dusk And I Love You" über und entfachte die Lohe, deren greller Schein es mir letztlich ermöglicht hat, in das gesamte Kunstwerk zu finden.

Hinter all dem betörenden Dunst fragt man sich nicht mehr, welchem Genre diese oder jene Passage angehört, sondern genießt, ist dankbar dafür, dass dieses musikalische Gemälde der Öffentlichkeit übergeben wurde. Grenzen? Geschichte. Längere Stücke wie "Serpents Die" und "The Darkness Between The Stars" sind kurzweilig, ziehen aber nicht rasch vorbei, sondern hinterlassen diesen Reiz, auf Repeat drücken zu wollen. Weil das Songwriting, die Symbiose der einzelnen Instrumente einfach so unschlagbar gut ist und dabei stets von einer warmen, sanften Melancholie begleitet wird ("I Will Lose You" ist diesbezüglich womöglich Robert Röttigs bis dato beste Gesangsleistung). Die Gelassenheit erinnert nicht selten an HÄLLAS ("Delomelanicon" manifestierte den Vergleich), die sich ebenfalls nichts aus Limitationen machen und den Geist der vergangenen Tage authentisch und dennoch frisch interpretieren. Genauso wie die Schweden behalten sich aber auch LUNAR SHADOW trotz der sich aufdrängenden Referenzen ihren eigenen Charakter bei und fügen Post-Punk und Wave ihre ganz eigene Perspektive hinzu.

Ob "Wish To Leave" schließlich ein lohnenswertes Album ist? Und wie. LUNAR SHADOW schöpfen ihr Potenzial aus und die Häufigkeit, mit der "Wish To Leave" bisher in unterschiedlichsten Situationen rotierte, sagt alles darüber aus, wie sehr ich dieses Werk bereits jetzt schon liebe. Dennoch bin ich der Überzeugung, dass das eigentliche Meisterwerk noch nicht geschrieben wurde und Birbaum und Co. eine noch glanzvollere Zukunft bevorsteht. Viel besser kann man 36 Minuten und 7 Sekunden seiner Lebenszeit aber trotzdem nicht investieren, weswegen man das übliche Genörgel von den üblichen Ewiggestrigen gekonnt übergehen und sich umgehend selbst von der Pracht dieses Albums überzeugen sollte. Ansonsten verpasst man etwas.



Bewertung: 4.5 / 5.0
Autor: Pascal Staub (17.03.2021)

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