ESCAPE THE FATE - Chemical Warfare

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VÖ: 16.04.2021
Bandinfo: ESCAPE THE FATE
Genre: Alternative Metal
Label: Better Noise Records
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Lineup  |  Trackliste

ESCAPE THE FATE sind eine jener Bands, die auf Youtube (vorrangig durch ihre Fanbase in den USA) für Vorab-Single-Auskopplungen ("Invincible", "Not My Problem") schnell mal Klick-Zahlen von 1,5 Millionen erhalten (das erfolgreichste Video von ESCAPE THE FATE, "Situations", wurde mittlerweile über 64 Millionen Mal angesehen), hierzulande aber doch eher unter dem Radar laufen. 

Das 2004 in Las Vegas gegründete Quartett hat ähnlich wie eine ganze Reihe von Bands aus dieser Zeit (BLESSTHEFALL, ASKING ALEXANDRIA, FALLING IN REVERSE, WE CAME AS ROMANS, SLEEPING WITH SIRENS) von Mitte der 2000er bis heute eine erhebliche Entwicklung durchgemacht, die beileibe nicht allen Fans der ersten Stunde gefallen hat.

Waren das Debüt "Dying Is Your Latest Fashion" (2006) und der Nachfolger "This War Is Ours" (2008) noch klassischer Post Hardcore mit Pop Punk Anleihen, so enthielt das selbstbetitelte Drittwerk (2010) bereits eine ordentliche Metalcore Schlagseite. Diese Entwicklung wurde konsequent fortgesetzt und gipfelte schließlich 2013 mit "Ungrateful" in der bis heute härtesten ESCAPE THE FATE Scheibe, wobei es den Nevada-Boys gleichzeitig gelang, den Eingängigkeitsfaktor der meisten Tracks, verglichen mit der bisherigen Diskografie, um ein Vielfaches zu steigern.

Perfektioniert wurde dieser Sound 2015 auf dem für mich nach wie vor besten Album "Hate Me". Der sechste Longplayer ist in jeder Hinsicht rund und enthält nur großartige Songs. "Just A Memory", "Live For Today", "Remember Every Scar", "Breaking Me Down", "Hate Me", "I Won't Break" oder "Let Me Be" sind allesamt Hymnen für die Ewigkeit. Auf der letzten Scheibe schließlich, dem 2018 veröffentlichten Album "I Am Human", hatte man den Eindruck, als würden ESCAPE THE FATE ein Art Werkschau auf ihr bisheriges Schaffen vollziehen. So finden sich hier frühe Post Hardcore Elemente neben Metalcore, während gleichzeitig noch weiter an der Eingängigkeitsschraube gedreht wurde und die Band stilistisch auch in die Bereiche von Alternative Rock und Modern Metal vordrang.

Und nun steht das neue Album "Chemical Warfare" in den Startlöchern und markiert laut Sänger Craig Mabbitt "einen Bruch mit der Vergangenheit und einen mutigen Schritt in die Zukunft von ESCAPE THE FATE".

Mittlerweile gibt es das ein oder andere (englischsprachige) Review im Netz, das "Chemical Warfare" massiv kritisiert, dabei aber die typischen und klassischen Totschlagargumente (oder eher Vorurteile?) anführt, wie "nur noch auf den Mainstream zugeschnitten", "viel zu soft" oder "oberflächlich und seelenlos". Mit einer Spur Sarkasmus würde ich jetzt mal entgegnen, dass zumindest das Cover für mich nicht wirklich auf den Mainstream zugeschnitten ist! So weit so gut...

"Chemical Warfare" ist zuerst einmal absolut konsequent. ESCAPE THE FATE gehen unbeirrt ihren Weg weiter. Heißt im Klartext: noch weniger Post Hard- und Metalcore, dafür noch mehr Alternative Rock und Metal. Maximale Eingängigkeit und ungerührtes Kokettieren mit poppigen Klängen. Aber nichtsdestotrotz immer wieder dezente Verweise auf die eigenen musikalischen Wurzeln. Und wer, wie ich, gerne mal auf irgendwelche Genrekonventionen scheißt und einfach mordsmäßig Spaß mit cooler Mucke haben will, den erwartet auf "Chemical Warfare" vor allem eins: Hits! Hits! Hits!

Bereits der Opener "Lightning Strike" geht ab wie Schmidts Katze und bläst direkt den ersten Chorus zum Niederknien aus den Boxen. Weiter geht es mit "Invincible". Der Track ist neben dem nächsten Götter-Refrain vor allem deswegen bemerkenswert, dass sich Star-Violinistin Lindsey Stirling hier ein Stelldichein gibt und den Song mit ihrem Spiel zu etwas Besonderem auf dem Album macht.

Und auch das dritte Stück, "Unbreakable", hat 200%iges Ohrwurmpotential, ein absoluter Hit, wie er da drei Minuten lang in fröhlich poprockigem Midtempo aus den Lautsprechern groovt. Es folgt der Titeltrack und damit Knaller Nummer Vier! In "Chemical Warfare" dürfen die Gitarren wieder mehr in den Vordergrund rücken und der eingängigen Melodie den nötigen Druck verleihen.

"Erase You" ist eine cheesy Ballade - nett aber (zumindest musikalisch) nicht besonders ergreifend, und somit durchaus ein Schwachpunkt auf der bislang hochkarätigen Scheibe. Aber dieser kurze Durchhänger wird direkt wieder kompensiert. "Not My Problem" (mit der Unterstützung vom BLINK-182 Drummer Travis Barker) und der Chorus-Knaller "Burn The Bridges" (mit einer ordentlichen Portion Metalcore) gehen hittechnisch wieder in die Vollen und hinterlassen bereits nach dem ersten Hören ihre (bleibenden) Spuren.

"Demons" fällt danach trotz seiner Eingängigkeit etwas ab, allerdings ziehen ESCAPE THE FATE mit "Hand Grenade" und seiner punkigen Attitüde die Qualitätskurve sofort wieder oben. "Ashes (Broken World)" hält, etwas ruhiger daherkommend, das Niveau, und Gleiches gilt auch für "My Gravity".

Der Album-Closer "Walk On" beginnt zurückhaltend und balladesk, steigert sich aber im weiteren Verlauf zu einem packenden Midtempo-Rocker, der absolut das Zeug zur nächsten Single hat.

 

Fazit:

Für notorische Das-erste-Album-ist-immer-das-Beste-Nörgler und Mainstream-Hasser ist "Chemical Warfare" definitiv nix. Für den Teil der Hörerschaft, der mit Post Hardcore, Metalcore und Modern/Alternative Metal/Rock etwas anfangen kann, nicht in festgefahrenen Genreschienen feststeckt sowie Weiterentwicklung gegenüber aufgeschlossen ist, und wer auf großartige Melodien, mitreißende Grooves und Singalong-Refrains steht, wird mit dem neuen ESCAPE THE FATE Album sicher glücklich werden. Ich lasse die Scheibe jetzt jedenfalls gleich noch mal drehen.

 

 



Bewertung: 4.0 / 5.0
Autor: Ernst Lustig (15.04.2021)

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