Dream Theater - Systematic Chaos

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VÖ: 01.06.2007
Bandinfo: DREAM THEATER
Genre: Progressive Metal
Label: Roadrunner Records
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Lineup  |  Trackliste  |  Credits

Der Glanz der Freudentränen in meinen Augen versiegt langsam, allmählich sehe ich wieder klar. Seit knapp drei Wochen gebe ich mir nun bereits das DREAM THEATER´sche Halluzinogen. Intravenös, ohne Rücksicht auf Verluste. "Octavarium" war genial, wenngleich es vermutlich das poppigste Album war, das die Prog-Könige je geschrieben haben, und vermutlich auch jemals schreiben werden. Zeit also für das Gegenmittel: "Systematic Chaos". Ein Name, ein Programm.

In knapp 80 Minuten passiert auf "Systematic Chaos" mehr, als bei den meisten anderen Bands während deren ganzen Karriere. Zentrales Kernelement der Platte ist das zweigeteilte "In The Presence Of Enemies". Alleine während der ersten fünf (instrumentalen) Minuten spannen die New Yorker einen Bogen, der bei "Awake" seinen Anfang nimmt, die Theatralik von "Scenes From A Memory" aufgreift und schlussendlich beim Breitwandsound von "Octavarium" endet. Mit "Forsaken" gibt´s anschliessend den ersten Ohrwurm. Sicher nicht der innovativste Song, den DREAM THEATER je geschrieben haben, doch der Refrain ist einfach grossartig. Live dürfte dieser Song ein echter Höhepunkt werden. Bis jetzt gab´s noch keine allzugrossen Überraschungen auf "Systematic Chaos" - aber jetzt geht´s erst richtig los. Das Riff zu "Constant Motion" läutet die deutlich heftigere Phase des Albums ein. Hier blitzen Portnoy´s Vorlieben für METALLICA ganz deutlich durch. Und weil´s so viel Spaß macht, greift der Drummer gleich mal für ein paar thrashige Shouts selbst zum Mikro. Im Mittelteil knallen uns die Amis dann musikgewordenen Wahnsinn um die Ohren, der selbst das bislang härteste Album ("Train Of Thought") blass aussehen lässt. Haben DREAM THEATER damit ihre ultimative Härtegrenze erreicht? Mitnichten, da geht noch mehr! Es folgt mit "The Dark Eternal Night" quasi der Titelsong des Albums. Auch hier haben wir wieder eine Portnoy/LaBrie Doppelfonference, die beinahe schon Beauty/Beast Ausmasse annimmt. Schneller, höher, weiter sind Schlagworte, die die Band im abgefahrenen Mittelteil nur ein müdes Lächeln entlocken dürften. Für mich der abgefahrenste Song, den DREAM THEATER bisher abgeliefert haben - stellenweise vielleicht vergleichbar mit dem grandiosen LIQUID TENSION EXPERIMENT-Zeug. Es folgt "Repentance", und damit erstmal kurz Fragezeichen in meinen Augen. Das hatten wir doch schon mal... "Hello Mirror, so glad to see you, it´s been a while". DREAM THEATER covern DREAM THEATER? Nein, sondern eine weitere Fortsetzung der "Alcoholics Anonymous Suite", die mit "The Mirror" ihren Anfang nahm und sich seit "Six Degrees of Inner Turbulence" ("The Glass Prison") durch sämtliche Alben der Amis schlängelt. Die Suite soll übrigens mit dem nächsten Album komplettiert werden und anschliessend als Live-Album veröffentlicht werden. "Repentance" ist eine sehr FLOYD´eske Nummer, eher ruhig und nachdenklich gehalten und gipfelt in einem sehr schönen Petrucci-Solo. Die Spoken Word-Parts auf dieser Nummer wurden übrigens von so klingenden Namen wie Neal Morse, Corey Taylor, Joe Satriani, Mikael Åkerfeldt, Daniel Gildenlöw oder David Ellefson beigesteuert! DAs anschliessende "Prophets Of War" ist nach den bekannten Ausflügen von "Octavarium" eine weitere Hommage an MUSE. Für die Chorpassagen wurden extra 50 Fans zum Einsingen ins Studio geladen. Das symphonische "The Ministry Of Lost Souls" schlägt im ersten Drittel in eine ähnliche Power-Balladeske Kerbe wie zuletzt "Sacrificed Sons", während es im zweiten Drittel neuerlich in Richtung Frickelorgie abgeht. Das letzte Drittel des Fünfzehnminüters gehört wieder der symphonischen Version des Dreamtheaters - und wieder sorgt Petrucci mit einem endgeilen Solo für Gänsehaut. Den krönenden Abschluß bildet schliesslich der zweite Teil von "In The Presence Of Enemies". Die beiden, ursprünglich in einem Stück aufgenommenen Teile sollen übrigens bei den Liveshows wieder zusammengeführt werden und ergeben mit 25:38 Minuten den längsten DREAM THEATER Song im Repertoire der Prog Könige.

Mir fallen auf Anhieb nicht viele Bands ein, die bereits länger als 20 Jahren bestehen und es immer noch schaffen, sich selbst zu übertreffen. Portnoy, Petrucci, LaBrie, Myung und Rudess ist mit "Systematic Chaos" einmal mehr dieses ganz besondere Kunststück gelungen. Dass sie dabei mit Roadrunner endlich ein Label gefunden haben, das sie mit funktionierender Promotion-Arbeit versorgt, freut mich für die Jungs besonders. Hätte es bereits zu "Octavarium" die eine oder andere Single gegeben ("Constant Motion" wird die erste DT Single seit "Through Her Eyes" (1999) sein), wäre DREAM THEATER mit höchster Wahrscheinlichkeit schon vor zwei Jahren kommerzieller Erfolg beschieden gewesen. Eine weitere Steigerung scheint unmöglich, doch dieser Band traue ich mittlerweile alles zu. Einmal mehr alle Neune.



Bewertung: 5.0 / 5.0
Autor: adl (01.06.2007)

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