MANILLA ROAD - Spiral Castle / The Courts of Chaos

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VÖ: 26.03.2021
Bandinfo: MANILLA ROAD
Genre: Epic Metal
Label: High Roller Records
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Lineup  |  Trackliste

Kommerziellen Erfolg hatten die Amerikaner MANILLA ROAD aus der Stadt Wichita (Kansas) nie. Obwohl sie als Mitbegründer des Epic Metal gelten, sich so mit musikalischen Ideen und Originalität von der Masse anderer Bands abhoben und auch viele sehr gute Kritiken einheimsten. Das Album „Crystal Logic“ (1983) gilt weithin als eines DER Epic-Metal-Alben. Letztlich war aber wohl einfach der Gesang von Bandkopf Mark Shelton und später Bryan Patrick einfach etwas zu kauzig für eine größere Hörerschaft. Nach dem achten Album „The Courts Of Chaos“ (1990) löste sich die Band auf. 1992 spielte Bandkopf Shelton noch das Album „The Circus Maximus“ ein, eigentlich als Solo-Projekt gedacht wurde es aber, um den Verkauf anzukurbeln, vom Plattenlabel Black Dragon Records kurzerhand unter dem Namen MANILLA ROAD veröffentlicht.

2001 dann das Comeback: Mark Shelton wiederbelebte die Band mit neuen Musikern und veröffentlichte das viel gelobte „Atlantis Rising“. Nur ein Jahr später kam „Spiral Castle“. High Roller Records hat dieses Album und auch das letzte Album vor dem Split, nämlich „The Courts Of Chaos“ nun als Re-Release erneut auf den Markt gebracht – inklusive Vinyl-Mastering durch Patrick W. Engel.

„Spiral Castle“

Mark Shelton, der nach einem Auftritt beim Headbangers Open Air im Sommer 2018 in Deutschland wegen eines Herzinfarkts verstarb, kommentierte „Spiral Castle“ zu Lebzeiten so: „Einige Songs von »Spiral Castle« stammten noch aus der Mitte der neunziger Jahre. Nachdem wir »Atlantis Rising« aufgenommen hatten, entschloss ich mich dazu, ein paar dieser Stücke wieder auszugraben und umzuarrangieren. Da sie in einer Zeit geschrieben worden waren, als Bryan (“Hellroadie”) noch nicht für die Vocals verantwortlich zeichnete, mussten natürlich auch die Gesangslinien an seine Stimme angepasst werden. Insgesamt ging es ziemlich schnell, bis »Spiral Castle« im Kasten war. Der Song ‘Spiral Castle’ selbst hieß früher übrigens 'White Goddess', 'Merchants Of Death' nannte sich 'Holy War' und 'Seven Trumpets' firmierte im Original unter 'The Gods Are Sleeping'. Die restlichen Nummern wurden allerdings speziell für dieses Projekt geschrieben. Ich würde nicht behaupten, dass »Atlantis Rising« und »Spiral Castle« stilistisch identisch sind, aber es existieren sicherlich ein paar Ähnlichkeiten, was allerdings auch nur allzu logisch ist, da auf beiden Platten dieselben Musiker zu hören sind. »Atlantis Rising« hatte einen eher direkten Ansatz sowie ein großes, übergeordnetes Konzept mit vielen Details, während »Spiral Castle« doch etwas kunstvoller ausgefallen ist.”

Nach dem teilweise überraschend hart riffenden Titeltrack, bei dem der recht hohe, näselnde Gesang von Bryan Patrick von harschen, fast schon growl-mäßigen Background-Vocals von Shelton kontrastiert wird, geht es beim doomigen „Shadow“ mehr in Richtung Psychedelic und psychedelischen Doom Metal. Dieser Genre-Einschlag wird bei „Seven Trumpets“ noch verstärkt, insbesondere durch das ausufernde Solo mit schöner Betonung des Basses. Das Hauptriff ist dabei durchaus ohrwurmmäßig, man muss aber genau hinhören. Auch das überlange (10:53 Minuten) „Merchants Of Death“ hat diese psychedelischen Momente, wo man eher an THE DOORS oder vergleichbare Woodstock-Bands denkt, als an Metal. Das ist an sich nichts Schlechtes, nur sicher nicht für jeden das Richtige, insbesondere Metal-Fans werden damit wohl so ihre Probleme haben. Vom Feeling und technischen Rafinesse sind die Gitarrensoli auf „Spiral Castle“ aber über alle Zweifel erhaben, das steht fest. Zum Ende hin wird’s dafür wieder sehr Metal, bevor es noch ein abgefahrenes, zugedröhntes Solo zu bestaunen gibt und man schließlich noch mal kurz Metal-Töne um die Ohren gehauen bekommt.

Ein gutes Beispiel für die psychedelische, aber auch vertrackte, progressive Note des Albums ist auch das ellenlange Gitarrensolo in „Burn Upon The Soul“. Verstärkt wird diese Note noch durch das abschließende „Sands Of Time“, das wie ein Bruder im Geiste weiterwabert und ebenfalls durch orientalische Melodien ein Kopfkino hervorzaubert. Sehr schön! Sowohl stilistisch als auch soundmäßig aus dem Rahmen fällt „Throne Of Lies“, das vom Plattenlabel als Bonustrack aufgeführt wird. Mit dem funkigen Crossover-Rhythmus und vor allem dem geshouteten Refrain nervt er ziemlich.

Insgesamt kann nicht wirklich ein singulärer Song als Highlight der Band genannt werden. Dennoch entwickelt das Album in seiner Gänze eine ganz eigene Stimmung, auf die man sich aber einlassen muss. Wenn man es tut, bekommt man viel zurück. Wer auf etwas kauzigen (insbesondere aufgrund des nasalen Gesangs), vertrackten Metal mit epischem oder doomigem Grundton und psychedelischen Gitarrenabfahrten steht, der sollte diesem Album auf jeden Fall noch mal eine Chance geben.

„The Courts Of Chaos“

„The Courts Of Chaos“ gilt zwar nicht als die beste Scheibe der Mannen aus Wichita, enthält aber alle Zutaten, die die Combo so außergewöhnlich machten: epische Tiefe (verstärkt durch ein textliches, zusammenhängedes Konzept), epochale Melodien, brachiale Härte und völlige Eigenständigkeit. Der Banger „Dig Me No Grave“ groovt gut, bei der abgedrehten Coverversion des BLOODROCK-One-Hit-Wunders „D.O.A.“ stehen zwangsläufig die Haare zu Berge (übrigens haben MANILLA ROAD nur diesen einen Song für eines ihrer Alben gecovert). Und „Into The Courts Of Chaos“ ist einer dieser Songs, für die der Name Epic Metal wohl erfunden wurde. Großartig elegische Melodie, die mit viel Atmosphäre dargeboten wird. Bei „From Beyond“ geht es sehr ruhig los, ja mystisch, um dann in eine nicht erwartete Wüterich-Toberei auszubrechen. „A Touch Of Madness“ macht seinem Namen alle Ehre, da hier ein paar recht abgefahrene Gitarrenläufe zu hören sind, gepaart mit einem sehr eigenen Gesang, um nicht zu sagen: kauzigen Gesang. „(VLAD) The Impaler“ ist vergleichsweise ein recht flotter Song, bei dem die Drums ziemlich im Vordergrund stehen. Das finale „The Prophecy“ ist ein majestätischer Epic-Metal-Song, bei dem Synthies die Grundmelodie tragen und schön zum Gesang passen.

Mark Shelton kommentierte zu Lebzeiten in einem exklusiven Interview das Album, das in einer schwierigen Phase für die Band entstand: „Unsere Veröffentlichungen verkauften sich lange nicht mehr so gut wie Jahre zuvor und allgemein entstand der Eindruck, dass Metal sich schwer tat, die Wende vom Vinyl- zum CD-Zeitalter erfolgreich zu vollziehen. »The Courts Of Chaos« war in seiner Entstehung ein ausgesprochen diffiziles Album, weil die Stimmung innerhalb der Band äußerst angespannt war, um das vorsichtig auszudrücken. Wir alle wussten, dass die Scheibe das Ende einer Ära markiert, weil diese Besetzung wohl nie wieder ein neues Album von Manilla Road zusammen einspielen würde.“

Gegenüber Kritikern des Albums entgegnete Shelton: „Tatsächlich fällt der Name »The Courts Of Chaos« eher seltener, wenn es um die Klassiker im Schaffen von Manilla Road geht. Aber wenn die Sprache erst einmal auf das Album fällt, dann gibt es auch immer wieder Liebhaber, die die Scheibe bis aufs Blut verteidigen. Und auch ich muss sagen, dass »The Courts Of Chaos« ein paar wirkliche Killer-Songs zu bieten hat. Etwa »Dig Me No Grave«. Das Stück ist aus unserer Live-Show einfach nicht wegzudenken. Diesen Song auf der Bühne zu spielen, ist immer eine ganz besondere Herausforderung, aber das liebe ich und unser Publikum scheint das genauso zu sehen.“



Ohne Bewertung
Autor: Tobias (03.07.2021)

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