CARNIFEX - Graveside Confessions

Artikel-Bild
VÖ: 03.09.2021
Bandinfo: CARNIFEX
Genre: Deathcore
Label: Nuclear Blast GmbH
Hören & Kaufen: Amazon
Lineup  |  Trackliste

Als CARNIFEX vor ca. sieben Jahren auf "Die Without Hope" verstärkt Black-Metal-Anleihen in Form von Tremolos und symphonischen Keyboards implementierten, öffnete sich gefühlt eine neue Welt, in die infolgedessen, wie wir heute wissen, etliche Bands hineinstießen - mit teils großem Erfolg, siehe LORNA SHORE. Ganz neu war diese Idee zwar auch damals schon nicht, doch man wusste sie konsequenter und schlüssiger umzusetzen als zuvor beispielsweise WINDS OF PLAGUE, die ja einen besonderen Status als Boxsack der Szene "genossen". Das Momentum, das man damals mit dem Einstieg von Lead-Gitarrist Jordan Lockrey gewann, hielt sich noch für genau ein weiteres Album ("Slow Death") und verpuffte dann im totdigitalisert abgemischten "World War X" nahezu gänzlich. Was also ist, eingedenk der Tatsache, dass ebenjener Lead-Gitarrist mittlerweile kein Teil der Band mehr ist, aus "Graveside Confessions", dem neuen Album der Kalifornier geworden? 

Fangen wir dafür am besten von hinten, also bei den Bonustracks, an: Alle drei stammen vom Debütalbum "Dead In My Arms" (2007) und wurden im Zuge der Aufnahmesessions zu "Graveside Confessions" neu eingespielt oder, besser gesagt, interpretiert. So, wie sich CARNIFEX im Jahre 2021 selbst sehen. Ob man das nun braucht oder nicht, sei dahingestellt - eine solche Art der Rückschau als Bonus taugt trotzdem mehr als belanglose Remixe oder Live-Versionen, die ohnehin kaum jemand hört -, doch lässt sich daraus gut ablesen, wo CARNIFEX als Quartett stehen: Nicht am Anfang, aber vor "Die Without Hope", allerdings mit dem Wissen über die kommenden Jahre. Und genau so klingt "Graveside Confessions", irgendwie: als würden die CARNIFEX der Jahre 2007 bis 2013 den CARNIFEX Stil der Jahre 2014 bis 2019 zocken.

Das geht nicht immer auf, was sich im Übrigen auch schon aus der minimal schwankenden Qualität der bisher veröffentlichten Singles "Cursed", "Seven Souls" und "Pray For Peace" ableiten ließ, aber eben doch sehr häufig - und hat dabei auch seinen spürbaren Reiz. In präziseren Worten verpackt heißt das: "Graveside Confessions" ist wesentlich stumpfer als seine Vorgänger, weswegen es zu gegebenem Zeitpunkt auch mal gut tut, mit einem Instrumental wie "January Night" kurz durchzuschnaufen. Die schwarzmetallische Gitarrenarbeit ist immer noch präsent, wird innerhalb der Songs etwas akzentuierter eingestreut, fällt dafür in "Cemetary Wander", "Seven Souls", "Cursed", "Talk To The Dead", "Cold Dead Summer" und "Alive For The Last Time" aber auch umso positiver auf. Ansonsten dominiert eine ruppige Mische aus bekanntem CARNIFEX-Deathcore-Riffing und theatralischen Tastentönen, was beispielsweise im Titeltrack-Opener oder auch dem später folgenden "Countess Of Perpetual Torment" grandios funktioniert, auf Albumlänge aber gelegentlich eintönig werden kann. Mixing und Mastering von Mick Kenney (ANAAL NATHRAKH), obschon auch nicht ideal, geben dafür mächtig Feuer und verbannen das digitale Geklapper eines "World War X" in die Vergessenheit. Noch viel wichtiger für das Album dürfte aber sein Einfluss als Produzent gewesen sein, denn man kann auf "Graveside Confessions", ohne dass ich jetzt zu sehr spoilern möchte, auch einige Passagen entdecken, die ANAAL NATHRAKH ähnlich machen würden, was CARNIFEX extrem gut steht.

Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass es nicht wenige Fans geben wird, die sich ein schrofferes CARNIFEX zurückgewünscht haben - und zähle mich, zumindest für dieses eine Album dazu. Im Direktvergleich gibt mir "Graveside Confessions" mit seiner brachial-rohen Energie und Abgestumpftheit einfach deutlich mehr als die (scnr) gimmicky Machterhaltungsemulationssoftware "World War X", die ich seit Release kein einziges Mal mehr angerührt habe. Ob das auch auf weiteren Alben funktionieren wird, bleibt abzuwarten; für den Moment aber gelingt CARNIFEX die Übergangsphase, sofern sie diese überhaupt als solche wahrnehmen, besser, als ich erwartet habe.



Bewertung: 4.0 / 5.0
Autor: Pascal Staub (30.08.2021)

WERBUNG: Innfield Festival
ANZEIGE
ANZEIGE