OBSCURA - A Valediction

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VÖ: 19.11.2021
Bandinfo: OBSCURA
Genre: Technical Death Metal
Label: Nuclear Blast GmbH
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Lineup  |  Trackliste

Das Rad steht nicht still. Oftmals genau dann, wenn man bereits mehrere Werke einer Band besprochen hat und einem allmählich die Ideen für weitere Niederschriften auszugehen scheinen, kommt es ganz anders - und OBSCURA sind eine dieser Bands, bei denen man sich stets sicher sein kann, dass die Themen wohl niemals abebben werden. Besetzungswechsel fanden in der Historie des Münchner Tech-Death-Ensembles schon einige statt, doch für "A Valediction", das in Bälde erscheinende sechste Album, drehte sich das berüchtigte Besetzungskarussell zur allgemeinen Verblüffung ausnahmsweise gegen den Uhrzeigersinn und verkündete per Lautsprecher niemand Geringeres als Jeroen Paul Thesseling und Christian Münzner als Neuzugänge in den zuvor freigewordenen Gondeln. Vollendet wird das nostalgische Line-Up allerdings nicht durch Hannes Grossmann, sondern den überaus talentierten Österreicher David Diepold, der bereits seit längerem mit Drum-Playthroughs auf Youtube auf sich aufmerksam machte und fortan das Schlagzeug bedienen wird.

Damit beginnt für OBSCURA - mal wieder - eine neue Zeitrechnung, was sich zusätzlich dadurch begründet, dass "A Valediction" weder eine strikte Fortführung der beiden Vorgänger "Akróasis" und "Diluvium" noch ein Anknüpfen an "Cosmogenesis" und "Omnivium" ist. Stattdessen will es etwas Neues sein, ohne dieser Intention zwanghaft nachzugehen. Dafür spricht einerseits der Studiowechsel nach Skandinavien, wo man sich erstmals mit Fredrik Nordström verbündet hat, und andererseits der stilistische Kurs, auf den man sich begeben hat und der wiederum die Entscheidung für das Studio Fredman begünstigt haben dürfte. Denn: "A Valediction" ist in seinem Herzen immer noch Technical Death Metal, in seiner Ausführung aber so melodisch wie noch nie. Müsste ich das Subgenre Technical Melodic Death Metal exemplifizieren, würde ich fortan "A Valediction" vorspielen.

Christian Münzer galt mit seiner Gitarre auf den früheren Werken schon als im positivsten Sinne verhaltensauffällig, setzt gemeinsam mit Steffen Kummerer auf "A Valediction" aber nochmal völlig neue Maßstäbe. Nein, sie öffnen das Portal in eine gänzliche neue Dimension. Addiert man dann noch Jeroen Paul Thesselings ikonischen Fretless Bass, der im Mix übrigens wahnsinnig gut betont wird, und Diepolds gleichzeitig technisch überragendes und songdienliches Drumming hinzu, lässt sich das nicht einmal mehr mit mind = blown adäquat beschreiben. Wie es OBSCURA schaffen, dass wirklich in jeder Sekunde irgendetwas Irres passiert und man dabei trotzdem eingängig bleibt, ist mir ein absolutes Rätsel. Regelmäßig verknoten sich Hirnwindungen, nur um sich dann doch rechtzeitig wieder zu lösen. Bestes Beispiel hierfür: der siebenminütige Opener "Forsaken", in dem sich die Gitarren extatisch in aberwitzigen Soli duellieren, wiederholt aber auch wohlklingende Leadmelodien einfädeln. Oder im zugespitzten "Solaris", in dem sich der Solopart in mehrere Phasen aufteilt: Technical Death Metal - Power Metal - Neoklassik. Atemberaubend. Packende Gegensätze dazu bilden die teils schleppenden "Devoured Usurper" und "The Neuromancer", das mit poppigem Björn-Strid-Refrain versehene "When Stars Collide" oder der Heavy-Death-Hybrid "In Adversity", die das Werk in einem Licht des Abwechslungsreichtums erstrahlen lassen.

Sicher ist: "A Valediction" ist ein Album, das theoretisch das Potenzial dazu hätte, seinen Hörer:innen gewaltig auf die Nerven zu gehen, weil jeder Schnörkel von mindestens zehn weiteren Schnörkeln abgelöst wird. Allerdings wurde es so großartig abgemischt und gemastert, dass das Ergebnis geradezu harmonisch in die Gehörgänge fließt. Was ich bei der Ankündigung noch nicht hundertprozentig nachvollziehen konnte, offenbart sich im Endergebnis als perfekter Kniff, denn während viele, insbesondere amerikanische Soundengineers mit übertriebener Kompression an der Grenze zur Straftat sowie digitaler Verunstaltung der Instrumente auffallen, hat "A Valediction" zweifelsohne einen der geilsten Gitarren- und Basssounds, den ich in den letzten Jahren erleben durfte, zu bieten. Das Schlagzeug klang auf den Vorgängern noch eine Spur organischer, ja, aber trotzdem war dieser Trip nach Schweden jeden Cent wert - zumindest meiner Meinung nach.

Ansonsten kann ich über "A Valediction" nicht mehr viel berichten. Die Nennung weiterer Höhepunkte kann man sich aufgrund dessen, dass man hier pausenlos mit instrumentaler Hexerei und kolossalem Songwriting verzaubert wird, jedenfalls sparen und wo ich es in der Diskografie einordnen würde, ist mir eigentlich herzlich egal, weil es in all seiner Opulenz für sich steht. In mehreren intensiven Wochen entwickelte sich "A Valediction" zu einem meisterhaften und geschmackvoll melodischen Tech-Death-Album mit Einflüssen aus klassischem Death, Power und Heavy Metal, Neoklassik und Prog, dessen eingängiger Charakter angesichts der technischen Extravaganz besonders hervorsticht. Daran kann man sich sicherlich auch stoßen, aber ich finde das von der ersten bis zur letzten Sekunde einfach nur geil. OBSCURA spielen seit jeher in ihrer eigenen Liga, aber ich bete zu den Metal-Göttern, dass genau dieses Line-Up bestehen bleibt, denn in dieser Formation sind sie im Genre the prince that was promised.



Bewertung: 5.0 / 5.0
Autor: Pascal Staub (16.11.2021)

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