SILENZER - X

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VÖ: 25.02.2022
Bandinfo: SILENZER
Genre: Metalcore
Label: Drakkar Entertainment
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Lineup  |  Trackliste

Wow, da starten die Herren von SILENZER mit "Niemandsland" richtig fett in ihr zweites Studioalbum! Dabei machen sie genau dort weiter, wo sie 2019 mit ihrem bereits äußerst bemerkenswerten Debüt "Seelenfeuer" aufgehört hatten.

Als Rockcore bezeichnen die Österreicher selbst ihren Sound. Und in der Tat kommt es mir immer mal wieder vor, als würde da eine etwas softere, dafür aber wesentlich eingängigere und melodischere Variante von CALLEJON aus den Boxen tönen. Aber dies soll der erste und auch gleich der letzte Vergleich in dieser Rezi sein, denn SILENZER machen absolut ihr eigenes Ding, und auch wenn sie dabei natürlich bekannte Versatzstücke aus den Bereichen (Metal und Post Hard) Core, Alternative Metal und -rock sowie Pop Punk in ihre Musik einfließen lassen und die genreaffine Hörerschaft sich deshalb direkt im Soundgewand des Quintetts zu Hause fühlen dürfte – SILENZER klingen erstaunlich frisch und nicht wie drölfzigste Aufguss aus dem sattsam bekannten Core-Baukastensystem.

SILENZER vollführen mit den zehn Tracks der neuen Scheibe in luftiger Höhe einen echten Drahtseilakt. Doch sie fallen nicht ins Netz der Peinlichkeit, sondern halten die Balance zwischen kunterbunten Melodien, fetten Breakdowns und kernigen Riffs, heftig-metallischen Ausbrüchen und zerbrechlichen Akustikparts. Poppige Passagen gehen wie selbstverständlich in wütende Metalcore-Passagen über, und der extrem variable Gesang von Frontmann Chris hebt die ohnehin schon ausnahmslos starken Stücke nochmals auf ein höheres Level. Stimmlich bietet der Shouter dem Auditorium eine unglaubliche Bandbreite von giftigen Screams, herrlich tiefen Growls, und facettenreichem Klargesang, der mal rau, mal wortwörtlich glasklar erklingt, sich dabei aber dankbarerweise von den weinerlichen Clean Vocals vieler Core-Sänger abhebt. Großartige Leistung – Chapeau!

Weiterhin bemerkenswert sind die häufig im krassen Gegensatz zu den oft fast fröhlich wirkenden Melodien der Hooklines stehenden Texte, die alles andere als oberflächlich daherkommen. Vielmehr offenbaren sich hier immer wieder regelrechte (menschliche) Abgründe. Die Lyrics enthalten ein ums andere Mal schwere Kost, die wesentlich tiefer geht als viele genretypische 0815-Lines. Ob sich die Texte um Beziehungsprobleme, innere Dämonen, Selbsthass, Drogen oder Suizidgedanken drehen, das lyrische Konzept ist komplett klischeefrei und wirkt sehr persönlich und intim.

Der aufmerksamen Lesergemeinde dürfte nicht entgangen sein, dass ich bislang noch nicht auf einzelne Tracks eingegangen bin. Ich tue mich tatsächlich sehr schwer damit, hier bestimmte Stücke herauszugreifen oder hervorzuheben. Gerade weil die zehn Tracks durchaus sehr unterschiedlich ausfallen und äußerst abwechslungs- und facettenreich daherkommen. Jeder Song hat seine speziellen Momente, ob er nun treibend und aggressiv vorangaloppiert wie "In deinem Verlies", "Apokalypse" und "Dämon", oder ob es sich um eine ergreifende Ballade handelt ("Stille Wasser"). "Toxin", "Deine Nähe tut weh" und "Ex" bieten (nicht nur!) Singalong-Refrains zum Niederknien. Und auch die restlichen Nummern halten spielend das Niveau der eben genannten Titel.

Die Gesamtspielzeit von "X" ist mit unter 40 Minuten zwar ziemlich kurz ausgefallen. ABER! Dafür sucht man hier vergeblich irgendwelche Filler oder zeitstreckende Interluden. SILENZER kommen vielmehr zehnmal kurz und knackig direkt zum Punkt. Und die Ösis schaffen es, dass man unwillkürlich nach dem Albumcloser "Treibsand" den Finger in Richtung Play-Taste ausstreckt, weil man diese geile Mucke einfach sofort noch mal hören muss! Der Wiedererkennungswert liegt bereits nach den ersten zwei Durchläufen bei 110%, und ich bin mir sicher, dass sich die zweite Langrille von SILENZER auch in Sachen Langzeitwirkung exzellent schlagen wird. Und es müsste schon mit dem Teufel zugehen, wenn die talentierte Combo mit ihrem aktuellen Output in Punkto Bekannt- und Beliebtheitsgrad nicht einen großen Sprung nach vorn machen wird.

 

Fazit:

Auch wenn sicher einige Vertreter der permanenten Nörgel-Fraktion die Musik von SILENZER mal wieder zu soft, viel zu poppig und zu kommerziell finden werden, für mich ist "X" ein echtes frühes (Core und mehr) Highlight des Jahres 2022. Und ich wage jetzt mal die Prognose, dass SILENZERs Zweitwerk bis Ende Dezember wohl ähnlich oft in meinem Player rotieren wird, wie letztes Jahr "Chemical Warfare" (und heuer mache ich nicht nochmal den Fehler und bin einen halben Punkt zu knausrig!). Wer also (rein zur Orientierung) mit ESCAPE THE FATE oder auch FIT FOR A KING, CALLEJON, WE CAME AS ROMANS und den von mir 2021 ebenfalls gefeierten ANCHORS & HEARTS etwas anfangen kann, dem seien SILENZER wärmstens ans Herz gelegt! Ich drehe jetzt jedenfalls gleich noch mal eine Runde mit "X". Oder zwei. Oder drei...



Bewertung: 4.5 / 5.0
Autor: Ernst Lustig (24.02.2022)

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