DÖDELHAIE - Linksextreme Hassmusik

Artikel-Bild
VÖ: 22.04.2022
Bandinfo: DÖDELHAIE
Genre: Punk
Label: Impact Records
Hören & Kaufen: Amazon
Lineup  |  Trackliste

Es gleicht schon einer kleinen Sensation, dass die DÖDELHAIE zwölf Lenze nach "Hai Alarm!" noch einmal mit neuer Mucke um die Ecke kommen. Nach einer so langen Zeit hätte man beinahe meinen können, das lustige Quartett wäre zwischenzeitlich vom großen Knorpelfisch gefressen worden, aber denkste! Die Duisburger machen auch anno 2022 das, was deutsche Punkbands gut können: schwindelerregende Virtuosenmusik mit progressiven Soli zum Einschlafen! Nein Moment, das war was anderes...ich meinte natürlich: den ungewaschenen Finger in die frische Wunde legen!

Ja, bei Punkbands im Allgemeinen und den DÖDELHAIEN im Speziellen muss nicht immer jeder Ton sitzen, aber im Gegensatz zu manchen „Punkbands“, die man heutzutage trotz ansprechender Musik vielmehr als „tanzbaren Hartpop mit Spuren von Punkrock“ beschreiben könnte, ist das hier noch Punkrock. Man fragt sich zuweilen sogar, ob die Riemenfische* überhaupt die Muße hatten, vor dem Studiobesuch ihre Gitarren zu stimmen. Und dennoch ist das unter dem Banner "Linksextreme Hassmusik" Feilgebotene auf seine eigene Art und Weise gehobene Untergrund-Dichtkunst...sowas wie die disharmonische Haute-Couture des politisch gebildeten Gerstensaft-Sommeliers.

Wenn der Admin keinen mehr hoch kriegt und andere Dramen

Nachdem wir nun einleitend auch für die wasserscheuen Punkrockhörer und -hörerinnen erläutert haben, wie diese altehrwürdige Duisburger Institution aus den Boxen röhrt, wollen wir auf der Flosse folgend einen Einblick über die thematischen Beweggründe für die "Linksextreme Hassmusik" eingehen. Denn wie jeder weiß, gilt auch auf dem Forum der Kunst das Prinzip: "Einer muss den Job ja machen" bzw. "den letzten beißen die Haie". So gehören die DÖDELHAIE auch heute noch zu jenen Gruppierungen, die den im allgemeinem Sprachgebrauch nahezu ausgestorbenen offenen Anschiss noch beherrschen und diesen mit gekonnt satirischem Humor an den Mann zu bringen wissen.

So ist gerade der Album-Opener "Chemtrailpiloten" einer dieser Songs, die man nach zwei Jahren Pandemie und dem scheinbaren Verlust des Rückfahrscheins zur Normalität gebraucht hat. Denn nachdem man seit Beginn der Krise tagtäglich von beratungsresistenten Hohlbirnen, Verschwörungstheoretikern und Wissenschaftsleugnern zugespammt wird und sich immer wieder fragt „noch dümmer und abstruser geht’s wohl echt nicht mehr?!“, holen diese Genie und Wahnsinn vereinenden Hohepriester der Pogolyrik mit dem geschwungenen Zehnlochstiefel zum Roundhousekick der Erlösung aus und knallen einem diese bissige wie humorvolle Schmähschrift vor den Latz. Einfach großartig.

Neben diesem (inzwischen "leider" nicht mehr) alles überschattenden sozialen Totalausfall zeigen sich die Haie mit "Manchmal denke ich an Holland" im Angesicht der drohenden Klimakatastrophe von ihrer nachdenklichen Seite. Und was früher mal der mit hochkalorischen Cocktails ausgerüstete Straßenkampf war, erfährt heute in Form des in "Der Server ist down" propagierten Cyber-Anarchismus ein zeitgemäßes Update. Administrative Erektionsstörungen im Serverraum statt analoger Anarcho-Endzeitlyrik – ein "Trümmertango" (NORMAHL-Song) für die Digital Natives. Digitale Sozialkritik mit der nötigen Dosis Aufrührertum. Kann man so machen!

Und zu guter Letzt leistet "Der Punk tanzt allein", eine saukomische und vor Szeneklischees strotzende Neuinterpretation des beliebten "Katzentatzentanz"-Lieds, einen profunden Beitrag zu den erzieherischen Pflichten eines jeden sich vermehrenden Punkrockers. Trotz einer gewissen Plattheit sind hier spontane Lacher und ungehobelte Dancemoves garantiert. Muss man gehört haben.

Erwachsen werden? Nicht mit den DÖDELHAIEN!

Ich kann nicht mit dem Finger drauf zeigen, aber irgendwie beschleicht mich der leise Eindruck, dass man diesen Jungs eine ordentliche Prise Peter-Pan-DNA ins Dosenbier gekippt hat. Denn wie man es dreht und wendet, merkt man dieser Band bis heute nicht an, ob die Vortragenden nun fünfzehn oder fünfzig sind. Alterserscheinungen, Midlife-Crisis und Notenlesen konnten bei den DÖDELHAIEN anscheinend ungefähr so viel bewirken wie die einige Jahre zurückliegenden Indizierungsversuche eines gewissen Innenministers, der dem vorliegenden Album damit unfreiwillig seinen Namen gegeben hat. So ist am Ende auch "Linksextreme Hassmusik" kurzweilig, bissig, lustig und etwas windschief im Sound – oder anders formuliert: genau, wie ein gutes Punkrock-Album sein muss!

________________________________________________________________________________________________

[Anmerkung der naturwissenschaftlich interessierten Lektorin: Sehr geehrter Herr Seriösgesicht, ich möchte Sie höflich darauf hinweisen, dass es bei Ihrer (sicherlich fäkalhumoristisch gemeinten) Formulierung zu einer Verwechslung mit den tatsächlich vorkommenden Riemenfischen kommen kann. Auf diese wird hier ausdrücklich nicht Bezug genommen. Insofern ist „Riemenfische“ hier leider nur Ausdruck Ihres Unvermögens, sich naturwissenschaftlich zu bilden…Mit freundlichen Grüßen L.]  

[Antwort des Review-Dödels: Der Verfasser ist naturwissenschaftlich gebildet, allerdings vorwiegend auf dem Gebiet der Thermodynamik. Er könnte den Garpunkt des Haifischs als Funktion seiner Masse und Oberfläche abbilden, aber in puncto „Systematik der Riemenfische“ beschränkt sich seine Kompetenz tatsächlich nur auf die mit Recht unterstellte fäkalhumoristische Verballhornung.]



Bewertung: 3.5 / 5.0
Autor: Lord Seriousface (15.04.2022)

WERBUNG: Hard
ANZEIGE
ANZEIGE