BAEST - Justitia

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VÖ: 27.05.2022
Bandinfo: BAEST
Genre: Death Metal
Label: Century Media Records
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Lineup  |  Trackliste

Wer rastet, der rostet – und wer auf hohem Niveau knüppelt, muss am Ball bleiben, sonst geschieht ihm ein selbiges. Diesen noblen Grundsatz berücksichtigend, wundert es nicht, dass die dänischen Aufsteiger BAEST ein gutes Jahr nach ihrem Machtwerk [Anm. d. Verf.: ja, das "t" gehört dahin!] "Necro Sapiens" schon wieder mit neuer Mucke im die Ecke kommen. Ob die auf den Titel "Justitia" getaufte EP nun der Auftakt zu einem neuen Langprügel oder die Nachspielzeit des berühmten Skeletor-Albums ist, ist nicht überliefert – fest steht allerdings, dass die Aarhuser dort weitermachen, wo sie mit ihrem letzten Rundling aufgehört haben.

Und dies bedeutet zusammengefasst vor allem eins: ausufernde Songs, die sich – auf einem standesgemäßen Oldschool-Death-Metal-Fundament thronend – mit wilden bis zuweilen unkonventionellen Riffs austoben und den Hörer um den Verstand bringen (bestes Beispiel: "Ecclesia"). BAEST können viel und wollen viel, was sie auch auf "Justitia" offen zur Schau stellen. Die technische Verspieltheit wird noch eine Ecke weiter getrieben als auf dem letzten Langeisen. Eingängige Melodien, akustische Intros und unchaotische Soli beanspruchen zuhörends mehr Platz im Repertoire des Quintetts.

Besagtes "Ecclesia" und das im brüderlichen Duett mit ABORTEDs Sven de Caluwé dargebotene "Justitia" punkten mit unerwarteten und spannenden Twists, die dem Titeltrack von "Necro Sapiens" nahe kommen. "Gargoyles" wärmt vor dem obligatorischen Schlachtfest mit der Akustikgitarre auf, driftet zwischendurch in nahezu ABBATHesk-schwermetallische Gefilde ab und wird durch die giftigen Gast-Vocals von Trevor Strnad zu einem ungeplanten Denkmal für den verstorbenen THE BLACK DAHLIA MURDER-Fronter. Das ENTOMBED A.D.-Cover "Second To None" hält als weitere Ehrerweisung an einen gefallenen Helden der Szene die Fahne hoch und lässt darüber staunen, wie gut Simon Olsen die markante Röhre LG Petrovs trifft.

Insofern ist die aktuelle EP für eine solche ausgesprochen gut bestückt – warum BAEST dazu noch eine Instrumentalversion des "Necro Sapiens"-Songs "Genesis" gebraucht haben, erschließt sich mir allerdings nicht. Denn wenn man nicht gerade auf einen Singstar- bzw. Growlstar-Abend mit BAEST-Tracks aus ist, bewegt sich diese Nummer irgendwo zwischen Füllmaterial und Rillenverschwendung, was bei einem gut ausgerüsteten Release wie diesem überhaupt nicht notwendig gewesen wäre.

Darüber kann man aber in Anbetracht des sonst abgelieferten Materials gut hinwegsehen. Warum gibt's dieses Mal trotzdem "nur" vier Punkte? Nun ja, wie schon erwähnt wollen BAEST viel – und was ihren Sound angeht, ein wenig zu viel. Nicht, dass "Justitia" schlecht klingen würde...im Gegenteil: dass die Herren mit dieser EP quasi die Steigerung der Steigerung zelebrieren und mit auralen Massenvernichtungswaffen in den Loudness War ziehen, hat durchaus seine Vorzüge. Denn was die Stahlsaitenfront hierbei abliefert, liegt ausgewogen zwischen "allererste Sahne" und dem "Gipfel der Geilheit". Die hier dargebotene, kristallklare und zugleich undurchdringbare Wand, die die Äxte aufbauen, ist beispiellos und lässt sogar produktionstechnische Wuchtbrummen wie ENDSEEKERs "Mount Carcass" oder die jüngste ABBATH wie Waisenkinder klingen - und die haben bekanntlich schwer was unter der Haube. Aber mit diesem Monstrum von Sound kann man locker bei Fort Knox "läuten" und die Staatskasse mitnehmen. Die Kehrseite dieses Hochgenusses ist das hierfür leider obligatorische Abdriften des Drumsounds in immer gepimptere und in diesem Falle auch klinischere Gefilde, was derbei noch kein Beinbruch ist, aber im Abgang ein wenig nervt.

Wenn man jedoch von diesem kleinen Schönheitsfehler absieht und vielleicht noch den besagten Growlstar-Abend in seinen Wochenplan mit aufnimmt, kann man für "Justitia" nur wohlwollende Worte finden. Perfektion im Composing, Gratwanderung in der Produktion – BAEST stellen einmal mehr unter Beweis, dass sie eine steile Lernkurve hinlegen können und nicht zu Unrecht als Aufsteiger gehandelt werden. Wenn sie jetzt noch ihre (drum)soundtechnische Mitte wieder finden, sind hier durchaus wieder mehr als vier Punkte angebracht, keine Frage!



Bewertung: 4.0 / 5.0
Autor: Lord Seriousface (30.05.2022)

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