THE EATING CAVE - Ingurgitate

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VÖ: 10.06.2022
Bandinfo: THE EATING CAVE
Genre: Technical Death Metal
Label: Eigenproduktion
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Lineup  |  Trackliste

Ach weh, du zartbesaitetes Musikerherz, was hast du dir mit dieser Band eingehandelt? Erstens: der Bandname THE EATING CAVE. An sich sind Worte nicht konnotiert, weder positiv noch negativ. Eine vertilgende Höhle, dabei klingelt es nicht unbedingt. Zweitens: der Album-Titel: „Ingurgitate“. Was den Sound betrifft, kann der Band Grobschlächtigkeit auf hohem Niveau attestiert werden. Drittens: Bei genauerer Betrachtung des Band-Logos, kommt das Auge des Betrachters nicht umhin, eine Höhle zu sehen, umrahmt von verwundenem Geäst, Ranken, Büscheln. Etwas verkürzt, es ist eine Vulva, allerdings denke ich nicht, dass es das Gegenstück zum Album von TYPE O NEGATIVE „Slow, Deep and Hard“ darstellt. Freudianer aller Länder vereinigt euch.

Die Band, deren erste Langrille hier Thema sein wird, stammt aus Virginia Beach. Herleitungen bezüglich griechischer Mythologie sind hier keine zu eruieren. Es sei nur der Ordnung halber angemerkt, dass Aphrodite (die Schaumgeborene) zuerst auf Kythera im Mittelmeer an Land ging. Nicht gerade in der Nähe der Vereinigten Staaten. Warat oiso wuascht.

An Hour Of Terror“ beginnt mit 8/4-Takten, die fein säuberlich zweigeteilt sind. Es ist ein kleiner Vorbote auf das, was da kommt, nämlich rhythmisch äußerst anspruchsvoller Brutal Death Metal auf Dauerfeuer – inklusive rotglühender Läufe – der die Grenzen bezüglich Beanspruchung des menschlichen Hörapparates auslotet. Das Outro, bei dem sich alle Instrumente in eine Richtung – nämlich zu Tale – sozusagen in Form von Lava einen Berg hinunterschlängeln, die Gitarren (sind es Terzen?) könnten kompositorisch etwas mehr tun, als verbrannte Erde zu hinterlassen.

Sadistic Entaglement“: Ein Lied, das diesen Namen trägt, wird kaum programmmusikalisch blühenden Frühlingswiesen lobhudeln, sondern eine Empfehlung des finstersten Höhlenschlunds darbieten wollen. Der Sound ist hart an der Schmerzgrenze, dabei technisch von einer Brillanz durchzogen. Wobei der Gesang, der abwechselnd gegrowlt bzw. gescreamt dargebracht wird, als würden während des Hexensabbats Dämonen beschworen werden, sein Übriges tut.

Godless Entity“ bietet keine neuen Erkenntnisse. Sollte die Langrille exakt in diesem Duktus weiterentwickelt werden, würde es für ein vollkommenes musikalisches Erlebnis zu wenig sein.

Aggregate Vanity I und II“ würden dem allseits beliebten Computerspiel Diablo IV bestimmt den nötigen Drive geben, um die Gemarterten des Höllenfeuers in neuem Lichte erstrahlen zu lassen. Für die Sterblichen ist hier nichts zu holen, außer schmerzliches Herzeleid.

Tendrils Of Gas And Iron“: Hier wird die Vollgas-Metal-Kaskade geradezu zelebriert. Ich stelle mir zwei Fragen. Erstens: Bei diesem Tempo und dieser rhythmischen Komplexität, wie würde diese Band das live umsetzten, denn jeder noch so kleine Fehler wird bestraft werden. Zweitens: Jemand, der kein Instrument spielt und allein des Hörgenusses wegen auf Metal aller Schattierungen steht, wie könnte diese Band aus den finstersten Ecke des Höllenschlundes für dessen Seelenheil sorgen?

Inherited Extinction“: Das vorletzte Lied ist angebrochen. Götterdämmerung ist angesagt. Wenn die strahlendsten Engel von heute mit einem Fingerschnippen die fiesesten Dämonen von morgen werden – wer könnte es THE EATING CAVE verdenken, am untersten Ende der Nahrungskette alles aufmischen zu wollen?

Fermented Cerebral Offering“: Ist tatsächlich das letzte Lied, wobei ich auf Erlösung hoffte, die selbstverständlich nicht eintrat. Wie meinten die vier gefallenen Engel aus Huntington Park, Kalifornien? „Show No Mercy.“

Fazit: Ein Album wie ein nicht enden wollender Triathlon, der aber jenseits der Pforten der Hölle stattfindet. Lärmend, lärmender, THE EATING CAVE. Ein Schmerzensgral, der auf rhythmischer, wie technischer Komplexität beruht. Liebe Leser*innen, sollten Sie eines Tages aufgrund widriger Umstände nicht die Rolltreppe in den Himmel nehmen, sondern die Road 666 direkt in die Hölle, wird Ihnen mit dieser Platte gewahr, was auf Sie warten wird.

Die Band legt ihre Finger in alte Wunden. Ich denke aber, dass dies bezüglich potentieller Hörer*innen dazu führt, etwas weniger Schmerzendes auf dem Plattenteller zu wissen. Ein musikalischer Fluss, der Adrenalin auszustoßen vermag. Darum empfehle ich der Band Kompromisse hinsichtlich des Songwritings einzugehen, denn es treten bald Verschleißerscheinungen ein. Nicht jedes Lied muss einen Arschtritt mit Stahlkappe für Hörer*innen parat haben.

Zu guter Letzt empfiehlt sich der Verfasser dieses Artikels und wird flugs den/die HNO-Arzt/Ärztin seines Vertrauens aufsuchen.



Bewertung: 3.5 / 5.0
Autor: Richard Kölldorfer (07.06.2022)

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