SCHANDMAUL - Knüppel aus dem Sack

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VÖ: 10.06.2022
Bandinfo: SCHANDMAUL
Genre: Folk Rock
Label: Napalm Records
Hören & Kaufen: Amazon
Lineup  |  Trackliste

Auweia, was ist denn hier los?! Ist "Traumtänzer" aus dem Jahr 2011 wirklich das letzte SCHANDMAUL-Album, das bei Stormbringer besprochen wurde? Shame on us! Na, dann wird es ja höchste Zeit, unserer Leserschaft mal wieder eine ordentliche Portion Folk/Mittelalter Rock ins Gehör zu blasen.

Ich kann mich noch gut an die frühen Tage von SCHANDMAUL erinnern, als mich Stücke wie "Trinklied" ("Wahre Helden", 1999) oder "Eine Waldmähr" ("Von Spitzbuben und anderen Halunken", 2000) begeisterten, ehe die Gröbenzeller 2002 ihr für mich bis heute bestes Album veröffentlichten. "Narrenkönig" enthielt nicht nur unsterbliche Hymnen wie "Walpurgisnacht", "Dein Anblick" (schönster SCHANDMAUL-Song ever!!!), "Die drei Prüfungen" oder "Der Hofnarr". Auch diese wunderbar unbeschwerten Nummern wie "Der Spion", "Sonnenstrahl" und "Der Kurier", für die die mittelaltergeschwängerten Folk-Rocker bis heute geliebt werden, hatten auf dem dritten Album Hochkonjunktur. Dazu gesellten sich exzellente Instrumentals ("Waldgeflüster") und die kongeniale "Trinklied"-Fortsetzung "Der Wandersmann". Bei so viel geballter Hochkarätigkeit, verwundert es nicht, dass der Nachfolger "Wie Pech und Schwefel" (2004) da nicht ganz mithalten konnte, jedoch immer noch eine sehr gute Scheibe war. 

"Mit Leib und Seele" (2006) und "Anderswelt" (2006) fielen danach dann um einiges ab, auch wenn SCHANMAUL in den fast 25 Jahren ihres Bestehens noch NIE ein schlechtes Album abgeliefert haben. Mit wieder deutlich besseren "Traumtänzer" (2011) erschloss man sich viele neue Fans. Und "Leuchtfeuer" markierte 2016 den vorläufigen, in kommerzieller Hinsicht größten Erfolg für SCHANDMAUL (das Album belegte dazumal den ersten Platz der deutschen Album-Charts). Doch mit "Leuchtfeuer" und vor allem dem Vorgänger "Unendlich" entfernte sich die Band allerdings deutlich vom Sound ihrer Anfangstage. Mit "Artus" versuchten SCHANDMAUL, sich wieder etwas mehr zu den frühen Alben hin zu orientieren, allerdings kam die Scheibe aufgrund mangelnder Abwechslung und spürbarer Mutlosigkeit nicht über ein "Gut" hinaus.

Und nun also "Knüppel aus dem Sack". Mit Album Nummer elf will das sympathische Sextett inhaltlich an die glorreichen Zeiten zu Beginn der 2000er Jahre anknüpfen. Die Frage ist, wird dieses Unterfangen von Erfolg gekrönt sein? Werden SCHANDMAUL es schaffen, die Trademarks der guten alten Zeit wiederzubeleben?

Der Opener und Titeltrack "Knüppel aus dem Sack" ist schon mal eine Ansage. Das Stück kann getrost als der bislang härteste SCHANDMAUL-Song bezeichnet werden. Aggressive, düster-verzerrte Gitarren, die mit ihrem gewollt dissonanten Klanggewand an die Kompositionen von SVBWAY TO SALLY erinnern, werden von fies krächzenden Vocals begleitet, die man so von Frontmann Thomas Lindner noch nicht gehört hat. Der Hörerschaft tönt eine sperrige Nummer entgegen, die mehr als drei Anläufe braucht, um zu zünden. Aber wenn der Knoten einmal geplatzt ist, wird der Album-Einstieg richtig groß.

Der aktuelle Rundling ist tatsächlich ein unverkennbarer Schritt back the roots. So weckt "Königsgarde", auch wenn SCHANDMAUL hier mit prominenter Unterstützung von SALTATIO MORTIS und FEUERSCHWANZ agieren und das Stück ziemlich bombastisch arrangiert wurde, wundervolle Erinnerungen an zurückliegende Heldentaten der Lästermünder. Gleiches gilt für "Das Gerücht" und "Der Quacksalber", die mit ihrer augenzwinkernden Luftigkeit deutliche Parallelen zu Evergreens wie "Der Spion" aufweisen. "Der Pfeifer", "Niamh" und "Der Tatzelwurm" animieren, mal schunkelnd, mal treibend, das Tanzbein, sich in ausufernde Schwingungen zu versetzen.

"Der Flug" und "Luft und Liebe" bieten neben der mitreißenden Instrumentierung auch tiefgründige, teils regelrecht poetische Lyrics. Dass in "Glück auf!" die folk-punk-rockenden Urgesteine von FIDDLER'S GREEN mit am Werke sind, hört man nicht nur beim Gesang. Die Fiedler haben dem Überhit des Albums einen deutlichen Stempel aufgedrückt. Und trotzdem ist der Song ein SCHANDMAUL-Track durch und durch. 

"Irgendwann" kann man textlich sowohl als Pandemie-Bewältigung als auch als Rückblick der Band auf ihr bisheriges Schaffen mit allen Höhen und Tiefen interpretieren. Mitsingtauglich ist das Stück in jedem Fall, und ein paar Ohohoho-Passagen für zukünftige Live-Sänger-Wettstreite mit dem Publikum hat man auch gleich noch mit eingebaut. "Der elfseitige Würfel" erinnert lyrisch an Nummern wie "Die drei Prüfungen", "Stein der Weisen" und "Hexeneinmaleins". Der Albumcloser "Long John Silver" ist eins dieser Stücke, die am Ende einer SCHANDMAUL-Platte dafür sorgen, dass man nach dem letzten Ton mit einem selig-zufriedenen Grinsen zurückbleibt und unwillkürlich erneut auf die Play-Taste drückt.

Fazit:

Der Vorgänger "Artus" ließ mich seinerzeit etwas skeptisch und unbefriedigt zurück. Doch SCHANDMAUL haben es tatsächlich geschafft, das Ruder herumzureißen und mit "Knüppel aus dem Sack" ein Album auf die Fangemeinde und alle die es werden wollen, loszulassen, auf dem sie einerseits die alten Tugenden zu neuer Jugend erwecken, andererseits aber auch die moderneren Einflüsse der letzten Dekade nicht verleugnen. Und SCHANDMAUL beweisen wieder Mut und fassen sich ein Herz, neue, ungewohnte Elemente in ihre Musik einfließen zu lassen. Vom metallisch-finsteren Einstieg "Knüppel aus dem Sack" bis zum wundervollen Finale "Long John Silver" bietet die aktuelle Scheibe ein Feuerwerk bunter Melodien und eine gekonnt ausbalancierte Mischung aus alt und neu, die allerdings mit ganz viel Rückbesinnung auf die großen Tugenden der Vergangenheit einhergeht.

"Knüppel aus dem Sack" beschert beim Hören unerhört gute Laune, regt gleichzeitig aber auch zum Nachdenken an und bietet endlich wieder die Momente, in denen man, während man die Augen schließt und die Musik ganz pur genießt, sich aus dieser Welt wegträumen und voll und ganz auf die Reise durch das SCHANDMAUL-Klanguniversum begeben kann.



Bewertung: 4.5 / 5.0
Autor: Ernst Lustig (09.06.2022)

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